# taz.de -- Pläne für Südkoreas Atomenergie: In 40 Jahren ist Schluss
       
       > Atomausstieg schrittweise – so soll Südkoreas Energiewende gelingen. Für
       > erneuerbare Energien hat das Land gute Voraussetzungen.
       
 (IMG) Bild: Fukushima hat Südkoreas Haltung gegenüber der Atomkraft verändert
       
       Seoul taz | Der Grundstein für die südkoreanische Energiewende wurde weder
       von der Politik noch von NGOs herbeigeführt – es war ein Sieg des Volkes:
       Nach jahrelangen Protesten wurde in der Nacht auf Montag in der südlichen
       Küstenstadt Busan der älteste Atomreaktor des Landes stillgelegt.
       
       Nur wenige Stunden später beging Präsident Moon Jae In die
       Schließungszeremonie des Kori-1-Reaktors mit einem energiepolitischen
       Paukenschlag: Der weltweit fünftgrößte Produzent von Atomenergie soll nun
       „nuklearfrei“ werden. „Bislang hat sich unsere Energiepolitik vor allem auf
       günstige Preise und Effizienz fokussiert, während die öffentliche
       Sicherheit zweitrangig war“, sagte Moon Jae In, „dies muss sich nun
       ändern.“
       
       Es ist ein sanfter Ausstieg, den der linke Politiker propagiert: Die
       Laufzeit alternder Reaktoren soll nicht weiter verlängert, der Bau
       zusätzlicher Kernkraftwerke soll gestoppt werden. Innerhalb der nächsten 40
       Jahre soll Südkorea komplett ohne Atomenergie auskommen. Zudem versprach
       Moon, mindestens zehn alte Kohlekraftwerke während seiner fünfjährigen
       Legislaturperiode zu schließen und keine neuen mehr zu errichten.
       
       Dies sind kühne Pläne für ein Land, deren 25 Atomreaktoren 30 Prozent des
       heimischen Strombedarfs decken und das weitere 40 Prozent aus Kohle
       bezieht. „In Südkorea wurde die Atomkraft seit gut 40 Jahren von der
       Regierung unterstützt, vor allem weil wir über keine natürlichen Ressourcen
       verfügen“, sagt Daum Jang, der bei Greenpeace Korea für Energiepolitik
       zuständig ist. Während des rasanten Wirtschaftswunders, als die Nachfrage
       nach effizienter, günstiger Energie immens war, habe das Paradigma durchaus
       Sinn ergeben. „Mittlerweile gibt es jedoch eine Art Nuklearkartell, das
       sowohl Regierungsbeamte, Medien als auch eine oligopole Atomindustrie
       umfasst“, sagt Jang.
       
       ## „Natürlich ist das deutsche Beispiel nicht perfekt“
       
       Vor allem ärgere ihn, dass die konservativen, industrienahen Tageszeitungen
       die deutsche Energiewende als Negativbeispiel missbrauchen: In einseitigen
       Artikeln würden sie die Kosten der deutschen Klimapolitik beleuchten, nicht
       jedoch deren Nutzen. „Natürlich ist das deutsche Beispiel nicht perfekt,
       doch oft wird einfach faktisch falsch berichtet“, sagt Jang.
       
       Dabei hat Südkorea gute Voraussetzungen für erneuerbare Energien: Die
       Küsten der Halbinsel sind überaus windig, und auch während der Wintermonate
       scheint die Sonne. Auch technisch wäre das IT-Mekka in der Lage, ein
       effizientes Speichersystem zu installieren. Dennoch beträgt der Anteil an
       erneuerbaren Energien derzeit gerade einmal magere 6,6 Prozent. Bis 2030
       soll dieser auf 20 Prozent gesteigert werden. Allein dieses Jahr werden
       umgerechnet knapp elf Milliarden Euro in alternative Energiequellen
       investiert, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen zu können.
       Südkorea möchte seinen Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um 37 Prozent
       verringern.
       
       Die Kernschmelze im kaum 1.000 Kilometer entfernten Fukushima stellte für
       die südkoreanische Zivilgesellschaft einen Wendepunkt dar. Zumal der
       Südosten des Landes im letzten Jahr vom stärksten Erdbeben heimgesucht
       wurde seit der ersten wissenschaftlichen Messung 1978. Vier Atommeiler
       befanden sich nur wenige Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt.
       
       Allein der nun stillgelegte Kori-1-Reaktor veranschaulicht, wie verheerend
       ein Super-GAU im dicht besiedelten Südkorea sein könnte: In einem
       30-Kilometer-Radius befinden sich nicht nur der größte Hafen des Landes und
       die größte Automobilfabrik, sondern dort leben auch 3,8 Millionen Menschen.
       
       20 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Kretschmer
       
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