# taz.de -- Auftritt von US-Rockstar Billy Corgan: Nimmt ihn wie er ist
       
       > US-Rockstar Billy Corgan stellte sein kommende Woche erscheinendes
       > Soloalbum „Ogilala“ im Berliner SchwuZ am Sonntag bei einer
       > TV-Aufzeichnung vor.
       
 (IMG) Bild: Charakteristische Schädelform: Billy Corgan
       
       Ein Kameramann bittet am Sonntag kurz vor 19 Uhr einen über zwei Meter
       langen Herrn, sich zur Seite zu bewegen, weil der den Blick auf die Bühne
       des SchwuZ im Berliner Bezirk Neukölln verstelle. Dort steht der
       Aufnahmeleiter der für den TV-Sender Arte produzierten Sendung „Berlin
       live“, um ein paar Sätze ans Publikum zu richten. Erst in Deutsch und dann
       auf Englisch weist er die aus aller Welt angereisten Anwesenden darauf hin,
       das Rauchverbot zu beachten. Anschließend bittet er darum, wenn nötig etwas
       länger zu klatschen, als es ihre Stimmung hergibt. Denn das Live-Streaming
       beginne gleich, der Künstler aber benötige womöglich eine Weile, um den Weg
       vom Backstageraum hierher zu finden, und Arte bräuchte für seine Sendung
       auch bei noch leerer Bühne nun mal Atmosphäre.
       
       Die Geduld seiner Fans wird auf keine harte Probe gestellt, da William
       Patrick „Billy“ Corgan bald erscheint. In schwarzer Frackjacke, schwarzer
       Hose und schwarzen Schuhen sowie mit nach wie vor sorgfältig
       glattrasiertem Schädel nimmt er auf einem Stuhl Platz. Er hebt den Kopf
       zum Moment der Konzentration, schließt die Augen, schlägt eine akustische
       Gitarre an und singt dazu übersetzt Punchlines wie „Nimm mich, wie ich bin“
       oder „Ich bin nur die Liebe, die du mir gibst“.
       
       Den Effekt seiner sehnenden und gleichzeitig klagenden Stimme unterstützt
       er gestisch, indem er seinen Kopf zur Seite wirft und gleichzeitig entweder
       einen Mundwinkel oder eine Augenbraue hochzieht.
       
       In solchen dramatischen Momenten fühlen sich die Zuhörenden besonders stark
       an die Smashing Pumpkins erinnert, Corgans alte Band, die mit dem Album
       „Mellon Collie and the Infinite Sadness“ vor 22 Jahren Weltruhm erlangten.
       Damals trat Corgan als verzweifelter Rebell auf, der sich „trotz all meiner
       Wut immer noch wie eine Ratte in einem Käfig“ vorkam.
       
       ## Automatische Melancholie
       
       Im SchwuZ stellen sich Melancholie und Traurigkeit als Ressourcen heraus,
       die Corgan zu unendlichem Songschreiben und zur Präsentation seines neuen,
       von Rick Rubin produziertem Solo-Albums „Ogilala“ nutzen kann. Live
       gespielt beweist das Material Corgans Fähigkeit, aus dem Stand wehmütig zu
       werden. Sei es der Anblick einer halb leeren Kaffeetasse, der Dunst über
       einem Rübenfeld oder der Wasserschaden an einem Tagebuch – für die Lust, in
       Tränen auszubrechen, findet Corgan überall Anlässe.
       
       Bei diesem Solo-Künstler, Bandmusiker und mittlerweile auch Betreiber eines
       nicht so kleinen Unternehmens, das Wrestling-Kämpfe veranstaltet, lässt
       sich dabei nicht mehr klar unterscheiden, ob hier jemand Lebenskrisen oder
       Luxusprobleme thematisiert.
       
       Doch mögen sie die einen als Vergangenheit betrachten oder die anderen
       genießen, die ZuhörerInnen im SchwuZ bedanken sich mit Hingabe, während die
       Mitarbeiter von „Berlin live“ am Bühnenrand versunken auf ihre Smartphones
       schauen. Corgan lobt sie alle: „Ihr seid die ersten, die diese neuen Songs
       hören.“
       
       Und davon hat er jede Menge. Corgan treibt eine Produktivität, die sich
       mit, sagen wir, der der Ramones oder der von Dieter Bohlen messen lassen
       kann: Solange Lebenszeit zur Verfügung steht, sind immer noch Alben zu
       erwarten. Oder zu befürchten.
       
       Neu an Corgan ist, dass er nicht nur leidenschaftlich ernste und
       himmelhochjauchzend betrübte Songs schreibt, sondern sich, etwa in der
       Mitte des Abends, nach mehrmaligen Wechseln zwischen Gitarre und Flügel, zu
       einer unterhaltsamen Ansagen hinreißen lässt: „Ich spiele jetzt ein
       trauriges Lied, obwohl ich natürlich weiß, dass ich nicht gerade für
       traurige Leider bekannt bin.“ Da hat Corgan die Lacher auf seiner Seite.
       
       4 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristof Schreuf
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rock
 (DIR) Hotel
 (DIR) Rock
 (DIR) New York
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Ich meld mich: Der Traum des alten Rock'n'Rollers
       
       Bemerkenswert am Hotel Otrar in Almaty, Kasachstan, ist: In jedem Zimmer
       liegt eine Liste aus, die aufführt, was die Möbel und Gegenstände wert
       sind.
       
 (DIR) Comeback der Rockband Royal Trux: Die Neunziger haben nie aufgehört
       
       Das beste, das kaputteste Rockduo der Welt ist auferstanden: Royal Trux.
       Mit einem neuen Album und einem Deutschlandkonzert.
       
 (DIR) US-Musiker David Grubbs: Geistesblitze aus der Gitarre
       
       Der New Yorker David Grubbs ist Avantgardemusiker und Gitarrist. Die
       ungewohnte Paarung prägt sein neues Album „Prismrose“. Nun kommt er auf
       Tour.