# taz.de -- Bundespräsident lädt zur Debatte ein: Auf Handel folgen politische Allianzen
       
       > Zusammenstoß auf dem diskursiven Nebengleis: Bundespräsident Steinmeier
       > debattierte mit Intellektuellen über die „Krise des Westens“.
       
 (IMG) Bild: Zu Gast beim Bundespräsidenten: Parag Khanna (l.), Susan Neiman, Frank-Walter Steinmeier und Heinrich-August Winkler (r.)
       
       Berlin taz | Dienstagabend im Schloss Bellevue. Der Bundespräsident sitzt
       neben einer US-Philosophin, einem deutschen Historiker und einem in
       Singapur lebenden Politologen. Man diskutiert, welche Zukunft der Westen
       hat. In solchen Macht-und-Geist-Treffen haben Intellektuelle mitunter etwas
       Ornamentales. Hier nicht: Frank Walter Steinmeier gibt den Moderator. Das
       ist eine Geste der Zurückhaltung und eines lässigen republikanischen
       Selbstverständnisses.
       
       Den Ton gibt der Historiker Heinrich August Winkler vor, der die
       Erschütterung des Westens durch Trump und Orbán nachzeichnet. Der
       Rechtspopulismus gefährde die Errungenschaften von 1776 und 1789, nämlich
       Rechtsstaat, repräsentative Demokratie, Gewaltenteilung und Menschenrechte.
       Die westliche Wertegemeinschaft sei einsturzbedroht, so seine These. Das
       klingt einleuchtend. Doch diese runde Konzept hat eine Lücke. Europa und
       USA erscheinen als Krönung politischer Zivilisation, der Rest als
       defizitärer Nicht-Westen.
       
       Den Blick von außen auf den Westen soll, so Steinmeier, der Politologe
       Parag Khanna werfen, den sein Wohnsitz in Singapur für diese Rolle
       qualifiziert. Das erweist sich als Irrtum. Khanna, in Indien geboren, in
       USA aufgewachsen, ist ein Nachwuchsstar der globalen Politikwissenschaften.
       Er merkt an, dass Europa längst mehr Handel mit Asien treibe als mit den
       USA, und auf Handel würden gewöhnlich neue politische Allianzen folgen. Vor
       allem fordert Khanna, dass Demokratien mehr direkte Beteiligung wie in der
       Schweiz benötigen und an ihrer Effizienz gemessen werden müssen: eine Art
       liquid democracy plus Expertenherrschaft, zu Lasten des Repräsentativen.
       
       „Die Legitimität der Demokratie von Input auf Output zu verlagern“ hält
       Steinmeier für fatal. Winkler bescheinigt Khanna den Rückfall in den
       Absolutismus. Susan Neimann, an der die Debatte ziemlich vorbeiläuft, ist
       auch angemessen empört. Doch der Streit Effizienz versus Verfahren führt
       nur auf ein Nebengleis. Khanna wirft keinen Blick von außen auf den Westen.
       Was wenig verwundert: Er war mal Berater von Obama.
       
       Ungestellt bleibt die Frage, ob Trump, Orbán und die Entstehung einer
       vernetzten Weltgesellschaft Winklers Konzept von Westen und Nichtwesten
       verflüssigt. Dafür hätte man aber einen Kritiker des Westens wie Pankaj
       Mishra benötigt.
       
       Die Reihe wird fortgesetzt. Als Nächstes wird Steinmeier mit Salman Rushdie
       über Meinungsfreiheit reden. Diskursiv ist Luft nach oben.
       
       20 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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