# taz.de -- Ärger bei der Energieversorgung: Gasmann kommt, Düse geht
       
       > Wesernetz muss wegen der Gasumstellung 170.000 Haushalte besuchen – und
       > manchmal die Therme stilllegen. Die Beratung ist ausbaufähig.
       
 (IMG) Bild: Wenn Du auf H-Gas umstellst und trotzdem baden willst.
       
       BREMEN taz | Und am Abend des 17. August war dann Gas abgestellt, ohne
       Vorwarnung, ohne alles. Verplombt, von einem Installateur, der
       unangekündigt vor der Tür gestanden hatte: „Es war nur meine Mama zu Hause
       gewesen“, erzählt Farah Groß*, „die wusste gar nicht, was sie tun sollte.“
       Zum Glück sei wenigstens sie auf der Arbeit erreichbar gewesen, denn der
       Installateur hatte belegen können, dass er im Auftrag der Wesernetz im
       Ellener Brok unterwegs war.
       
       Die Gasumstellung sei schon zwei Tage zuvor erfolgt, hatte er die ältere
       Dame überrumpelt, und ihre Düse sei falsch: „Es besteht jetzt Gefahr für
       Leib und Leben“. Also Plombe drauf. Und tschüss.
       
       Deutschland verabschiedet sich vom Low-Calorific Gas aus heimischer und
       niederländischer Förderung. Die Vorkommen sind erschöpft. Aus Norwegen, vor
       allem aber aus Russland wird methanhaltigeres und brennwertstärkeres H-Gas
       importiert: Die Umstellung darauf schreibt das Energiewirtschaftsgesetz
       vor. Sie ist ein großes, aber öffentlich bislang kaum diskutiertes
       Infrastrukturprojekt.
       
       Das ändert sich gerade, weil es jetzt die VerbraucherInnen erreicht. Und
       Bremen ist die erste Großstadt, die es erwischt. Seit 2013 tüftelt deshalb
       die SWB-Tochter Wesernetz als Betreiberin der hiesigen Versorgungsleitungen
       an der Umsetzung. Mittlerweile sei man seit etwas über einem Jahr „in der
       ‚heißen Phase‘“, teilt Unternehmenssprecher Christoph Brinkmann mit.
       
       Will sagen: Man tritt in Kontakt mit den Kunden, erfasst Geräte, und hat
       die ersten Versorgungsknoten geöffnet. Allerdings: Nicht nur für Familie
       Groß war das Zwischenergebnis der heißen Phase ein kühler Boiler. „Im Falle
       einer Gefahr ist Wesernetz verpflichtet, den Gasanschluss zu sperren“, so
       Brinkmann.
       
       Seit Juni 2017 habe man daher 22 Zähler sperren müssen, 252
       Gasverbrauchsgeräte vorübergehend außer Betrieb gesetzt und sechsmal sogar
       die Leitung gekappt. Aktuell verzeichne man 16 temporäre
       Außerbetriebnahmen. Von den bisher erfassten 56.000 Geräten hätten sich
       1.073 als nicht anpassbar erwiesen – „etwa 1,7 Prozent“.
       
       Diejenigen trifft es allerdings meist unvorbereitet – und hart: Auf „im
       Durchschnitt vier bis fünf Tage“ beziffert Brinkmann die Dauer selbst nur
       der vorläufigen Außerbetriebnahmen. Es habe jedoch auch „manchmal mehrere
       Wochen gedauert“, räumt er ein. Man habe allerdings mitunter eine
       elektrische mobile Ersatzversorgung bereitgestellt und manchmal sogar Leute
       im Hotel untergebracht.
       
       „Zum Glück haben wir gerade Sommer“, sagt Inse Ewen, die bei der
       Verbraucherzentrale (VZ) das Thema bearbeitet. „Ich mag gar nicht daran
       denken, was im Winter passiert.“ Die Abstellungen würden „wahnsinnig viel
       Ärger“ provozieren.
       
       Auch weil Wesernetz zwar einen Ablaufplan konzipieren – aber nicht
       kontrollieren kann, wie eng sich die Vertragsinstallateure dran halten.
       Und: Weil für die Konflikte keine Anlaufstelle vorhanden ist: „Das
       Schlimmste war: Es gab einfach niemanden, der zuständig war“, sagt Farah
       Groß. Bei der Hotline, die auf dem ersten Wesernetz-Anschreiben gestanden
       hatte, „konnte man mit meiner Beschwerde gar nichts anfangen“.
       
       Denn im Callcenter war man nur damit beauftragt, Termine für die Umstellung
       abzusprechen – nicht aber solche für die erneute Inbetriebnahme. „Der
       Mitarbeiter tat mir richtig leid“, sagt sie. Sie sei „ziemlich geladen“
       gewesen – und der habe „total freundlich“ immer nur sein Sprüchlein
       wiederholt, „ob ich einen Wunschtermin hätte“.
       
       Sie hätte vor allem gerne eine kompetente Auskunft gehabt, „was los war“
       und wie sie wieder an Warmwasser komme. Aber damit war man dort überfragt.
       Erst nachdem sie im Unternehmen direkt anruft und sich nicht abwimmeln und
       auf die Hotline verweisen lässt, wird ihr Fall bearbeitet. Eineinhalb Tage
       Telefondienst muss sie investieren, damit eine Woche später tatsächlich
       jemand kommt, der die neue Düse einbaut – und das Siegel hebt. „Ich war
       froh, dass ich am Freitag frei hatte.“
       
       Wieso das so lange dauert, nachdem die Geräte ein Vierteljahr zuvor erfasst
       wurden – das bleibt schwer nachvollziehbar. „Ich denke, dass es vermeidbar
       gewesen wäre“, sagt Ewen von der VZ. Wobei die Ursache eher bei den
       Herstellern zu liegen scheint: „Wesernetz hat sich sehr frühzeitig um die
       Beschaffung gekümmert“, lobt Ewen den Netzbetreiber, mit dem man „im engen
       Kontakt“ stehe. „Die haben daran auch gelernt.“ Allerdings: Mittlerweile
       „sollte es eigentlich eine eigene Beschwerde-Hotline geben“.
       
       Bloß nennt Wesernetz die Nummer nicht und auch online ist diese
       unauffindbar: Angeblich soll sie auf einem Schreiben stehen, das die
       betreffenden Haushalte vorab erhalten sollen, samt Aufforderung, einen
       Termin zu vereinbaren. Familie Groß allerdings hat das nicht erreicht: „Wir
       haben darauf ja sogar wochenlang gewartet“, sagt sie, „aber es kam nichts“,
       weder ein Brief noch ein eingeworfener Zettel à la Schornsteinfeger,
       geschweige denn ein Einschreiben.
       
       Dass sie den Brief nicht für Werbung gehalten und ungeöffnet weggeschmissen
       hat, kann sie ausschließen. Dabei hat Wesernetz, etwas naiv, auf die
       Umschläge etwas von „wichtigen Informationen“ drucken lassen – was fast
       schon ein Gattungsmerkmal von Werbebriefen ist.
       
       Das Umstellungsprojekt läuft in Bremen noch bis 2021. Vorgesehen sind
       450.000 Besuche in 170.000 Haushalten. Absolviert ist davon rund ein
       Siebtel, als Nächstes ist Bremen Mitte dran. Es gebe „ein hohes
       Lernpotenzial auf breiter Front“, sagt Brinkmann, schließlich habe man
       „sämtliche Strukturen dafür“ schaffen müssen, man sei aber zuversichtlich,
       den Rest „mit weniger Störeinflüssen“ abzuarbeiten. Auch wenn das „kein
       Trost“ sei „für die, die das eine oder andere Geruckel mitbekommen“.
       
       *Name geändert
       
       5 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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