# taz.de -- Prozess gegen NSU-Helfer: „Absolute Vertrauensperson“ des Trios
       
       > Für den Mitangeklagten Ralf Wohlleben zeichnet sich eine lange Haftstrafe
       > ab. Ihm wird Beihilfe zu neunfachem Mord vorgeworfen.
       
 (IMG) Bild: Wohlleben mit seiner Anwältin am 1. August
       
       MÜNCHEN taz | | Fünf Tage lang hat die Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess
       bereits ihr Plädoyer abgehalten – und ist noch nicht am Ende. Nun aber ist
       erst mal Sommerpause in dem Mammutverfahren, bis Ende August. Vorher noch
       teilten die Ankläger kräftig gegen den Mitangeklagten Ralf Wohlleben aus.
       
       Mit verschränkten Armen hatte sich am Dienstagmorgen ein halbes Dutzend
       Neonazis auf der Zuhörertribüne niedergelassen. Von unten lächelte ihnen
       einer der Angeklagten entgegen: Ralf Wohlleben. Der hatte auch direkt neben
       sich Unterstützung, seine Frau Jacqueline. Auch sie war extra angereist,
       hielt nun fest die Hand des 42-Jährigen.
       
       Mehr Erbauliches brachte der Dienstag für Wohlleben indes nicht. Denn im
       NSU-Prozess setzte die Bundesanwaltschaft an diesem Tag ihr Plädoyer fort –
       und fiel über den Thüringer und früheren NPD-Mann ein vernichtendes Urteil.
       Das „Mastermind“ der NSU-Helfer sei er gewesen. Und der „Spiritus Rector“,
       als es darum ging, für die Terroristen die Mordwaffe, eine Ceska, zu
       besorgen.
       
       Beihilfe zu neunfachem Mord – den NSU-Erschießungen von neun Migranten –
       wirft die Anklage Wohlleben vor. Und Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten
       sieht diese voll bestätigt, wie er über Stunden untermauerte.
       
       Schon gleich nach dem Abtauchen von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe
       Böhnhardt aus Jena im Januar 1998 habe Wohlleben, der zuvor mit dem Trio
       die Kameradschaft Jena anführte, Unterstützer zusammengeschart. Ihm habe
       die „zentrale Steuerung“ oblegen, so Weingarten. Er ließ sich Aufträge der
       Abgetauchten übermitteln, er schickte Boten mit Waffen oder Spendengeldern
       zum Trio, er meinte immer wieder zu Konspiration. „Skrupellos“ habe er
       Bekannte für Botengänge ausgenutzt und „alle Fäden zusammengehalten“.
       
       ## „Absolute Vertrauensperson“
       
       Für das Trio sei Wohlleben die „absolute Vertrauensperson“ gewesen, sagt
       Weingarten. Auch deshalb bekam er persönlich von den Untergetauchten 10.000
       Mark zur Verwahrung. Damit habe Wohlleben schließlich die 2.500 Mark für
       die Ceska bezahlt, die das Trio geordert hatte. Auch diesen Deal habe er
       „ganz allein“ eingefädelt.
       
       Wohlleben hatte genau das bestritten. Bis Dezember 2015 schwieg er im
       Prozess. Dann behauptete er, nicht er, sondern der Mitangeklagte Carsten S.
       sei der Waffenbeschaffer gewesen. Zwar habe ihn Böhnhardt tatsächlich mal
       nach einer Waffe gefragt: einer Pistole deutschen Fabrikats. Er habe dies
       aber abgelehnt. Schon weil Böhnhardt die Waffe für einen Suizid habe
       verwenden wollen, sollte er von der Polizei geschnappt werden.
       
       Weingarten fand dazu klare Worte: „Das ist alles Unsinn.“ Warum solle
       Böhnhardt ausgerechnet eine deutsche Waffe für einen Selbstmord gewollt
       haben? Wo dieser doch auch sonst „flexibel“ gewesen sei und etwa ein Auto
       ausländischen Fabrikats fuhr? Und wozu brauchte es für einen Suizid eine
       Waffe mit 50 Schuss und Schalldämpfer?
       
       „Das stimmt von vorne bis hinten nicht“, wurde Weingarten deutlich.
       Wohlleben habe vielmehr den fanatischen Rassismus des Trios gekannt und
       schon aus Kameradschaftszeiten deren Pläne, „mehr zu machen“. Er musste
       also einkalkuliert haben, wofür es die Waffe brauchte: zum Morden. Und er
       habe auch nichts dagegen gehabt. Weil er selbst rechtsextrem dachte.
       
       ## Die Szene hält zu ihm
       
       Wohlleben verfolgte die Worte immer wieder kopfschüttelnd und tuschelnd mit
       seiner Frau. Seine Unterstützer auf der Empore dagegen blieben wie
       versteinert. Die Szene hält bis heute zu Wohlleben, der im Prozess
       bekräftigte, seinen „Idealen“ treu geblieben zu sein.Als sich zuletzt 6.000
       Neonazis zu einem Konzert im Thüringer Themar trafen, tauchten auch dort
       die „Freiheit für Wolle“-Shirts auf. Vor Ort war auch: der ebenfalls als
       NSU-Helfer angeklagte André E. Der plauderte nun in den Prozesspausen mit
       Wohllebens Frau. Das Netzwerk hält.
       
       André E., genauso wie dem Mitangeklagten Holger G., wird sich die
       Bundesanwaltschaft nun erst nach der Prozesssommerpause widmen. Beiden wird
       vorgeworfen, dem Trio Papiere überlassen und Wohnmobile angemietet zu
       haben. Danach wird die Bundesanwaltschaft auch ihr gefordertes Strafmaß für
       alle Angeklagten verkünden. Es dürfte erneut ein bitterer Tag für Ralf
       Wohlleben werden.
       
       2 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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