# taz.de -- Ex-AfDler Luckes Neue Partei schwächelt: In der bedeutungslosen Nische
       
       > Die Liberal Konservativen Reformer von Ex-AfDler Bernd Lucke überzeugten
       > bei den letzten Landtagswahlen kaum. Ein Report vom Bundesparteitag in
       > Verden
       
 (IMG) Bild: Überzeugt kaum jemanden: Bernd Lucke
       
       VERDEN taz | Peter Drewes hat sich viel Mühe gegeben. Am Straßenrand vor
       dem Niedersachsenhof in Verden steht eine alte „Ente“ von Citroën, verziert
       mit einigen LKR-Stickern. Daneben ein Lastwagen mit Parolen seiner Partei,
       den Liberal Konservativen Reformern (LKR): „Folgen Sie uns!“ oder „Innere
       Sicherheit stärken“ steht da auf der Lkw-Plane. Sie wollen sichtbar sein
       für jene, die auf der schnurgeraden Straße vorbeifahren – an restaurierten
       Häusern, der neugebauten Halle der freiwilligen Feuerwehr, an der
       Besamungsstelle Aller/Weser Verden und an der Bude, wo Spargel, 2. Wahl,
       für fünf Euro das Kilo im Angebot ist. Drinnen im Saal, wo der
       Bundesparteitag der LPK steigt, lässt Drewes Flyer verteilen, die mit ihrem
       beruhigenden Orange-Ton der CDU-Farbfamilie ähneln. Neben dem Bild einer
       D-Mark steht: „Wir brauchen eine stabile Währung.“ Aber die Mühe war
       umsonst und Drewes ist sauer.
       
       Seine ParteigenossInnen haben sich drinnen im Saal gerade entschlossen, im
       September nicht an der Bundestagswahl teilzunehmen. Dabei hatte Drewes viel
       vor. Der erfolgreiche Unternehmer, Hobbypilot und Jäger, der sich für
       Waisenkinder in Afrika engagiert, wie er sagt, wollte, dass an diesem
       Samstag von Verden aus ein lautes Signal des Aufbruchs erklingt. Nun muss
       er sich eine neue Strategie überlegen.
       
       Während drinnen noch weitere Redner drinnen am Pult reden, steht Drewes in
       Anzug und Krawatte, Zigarette in der linken Hand, mit einigen anderen
       Herren vor der Tür des Gasthofes um den Aschenbecher herum. Sie alle haben
       sich für sich für einen Antritt zur Bundestagswahl ausgesprochen. „Dann
       pfeifen wir auf den Bundesvorstand und machen auf Länderebene unser eigenes
       Ding“, schlägt einer vor, die anderen nicken.
       
       Drewes ist niedersächsischer Landesvorsitzender der LKR. Jener Partei, die
       das Ergebnis des parteiinternen Streits der AfD im Sommer 2015 ist. Der
       damalige AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke gründete damals den Verein
       Weckruf 2015, um die gemäßigten Mitglieder der Partei hinter sich zu
       versammeln. Insbesondere Parteigrößen wie Björn Höcke, Alexander Gauland
       und Frauke Petry wollten die AfD jedoch inhaltlich deutlich weiter nach
       rechts rücken. Beim Essener Parteitag im Juni 2015 kam es dann zur
       richtungsweisenden Entscheidung. Unter Lügen-Lucke-Rufen verlor Lucke eine
       Kampfabstimmung um den alleinigen Parteivorsitz gegen Frauke Petry und die
       Nationalkonservativen übernahmen dann die Macht in der Partei. Lucke trat
       mit einigen AnhängerInnen aus. Auch Drewes war einst AfD-Mitglied und
       folgte Lucke.
       
       Lucke gründete 2015 die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa).
       Nachdem die Lebensrechtbewegung Aktion Lebensrecht für Alle, die sich
       ebenfalls Alfa abkürzt, erfolgreich Klage gegen die Verwendung der Kurzform
       durch die Partei eingereicht hatte, musste ein neuer Name her. Nun also
       Liberal-Konservative Reformer.
       
       Nach eigenen Angaben soll die LKR mehr als 2.000 Mitglieder haben. Sie
       haben immerhin fünf Sitze im Europaparlament und einen Sitz in der
       Bremischen Bürgerschaft. Allerdings wurden alle Sitze von Kandidaten
       geholt, die zum Zeitpunkt der Wahl noch in der AfD waren und diese später
       verließen.
       
       Dass die Chancen, künftig weitere Mandate zu holen, ziemlich gering sind,
       ist am Samstag im Niedersachsenhof in Verden ohnehin allen klar. Die
       vergangenen Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein sowie in
       Nordrhein-Westfalen waren für die LPK ein Desaster: Zwischen 0,2 und einem
       Prozent der WählerInnen gaben der LKR ihre Stimme.
       
       Inhaltlich ist die Partei, trotz ihrer ständigen Beteuerung, gar nicht
       soweit von CDU/CSU und FDP entfernt: Laut LKR-Satzung werden
       „ausländerfeindliche, rassistische, nationalistische, antisemitische,
       islamfeindliche, islamistische, homophobe und rechts- oder linksradikale
       Positionen“ abgelehnt. Und der Euro, Luckes Lieblingsthema, ist momentan
       einfach nicht sonderlich anziehend.
       
       Mit der AfD, klar, will man bei der LKR erst recht nichts mehr zu tun
       haben. Draußen, bei den Aschenbechern, überbieten sich die RaucherInnen mit
       drastischen Ablehnungen der AfD, jener Partei, in der die meisten einst
       Mitglied waren. Selbstkritik hört man jedoch selten. Bashing von
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz
       kommt ihnen dagegen ganz leicht über die Lippen.
       
       Inhaltlich tun sich auf dem LRK-Parteitag wenig Kontroversen auf, dafür
       aber bei der Frage, ob man nun zur Bundestagswahl antreten solle oder
       nicht. Da tun sich tiefe Risse auf. Christian Schäfer, Bremer
       Bürgerschaftsabgeordneter, legte sich schon vor Beginn des Parteitags fest:
       „Wenn ich von vornherein weiß, ich kann die fünf Prozent im Moment nicht
       bekommen, und ich nehme an der Wahl teil, dann kostet mich das sehr viel
       Mühe und Geld. Und am Ende habe ich ganz viele enttäuschte Mitglieder.“
       
       Als die Debatte über den möglichen Nicht-Antritt zur Bundestagswahl
       startet, sind die Mienen der Herren und wenigen Frauen im meist
       fortgeschrittenen Alter finster. „Da wird es zur Sache gehen“, prophezeite
       ein Delegierter vor Veranstaltungsbeginn. 74 offizielle Delegierte der
       Landesverbände und einige wenige weitere Parteimitglieder sind angereist.
       
       Ohne die breiten weißen Stoffbahnen und die Lichterketten, die unter der
       Saaldecke hängen, ließen die ernsten Gesichter und gedämpften Stimmen an
       eine Trauerfeier denken. „Heute Abend, im Anschluss hieran, findet noch der
       Abschlussball der Berufsschule Dauelsen statt“, erklärt die Bedienung die
       Deckenverzierung, während sie die Tische abräumt. Die Debatte läuft da bald
       schon zwei Stunden und die meisten haben nebenbei schon zu Mittag gegessen.
       Der Geruch von Schnitzel mit Pommes gepaart mit dem Duft der Gulaschsuppe
       hängt im Saal fest. Während die ersten Biere und Weinschorlen ausgeschenkt
       werden, ist vorne am Pult die Rede von V2-Raketen, Hochfinanz und
       parteiinterne Zensur – unterbrochen nur von unbequemer Stille.
       
       Bernd Lucke hat schon vor dem Mittagessen seine Positionen darlegt. Als
       Parteigründer hat sein Wort immer noch Gewicht, auch wenn er mittlerweile
       nicht mehr im Bundesvorstand sitzt. Doch schon bevor er seine Rede hält,
       entgleist manchem Mitglied das Gesicht. Bevor er ans Rednerpult tritt,
       reicht er den Antrag ein, dass seine Rede unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit stattfinden solle. Einige Landesvorsitzende verlassen empört
       den Saal. Dem Antrag folgt dennoch eine Mehrheit der Delegierten. „Eine
       Sauerei ist das, wir sind doch eine demokratische Partei“, empören sie sich
       draußen am Aschenbecher.
       
       Als dann endlich abgestimmt wird, ist das Ergebnis eindeutig: Zwei Drittel
       folgen dem Bundesvorstand und sprechen sich gegen einen Antritt zur
       Bundestagswahl aus.
       
       Nach der Abstimmung sitzen nicht mehr viele an den langen braunen
       Holztischen im Saal und folgen den weiteren Tagespunkten. Bernd Lucke hat
       seine Lesebrille aufgesetzt und sitzt auf seinem Stuhl vorne ganz rechts.
       Den Kopf hat er an die Wand gelehnt und er blättert mit
       gleichgültig-zufriedenem Gesicht in der Rotenburger Kreiszeitung. Eine der
       wenigen Frauen auf dem LKR-Parteitag hat sich an einen leeren Tisch weiter
       hinten gesetzt und versucht, sich mit einem Fächer in Schwarz-Rot-Gold
       abzukühlen.
       
       „Jetzt muss ich mir erst mal überlegen, wie es weitergehen soll“, sagt
       Peter Drewes und trinkt einen Schluck Bier und geht mit seinen
       Gefolgsleuten nach draußen, zum Aschenbecher. Sie wollen neue Strategien
       diskutieren und zwar ohne die, wie einer in der Runde sagt, anderen
       „Waschlappen“.
       
       18 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) André Zuschlag
       
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