# taz.de -- Bouffier vor dem NSU-Ausschuss: Der Mann mit der gewissen Resistenz
       
       > Es lief viel schief, als Volker Bouffier, Hessens heutiger
       > Ministerpräsident, Innenmminister war. Am Montag musste er vor dem
       > NSU-Ausschuss aussagen.
       
 (IMG) Bild: Volker Bouffiers Erinnerungen an den Umgang mit V-Männern in Sachen NSU ist löchrig
       
       Wiesbaden taz | Sie fragen und fragen und jetzt ist er endlich da: der
       Ministerpräsident. Der frühere Innenminister. Derjenige, der vielleicht
       sagen kann, warum die Öffentlichkeit so lange nichts erfuhr von [1][jenem
       Verfassungsschützer], der beim Kassler NSU-Mord an Halit Yozgat zugegen
       war: [2][Volker Bouffier].
       
       In mehr als fünfzig Sitzungen hat der NSU-Untersuchungsausschuss des
       Hessischen Landtags bislang versucht, das Versagen der Ermittlungsbehörden
       und die zweifelhafte Rolle des ehemaligen hessischen Verfassungsschützers
       Andreas Temme beim Mord an Halit Yozgat aufzuklären. Temme war unmittelbar
       vor oder während des Mordes im April 2006, der inzwischen dem NSU
       zugeschrieben wird, am Tatort. Er galt vorübergehend als Tatverdächtiger.
       
       An diesem Montag ist Temmes damaliger Dienstherr, der Ex-Innenminister und
       heutige Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, als Zeuge geladen. Bouffier
       hatte seinerzeit persönlich entschieden, die Landtagsabgeordneten über den
       schlimmen Verdacht gegen den Verfassungsschützer nicht zu informieren. Er
       hatte ebenfalls persönlich das Ansinnen von Staatsanwaltschaft und Polizei
       abgelehnt, die von Temme geführten V-Leute direkt zu vernehmen. Deshalb
       steht er seit Langem in der Kritik. Am Montag soll er sich vor dem
       Ausschuss erklären. Der Medienansturm ist entsprechend. Bouffier dämpft die
       Erwartungen sofort.
       
       Elf Jahre nach den Ermittlungen, fünf Jahre nach seiner ersten
       siebenstündigen Zeugenvernehmung vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des
       Bundestags werde er kaum Neues zur Sache beitragen können, sagt Bouffier
       vor der Tür in Kameras und Mikrofone. Im Sitzungssaal geht er in die
       Offensive: „Die Behauptung, ich hätte die Ermittlungen von Polizei und
       Staatsanwaltschaft behindert, ist Unsinn.“
       
       ## Leider, leider vom NSU nichts geahnt
       
       Er habe seinerzeit die von Temme geführten V-Leute in der salafistischen
       Szene nicht durch eine Befragung durch Polizei und Staatsanwaltschaft
       verlieren wollen. „Die Staatsanwaltschaft selbst hat damals gesagt, sie
       erwartet davon nichts Großes“, sagt Bouffier. Vor diesem Hintergrund sei
       ihm die Verhinderung von Anschlägen wichtiger gewesen.
       
       Allerdings: Polizei und Staatsanwaltschaft sahen das damals anders. Über
       die Frage, ob die Polizei entsprechende Vernehmungen durchführen dürfe, gab
       es einen erbitterten Streit, dokumentiert durch zahlreiche interne
       Schreiben und Vermerke, die der taz vorliegen. Und: V-Mann-Führer Temme
       hatte nicht nur Zuträger in der salafistischen, sondern auch in der
       rechtsextremen Szene in Nordhessen. Hätten die Ermittler durch die
       Vernehmung dieser V-Leute dem rechtsterroristischen NSU auf die Spur kommen
       können?
       
       „Wenn ich damals auch nur geahnt hätte, dass es auch um Quellen aus der
       rechtsextremistischen Szene gegangen wäre, hätte ich gesagt: ‚Die kann man
       selbstverständlich vernehmen‘“, versichert Bouffier. Doch damals habe
       bedauerlicherweise niemand den NSU auf dem Schirm gehabt.
       
       Auch einen anderen Vorwurf geht Bouffier am Montag offensiv an. Die
       Landtagsabgeordneten hatten vier Monate nach dem Mord aus der Zeitung vom
       Verdacht gegen Temme erfahren. Im Innenausschuss des Landtags bewertete
       Bouffier dies damals als „bedauerlich“, zumal, wenn es auch der Minister
       erst aus der Zeitung erfahre, so das Sitzungsprotokoll vom Juli 2006.
       Tatsächlich war Bouffier jedoch gleich nach der Tat informiert worden.
       
       ## Bouffier überstand schon zwei U-Ausschüsse
       
       Wie ist also die Behauptung zu verstehen, er habe erst durch die Zeitung
       etwas erfahren? Bei der Zeitungslektüre sei er nicht vom Verdacht gegen
       Temme, sondern von Details der Tat überrascht gewesen, so Bouffier am
       Montag vor dem Ausschuss. SPD und Linke lesen das Protokoll anders:
       Bouffier habe die Sache verheimlichen wollen und den Innenausschuss bewusst
       getäuscht, sagt die Opposition. Trotz allem: Dass sie Bouffier ernsthaft in
       Verlegenheit bringen könnte, ist unwahrscheinlich.
       
       Schon als Minister überstand er zwei Untersuchungsausschüsse. In dem einen
       Fall konnte er eine Anklage wegen Parteiverrats nur durch Zahlung einer
       Geldbuße abwenden; im anderen Fall musste das Land Hessen einem
       Ex-Polizisten 30.000 Euro Schadenersatz zahlen, weil ihm Bouffier die
       Möglichkeit einer Konkurrentenklage genommen hatte. Seitdem gilt er, wie
       sein Parteikollege und Amtsvorgänger Roland Koch, als affärenresistent.
       
       26 Jun 2017
       
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