# taz.de -- Diesel-Gipfel des Berliner Senats: Mit Tempo 30 gegen Stickstoffidioxid
       
       > Am heutigen Mittwoch will der Senat zusammen mit Verbänden und
       > Unternehmen Lösungen gegen die hohe Luftbelastung suchen.
       
 (IMG) Bild: Stinkt und ist ungesund: (Diesel-)Fahrzeuge im Stau
       
       Die Luftbelastung an Berliner Straßen durch Abgase aus Dieselmotoren ist
       noch höher als bisher bekannt: Laut Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine
       Günther (parteilos, für die Grünen) wird der Jahresgrenzwert von
       durchschnittlich 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft
       an 58 Kilometern innerstädtischer Straßen überschritten. Betroffen sind
       rund 50.000 direkte AnwohnerInnen.
       
       Noch 2016 hatte die Senatsverwaltung lediglich von 30 Straßenkilometern und
       26.400 Betroffenen gesprochen. Auf zwei Straßenkilometern überschreitet die
       NO2-Belastung sogar den Wert von 60 Mikrogramm/Kubikmeter. Bei einem
       Landes-„Dieselgipfel“ im Roten Rathaus will der Senat am heutigen Mittwoch
       zusammen mit Verbänden und Unternehmen Wege aus dem Stickoxid-Dilemma
       suchen.
       
       Für Berlin stellt sich wie für andere deutsche Großstädte die Frage, ob –
       und wann – Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in der Innenstadt unumgänglich
       werden. Aufgrund der konstant hohen Schadstoffbelastung drohen Klagen vor
       dem Europäischen Gerichtshof und vor deutschen Verwaltungsgerichten. Unter
       anderem die Deutsche Umwelthilfe hat bereits die Justiz wegen der
       Gefährdungslage für AnwohnerInnen angerufen.
       
       Eigentlich, so lautet das Credo des Senats, haben die Kommunen nicht die
       Instrumente, um der Problematik Herr zu werden. Dazu bräuchte es ein
       massives Einlenken der Fahrzeughersteller, aber auch die bundesweite
       Einführung einer „blauen Plakette“, mit der Fahrverbote differenziert
       umgesetzt werden könnten.
       
       „Ein Fahrverbot wollen wir vermeiden“, sagt Senatorin Günther. „Wir
       brauchen Lösungen, die die Gesundheit der Bevölkerung und den
       Verbraucherschutz gewährleisten.“ Berlin habe vor allem zwei Mittel in der
       Hand, um zu einer nennenswerten NO2-Reduzierung beizutragen: die Umrüstung
       der landeseigenen Fahrzeugflotten, vor allem der Busse der BVG, und die
       Einführung von zusätzlichen Tempo-30-Abschnitten auf problematischen
       Straßen, um den Verkehr zu verstetigen.
       
       „Bei den Bussen sind wir auf einem guten Weg, die Wirksamkeit von Tempo 30
       wird geprüft werden“, so die Senatorin. In den kommenden Tagen sollen die
       konkreten Abschnitte bekannt gegeben werden, wo mindestens für eine 4- bis
       6-monatige Testphase die verringerte Höchstgeschwindigkeit gelten soll.
       
       ## Busse umrüsten
       
       Bei den vielen Dieselstinkern in Landesbesitz – von BVG-Bussen und
       BSR-Müllwagen bis hin zu den Fahrzeugflotten der Senatsverwaltungen – will
       der Senat verstärkt Geld in die Hand nehmen, um eine Umrüstung auf bessere
       Schadstoffnormen herbeizuführen. Bislang erfüllen nur 260 von insgesamt
       1.400 BVG-Bussen die derzeit höchste Norm „Euro 6“. Laut Günther sollen bis
       Ende dieses Jahres alle Doppeldecker mindestens auf „Euro 5“ nachgerüstet
       sein, bis Ende 2018 auch alle übrigen Busse.
       
       Der Umstieg auf Elektroantriebe wird dagegen weiterhin nur langsam
       vorangehen. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die auch für die
       landeseigenen Betriebe zuständig ist, beklagt die Innovationsträgheit der
       deutschen Automobilindustrie: Die drohe, „den Anschluss zu verlieren“ und
       hinter der Konkurrenz etwa aus China zurückzubleiben, wo E-Mobilität schon
       zum Standard im Nahverkehr erhoben würde.
       
       Im Jahr 2018 wird die BVG laut Pop immerhin 45 E-Busse mit
       unterschiedlichen Batterie- und Ladesystemen bestellen – als Testlauf für
       die spätere Einführung der Technologie. Mit dem elektrischen Betrieb der
       Buslinie 204 hat die BVG offenbar keine allzu guten Erfahrungen gemacht.
       
       Der „Gipfel“ am Mittwoch im Roten Rathaus, zu dem Vertreter der
       landeseigenen Betriebe, aber auch der IHK, des Handwerks und der
       Taxi-Innung, von Verkehrs- und Umweltverbänden sowie Hochschulen eingeladen
       sind, läuft unter dem Titel „Sauber. Modern. Leistungsfähig – Zukunft der
       Berliner Mobilität“ und soll eine Auftaktveranstaltung für weitere
       Gesprächsrunden sein.
       
       Dabei dürfte es auch um Fördermittel etwa für Handwerker und kleine
       Dienstleister gehen, die einen Umstieg auf sauberere Technologie nicht aus
       eigener Kraft stemmen können. Eingeladen sind auch Repräsentanten von VW,
       Mercedes und Siemens, wohl in der Hoffnung, den Druck auf die Hersteller
       weiter zu erhöhen.
       
       Der BUND-Landesvorsitzende Tilman Heuser geht nach eigenen Worten
       „neugierig“ in die Gespräche. Man wolle mit Akteuren wie den
       Automobilkonzernen oder der IHK „offen und ehrlich sprechen und klären, wo
       die Konflikte liegen“. Er hoffe aber auch auf die Förderung innovativer und
       schadstoffarmer Verkehrslösungen – wie etwa elektrische Lastenfahrräder.
       
       20 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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