# taz.de -- Fahndung via Facebook: Was für ein Dilemma
       
       > Öffentlichkeitsfahndungen über Online-Netzwerke sind oft erfolgreich.
       > Zumindest für die Polizei. Die Bilder der Täter und Opfer bleiben für
       > immer im Netz.
       
 (IMG) Bild: Einfach die Entfernen-Taste drücken, um Bilder aus dem Netz zu bekommen?
       
       Es ist nicht viel zu sehen auf dem Bild: ein Mädchen, ihre großen Augen,
       ein gestreifter Pullover, eine Blume darauf, diese typische
       Prinz-Eisenherz-Kinderfrisur, an den Seiten lang, vorne ein Pony,
       praktisch.
       
       Dieses Foto soll so schnell wie möglich verschwinden.
       
       Denn es stammt aus einem im Darknet geteilten Video. Das Mädchen ist
       missbraucht und dabei gefilmt worden. Bilder des Täters gab es in den
       Aufnahmen nicht zu sehen.
       
       Dennoch nutzte das Bundeskriminalamt die Öffentlichkeitsfahndung,
       verbreitete das Bild des Opfers, des vierjährigen Mädchens, streute es so
       breit wie möglich – und versucht es nun wieder einzufangen.
       
       Öffentlichkeitsfahndungen sind im Rechtsstaat immer eine Gratwanderung: Die
       Polizei stellt einen Menschen – im wahrsten Sinne des Worts – an den
       Pranger.
       
       Mit, aus Sicht der ErmittlerInnen, anscheinend ordentlichem Erfolg:
       Zumindest jubelte die Polizei Hannover schon vor sechs Jahren, welch große
       Verbreitung ihre Fahndungsaufrufe bei Facebook gefunden hätten. In einem
       halben Jahr seien so acht Fahndungen erfolgreich beendet worden, für die es
       vorher keine Hinweise gegeben hätte.
       
       Spätestens da war das Wort „Facebook-Fahndung“ geboren. Das Netzwerk wirkt.
       Bei U-Bahn-Tretern, bei Hooligans, bei Mördern. Wobei vor allen ein
       „vermeintlich“ stehen müsste. Denn als nach ihnen gesucht wurde, war ja
       noch niemand verurteilt.
       
       Auch diesmal war die Fahndung via Facebook erfolgreich. Ein Verdächtiger
       aus dem näheren Umfeld des Kindes ist mittlerweile gefasst worden. Der Weg
       hat wohl zum Ziel geführt. Das ist gut.
       
       Doch das Foto wird nie mehr verschwinden. Das ist schlecht.
       
       ## Bilder für die Ewigkeit
       
       Es ist unauflösliches Dilemma: Die Onlinemedien und das mit seinen laut
       eigenen Angaben 31 Millionen Nutzern in Deutschland extrem große Netzwerk
       Facebook schaffen eine enorme Reichweite für die Fahndung, aber eben auch
       eine unmöglich zu kontrollierende Masse.
       
       Das zeigte sich schon einmal, 2012 in Emden. Die Polizei hatte sehr
       unscharfe Bilder aus einer Überwachungskamera veröffentlicht, ein
       17-Jähriger war festgenommen worden. Daraufhin versammelte sich ein
       Lynchmob von ungefähr 50 Personen vor der Wache, um den „Täter“ aus dem Weg
       zu räumen. Die Folge eines Aufrufs zur Selbstjustiz bei Facebook. Nur: Der
       Jugendliche war es nicht. Er wurde von der Polizei entlastet. Doch nach
       Hause zurückkehren konnte er zunächst nicht.
       
       Diesmal hat die Polizei vermutlich keinen Fehler begangen. Dennoch bleibt
       wieder ein Kollateralschaden: Bei Google ist am Dienstagnachmittag das
       ungepixelte Foto des Mädchens noch leicht zu finden. Und es wird sich auch
       nicht mehr in Luft auflösen. Das beweisen all die anderen Fahndungsfotos
       von längst abgeschlossenen Fällen – es sind Dutzende im Netz zu finden.
       
       Es ist halt, als hätte man einen Steckbrief in jeden Briefkasten in
       Deutschland geworfen. Irgendeine oder irgendeiner wird den schon
       aufbewahren.
       
       Bestimmt war der Fahndungsweg sauber abgeschritten worden. Bestimmt war es
       das letzte Mittel, nachdem alle anderen Möglichkeiten, über Hinweise in den
       Videos (Liegt da irgendwas im Hintergrund?) an den Täter zu gelangen,
       gescheitert waren. Die Polizei musste herausfinden, wer das Kind ist. Es
       bestand wohl noch größte Gefahr. Die ist nun gebannt. Zumindest für dieses
       eine Kind.
       
       Doch es bleibt ein Foto.
       
       In einer Generation vor mir gab es in meiner Familie auch mal einen
       Missbrauchsfall. Es ist eine Lebensaufgabe, damit klarzukommen. Diese
       Aufgabe wird bestimmt nicht leichter – wenn da draußen ein Bild von dir zu
       finden ist, aus einem Video, in dem du missbraucht wurdest.
       
       10 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Polizei
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 (DIR) Sicherheitsmaßnahmen
       
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