# taz.de -- 50. Todestag von Radprofi Tom Simpson: Der Berg und der Tod
       
       > Vor 50 Jahren starb der Brite Tom Simpson beim Aufstieg am Mont Ventoux.
       > Er war das erste Dopingopfer der Tour de France.
       
 (IMG) Bild: Der letzte Aufstieg seines Lebens: Tom Simpson radelt, einen tödlichen Cocktail im Blut, hinauf zum Mont Ventoux
       
       Chris Froome führt die Tour de France an. Den britischen Radsport und die
       Tour de France verknüpfte weit vor ihm ein anderer Mann von der Insel: Tom
       Simpson. Der Straßenradweltmeister von 1965 starb vor 50 Jahren bei dem
       Versuch, den Mont Ventoux schnell hochzufahren.
       
       Simpson wollte die Tour gewinnen. Der Brite steckte sich gern große Ziele.
       Er ging aufs Festland, um Rennfahrer zu werden, fast ohne Geld, ohne Wissen
       über den kontinentalen Radsport. Aber er biss sich durch, wurde Weltmeister
       und ein guter Klassikerfahrer. Schon damals aber war die Tour das Größte.
       In alten TV-Aufzeichnungen ist zu sehen, wie er seine Ambitionen ankündigt.
       Gekleidet ist er wie ein englischer Gentleman mit Hut, Anzug, Einstecktuch,
       selbst der Schirm fehlt nicht. Simpson machte auf Sir.
       
       Bei einem echten Sir, bei Sir David Brailsford, glänzen noch heute die
       Augen, wenn man ihn auf Simpson anspricht. „Meine ganze Generation wurde
       von ihm geprägt. Von seiner Britishness im Auftreten, seinem Fahrstil,
       seinen Erfolgen“, sagt der jetzige Chef des Rennstalls Sky der taz.
       
       Brailsford ging später einen ähnlichen Weg wie Simpson. Auch ihn zog es
       nach Europa, er suchte sich, unbedarft, wie er damals war, ein Tour-Team
       nach der Farbe und dem Schnitt des Trikots aus. Er fragte nach einem
       Vertrag – und wurde ausgelacht. Dass er sich das überhaupt traute, einfach
       nach Europa zu gehen, hatte auch mit der Fährte zu tun, die Tom Simpson
       gelegt hatte.
       
       In der Spur von Simpson befand sich auch Bradley Wiggins. Bei der Tour 2009
       trug er ein Bild von Simpson bei sich, als es über den Mont Ventoux ging.
       Als Dank an Wiggins machte sich später Joanne Simpson, Tochter von Tom, mit
       einem Bild von Wiggins per Rad zum Gipfel des kahlen Riesen in der Provence
       auf. Der Berg und der Tod, das sind Referenzpunkte im britischen Radsport.
       
       ## Pyrenäen statt Mont Ventoux
       
       Zum 50. Todestag lässt die Tour den Mont Ventoux aus. Exakt am Todestag
       stehen jetzt die Pyrenäen auf dem Programm. „Wir können ja nicht jedes Jahr
       zum Ventoux kommen. Es ist gut, dass es Abwechslungen gibt“, sagt Marc
       Sergeant. Der Chef des belgischen Rennstalls Lotto hat ebenfalls eine
       besondere Beziehung zum Berg. Im letzten Jahr gewann dort sein Fahrer
       Thomas De Gendt. Als De Gendt erfuhr, dass das Monument, das an Tom Simpson
       erinnert, arg ramponiert wirkte, kehrte er zum Berg zurück und ließ neue
       Natursteinstufen hinauf zur Stele verlegen. Das war eine feine Geste.
       
       Die Organisatoren der Tour waren da einst nicht so generös. Man hätte
       gehofft, auch dieser Teil ihrer Geschichte würde ihnen wichtig sein. Aber
       wie das Archiv des französischen Fernsehens zeigt, war den damaligen hohen
       Herren der Tour wichtiger, dass das Rennen nach dem Tod von Simpson am
       Aufstieg des Mont Ventoux weitergeht. Tourchef Jacques Goddet sagte das am
       Tag nach der Todesnachricht auch schnörkellos im Fernsehen. Er blätterte
       dabei in einer Zeitung, die vom Tod von neun Bergsteigern und mehreren
       Toten im Straßenverkehr berichtete. „Man sieht, es gibt nicht nur Tote im
       Radsport“, sagte er.
       
       Das wirkte zynisch. Relativierungen wirken eh schnell wie
       Bagatellisierungen. Dass Doping – Simpson konsumierte Aufputschmittel und
       auch Alkohol – eine Rolle am vorzeitigen Tod des Gentleman-Radlers gespielt
       haben könnte, wurde damals gern negiert. Noch heute kommen allergische
       Reaktionen. „Ach was, Doping, das war damals gar nicht so schlimm“, wehrt
       Raymond Poulidor ab, der bei der Tour acht Mal auf dem Podium gelandet ist.
       
       „Poupou“, wie ihn die Franzosen liebevoll nennen, ist trotz seiner 81 Jahre
       noch immer im Tour-Village und unterschreibt Tag für Tag tapfer
       Autogrammkarten im gelben Pavillon des Hauptsponsors der Tour. Er war an
       jenem 13. Juli 1967 in der Spitzengruppe, der Simpson verzweifelt zu folgen
       versuchte. „Wir Fahrer wussten damals nur, dass er einen Unfall hatte. Als
       wir dann von seinem Tod erfahren haben, haben wir alle geheult“, erzählt
       Poulidor.
       
       Der „ewige Zweite“ der Tour möchte Simpson als den in Erinnerung behalten,
       als den er ihn kannte, „als Gentleman, als lustigen und verrückten Kerl,
       als den Peter Sagan unserer Zeit“. Als Dopingopfer will er ihn nicht
       sehen.
       
       ## „Lass die Finger von den Drogen, das ist die Lektion“
       
       Jüngere Rennfahrer ziehen da schon andere Schlüsse. „Was uns sein Tod
       lehrt, das ist doch, dass alle Sachen, die nicht natürlich sind, gefährlich
       für Leib und Leben sein können. Lass die Finger von den Drogen, das ist die
       Lektion“, sagt klipp und klar Roy Curvers, niederländischer Profi des
       deutschen Sunweb-Rennstalls.
       
       Obwohl sich die Tour an diesem Tag weit weg vom Mont Ventoux über
       Frankreichs Straßen bewegt, ist die Geschichte des Tom Simpson in den
       Köpfen präsent, als eine tragische und als eine britische Geschichte dieser
       Rundfahrt.
       
       13 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Doping
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel
 (DIR) Radsport
 (DIR) Fahrrad
 (DIR) Christopher Froome
 (DIR) Vuelta
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Triathlon
 (DIR) Radrennen
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Tour de France
 (DIR) Tour de France
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Doping im Radsport: Grenzwertiges Erfolgsmodell
       
       Der britische Radsportverband darf bei Dopingverdacht selbst ermitteln –
       wie praktisch. Der Welt-Anti-Doping-Agentur gefällt das gar nicht.
       
 (DIR) Doping im Radsport: Absinthbrauer und Blutmanipulateure
       
       Der Serienmarathon rund um die Dopingkultur im Radsport will nicht enden.
       Jetzt hat Ex-Profi Stefan Denifl Blutdoping gestanden.
       
 (DIR) Tour-de-France-Historie: Rad der Geschichte
       
       In Saint-Étienne siedelten sich einst Hersteller an, die die
       Fahrradproduktion voranbrachten. Ein Brite trug zu dieser Entwicklung bei.
       
 (DIR) Radball-Training in Niedersachsen: Kick it like Armstrong
       
       Fast wie Fußball, nur eben auf dem Fahrrad: Beim Verein Stahlrad Laatzen
       spielen Erwachsene und Jugendliche Radball. Ein Trainingsbesuch.
       
 (DIR) Positiver Dopingtest bei Chris Froome: Mächtige Marginalien
       
       Chris Froome, mehrmaliger Gewinner der Frankreich-Rundfahrt, wird mit einem
       erhöhten Salbutamol-Wert erwischt. Regelverstoß oder Versehen?
       
 (DIR) Karrierende für Radprofi Contador: Die letzte Runde
       
       Der Spanier Alberto Contador verabschiedet sich bei der Vuelta a España. Er
       wird künftig einen U23-Rennstall betreuen.
       
 (DIR) Tour de France: Chris Froome gewinnt zum vierten Mal
       
       Nach 3.450 Kilometern von Düsseldorf nach Paris hat sich der Brite Chris
       Froome zum vierten Mal in seiner Karriere als Sieger der Tour de France
       gekrönt.
       
 (DIR) Tour de France: Rudern auf Rädern
       
       Warum sinkt die Popularität der Tour de France? Die erhitzten Debatten
       fehlen, die aus einem Sport erst ein gesellschaftliches Ereignis machen.
       
 (DIR) Kolumne Press-Schlag: Man muss auch gönnen können
       
       Das Team Sky liegt bei der Frankreichrundfahrt vorn und hinten liegt es
       auch vorn. Das geht so nicht. Eine Zurechtweisung.
       
 (DIR) Selbstversuch beim Triathlon: Bekloppt oder bescheuert?
       
       Schwimmen, Radeln und Laufen: Statt Geburtstag zu feiern, ging
       Taz-Redakteur Stefan Alberti beim Langtriathlon an seine Grenzen.
       
 (DIR) Radrennen der Amateure: Anspruchsvolle Hügel
       
       Vielleicht ließe sich die Landschaft zwischen dem Lago di Varese und dem
       Lago Maggiore anders besser genießen – als ausgerechnet auf dem Rad.
       
 (DIR) Zuschauer bei der Tour de France: Tour de Fans
       
       Nirgendwo sonst kommen Anhänger ihren Idolen so nahe wie bei der
       Frankreich-Rundfahrt. Ein Trip auf den Gipfel des legendären Mont Ventoux.
       
 (DIR) Doping bei der Tour de France: Hormone und Diäten für Grenzgänger
       
       Bei der Tour wird mächtig experimentiert. Es geht um mehr Kraft, weniger
       Gewicht und bessere Aerodynamik – am Rande und jenseits des Erlaubten.
       
 (DIR) Skandal bei der Tour de France: Den Ellenbogen ausfahren
       
       Weltmeister Peter Sagan wird wegen seiner Rücksichtslosigkeit von der Tour
       ausgeschlossen. Viele Radprofis halten das für zu hart.
       
 (DIR) Emanuel Buchmann bei Tour de France: Der Kletterer aus der Schreinerei
       
       Vor allem am Berg liegen seine Stärken: Emanuel Buchmann könnte in diesem
       Jahr bei der Tour de France den Durchbruch schaffen.
       
 (DIR) Doping bei der Tour de France: Betrug mit Tradition
       
       Schon vor 100 Jahren gehörten Aufputschmittel zu Frankreichs großem
       Radrennen. Kein Skandal konnte die Tour ernsthaft schädigen. Warum?