# taz.de -- Arbeitskampf beim „Obermain Tagblatt“: Fränkischer Aufstand
       
       > Das „Obermain Tagblatt“ kämpft seit einem Jahr für mehr Lohn und einen
       > Haustarif. Keine andere Redaktion der Branche zeigt so viel Ausdauer.
       
 (IMG) Bild: Er war nicht zu erreichen: Andreas Scherer, Geschäftsführer der Mediengruppe Pressedruck
       
       „Das ist ja echt eine Sauerei! Lasst euch bloß nicht unterkriegen!“,
       schreibt Volker Backert auf Facebook. Der Mann wohnt nicht nur am Obermain,
       er ist Standesbeamter in Coburg sowie Verfasser mehrerer Franken-Krimis.
       Und Backert unterstützt wie viele Menschen auch die streikenden
       Journalisten vom Obermain Tagblatt in Lichtenfels. Dort, im hintersten
       Zipfel Oberfrankens, findet seit nun einem Jahr ein Arbeitskampf statt, wie
       die Medienbranche derzeit keinen anderen erlebt. Schillernd und kreativ,
       zugleich sehr hart und zunehmend bitter.
       
       Vorläufiger Höhepunkt: Die Protestfahrt der als „Gallier“ verkleideten
       Truppe sowie etlicher Unterstützer nach Augsburg zum Mutterhaus, der
       „Mediengruppe Pressedruck“. Diese ist ein Mediengroßkonzern, der unter
       anderem die Augsburger Allgemeine, die Würzburger Main-Post und den
       Südkurier in Konstanz herausgibt.
       
       Seit mittlerweile zehn Jahren haben die 13 Redakteure und
       Verlagsangestellte, die im Arbeitskampf stehen, keine Lohnerhöhung
       erhalten. Auch streiten sie für einen Haustarifvertrag, den es bisher nicht
       gibt. „Man fühlt sich sehr missachtet“, sagt der Betriebsratsvorsitzende
       Till Mayer. Vom ersten Streik an Ende November 2016 nannten sie sich die
       „Wertschätzer“ und schlüpften in die Asterix-Figuren. Mit Helmen und
       Perücken, Schwertern und Nudelholz ausgestattet, zogen sie durch den
       Landkreis, um sich bei denen Unterstützung zu holen, für die sie Zeitung
       machen.
       
       Die Leser stehen hinter den „Wertschätzern“, zahlreiche Vereine, alle
       Bürgermeister im Landkreis Lichtenfels, Abgeordnete, die Parteien,
       Unternehmer, Künstler. „Von allen Seiten erfahren wir Wertschätzung“, sagt
       der Redakteur Frank Gorille, „nur von unserem Arbeitgeber nicht.“ Die
       Zeitung mit einer Auflage von 10.700 Exemplaren macht Gewinn, in diesem
       Jahr feiert sie ihr 160-jähriges Bestehen. 2012 war sie von der Main-Post
       gekauft worden, die wiederum 2011 von der „Mediengruppe Pressedruck“
       übernommen worden war.
       
       ## „Wir bewundern euren Mut und eure Kreativität“
       
       In Augsburg, 300 Kilometer von Lichtenfels entfernt, ziehen sie durch die
       Straße, informieren Passanten über ihr Anliegen. Auf der Kundgebung sagt
       Michael Anger vom Bayerischen Journalistenverbandes (BJV): „In diesen
       Zeiten der Mini-Jobs und der Aufstocker kämpft ihr stellvertretend auch für
       tausende Menschen, die sich redlich mühen und schamlos ausgebeutet werden.“
       Neben den Streikenden sind auch Vertreter vom DGB, der VdK-Geschäfsführer
       sowie die Lichtenfelser Bauchtänzerin Karin Landzettel mitgefahren. Vor Ort
       ist etwa der katholische Betriebsseelsorger Hans Gilg und sagt: „Wir
       bewundern euren Mut und eure Kreativität.“
       
       Sie hatten Listen mit knapp 3.000 Unterstützer-Unterschriften mitgebracht,
       um sie Andreas Scherer zu übergeben, dem Geschäftsführer der „Mediengruppe
       Pressedruck“. Aber weder dieser kam an die Türe des Betriebes noch ein
       anderer Vertreter der Geschäftsleitung. Die Gallier gaben die Listen
       schließlich beim Pförtner ab. Die Redakteurin und Betriebsratsvorsitzende
       Annette Körber sagt: „So etwas ist schon sehr enttäuschend.“
       
       Bisher gab es acht Streiks, die Mitarbeiter waren insgesamt 53 Tage im
       Ausstand. Zwei Redakteuren war vom Arbeitgeber über drei Monate hinweg ein
       [1][Schreibverbot] auferlegt worden. In den Tarifgesprächen war kaum
       Bewegung. Obermain-Tagblatt-Geschäftsführer Peter Tischler machte den
       Mitarbeitern zuerst in Einzelgesprächen ein Angebot für drei Jahre: im
       ersten eine Einmalzahlung von drei Prozent, in den beiden weiteren je zwei
       Prozent. Im Gegenzug sollten sie für diese Zeit auf weitere Arbeitskämpfe
       verzichten. Das wurde dann auch bei den Verhandlungen auf den Tisch gelegt.
       „Danach wären wir dann wieder im Jahr 2007 angelangt“, kritisiert der
       Redakteur Till Mayer.
       
       Zugleich gab es massive Drohungen mit Arbeitsplatzabbau. Jetzt haben die
       Beschäftigten über einen unbefristeten Erzwingungsstreik abgestimmt – mit
       100 Prozent Zustimmung. Beate Kühnast, stellvertretende Geschäftsführerin
       der Gewerkschaft BJV, sagt: „Wir werden sie weiter voll und ganz
       unterstützen.“
       
       6 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!5404040/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patrick Guyton
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lokaljournalismus
 (DIR) Arbeitskampf
 (DIR) Journalismus
 (DIR) Medien
 (DIR) Streik
 (DIR) Lokaljournalismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Redaktionen fahren in die Provinz: Wie wäre es mit Lokaljournalismus?
       
       Vor der Wahl starten einige Redaktionen Sonderprojekte. Sie wollen mit
       echten Menschen über echte Probleme reden. Wem bringt das was?
       
 (DIR) Arbeitskampf im Lokaljournalismus: Schreibverbot für Streikende
       
       Zwei Journalisten in Oberfranken beteiligten sich an Streiks. Nun dürfen
       sie für das „Obermain-Tagblatt“ keine politischen Themen mehr behandeln.
       
 (DIR) Initiative für Lokaljournalismus: Geflüchtete beim Kaninchenzüchter
       
       Das Projekt „Newscomer“ möchte Menschen mit Fluchtgeschichte in den
       Lokaljournalismus holen. Dafür gibt es nun ein Crowdfunding.