# taz.de -- FC St. Pauli Fans: Nicht ganz gewaltfrei
       
       > Während die „Ultrà Sankt Pauli“ geschätzt wird, sind die „New Kidz“ für
       > den FC St. Pauli ein Problem.
       
 (IMG) Bild: Sinnbild linker Fußballkultur: Fans des FC St. Pauli haben auch zum nahenden G-20-Gipfel in Hamburg eine Meinung
       
       Hamburg taz | Sie sind bundesweit bekannt und ein Sinnbild für die linke
       Fankultur des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli – die Gruppe Ultrà Sankt
       Pauli, kurz USP, gilt als eine der politischsten Fanzusammenschlüsse der
       Republik. Ein antifaschistisches, antipatriarchales und antirassistisches
       Weltbild eint die USP-Gemeinde. Ultras mit eindeutig linkem Profil gibt es
       bundesweit sonst nur noch in München und Babelsberg; fast alle anderen
       Ultragruppen sind offen auch für rechte Inhalte.
       
       Die Heimat der St.-Pauli-Ultras, denen rund 250 Personen, aber rund drei
       Mal so viele enge Sympathisanten zugerechnet werden können, ist die
       Südtribüne des Millerntors, ihr Ziel der „Support“ ihres Teams. „Choreos“
       am Anfang fast jedes Spiels, aber auch das umstrittene Abfackeln von Pyros
       gehören zu ihrem Repertoire.
       
       Während der Aufsichtsrat des FC St. Pauli auch Mitglieder hat, die für eine
       Legalisierung der pyrotechnischen Darbietungen sind, und der Klub ohne
       große Kommentierung die verhängten Strafen der Deutschen Fußball-Liga
       bezahlt, üben einige Fans auch schon mal Kritik an dem Feuerwerk, das
       „ihrem“ Verein immer neue Geldstrafen einbringt – mit Pfeifkonzerten und
       „Ihr seid doof“-Gesängen. Fast während des gesamten Spiels wird im
       USP-Block gesungen und gehüpft – eine vom Spielverlauf unabhängige monotone
       Dauerbeschallung, die bei vielen Stadionbesuchern nicht auf Gegenliebe
       stößt.
       
       ## Kritik von den Normalos
       
       Immer wieder stoßen auch politisch motivierte USP-Aktionen auf Kritik in
       der breiten Anhängerschaft. 2010 etwa, als die USP-Aktiven zu Beginn des
       Heimspiels gegen Hansa Rostock die Südtribüne minutenlang blockierten und
       die eigenen Anhänger aussperrten, um gegen eine Reduzierung des
       Kartenkontingents für die – eigentlich mit ihnen verfeindeten – Hansa-Fans
       zu protestieren. Ärger gab es auch im April, als beim Spiel gegen Dynamo
       Dresden ein Transparent mit der Aufschrift „Schon eure Groszeltern haben
       für Dresden gebrannt – gegen den doitschen Opfermythos“ die Opfer des
       Dresdner Feuersturms verhöhnte.
       
       Doch insgesamt gilt das Verhältnis zwischen Ultras, Fans und Vereinsführung
       als entspannt. Die Ultras veranstalten regelmäßig antirassistische
       Fanturniere, organisieren Flüchtlingstransporte aus den Aufnahmelagern zu
       den Heimspielen des Zweitligisten und mobilisieren auch schon mal – wie
       vergangenen April – gegen einen AfD-Bundesparteitag mit einem Slogan wie
       „Solidarität statt Hetze“. Das kommt gut an in dem „etwas anderen Verein“.
       
       Probleme hingegen bereiten dem Klub die „New Kidz St. Pauli“, eine seit
       etwa drei Jahren bestehende, etwa 25-köpfige Gruppe erlebnishungriger
       Jugendlicher und junger Erwachsener. Ihnen eilt der Ruf voraus,
       Konfrontationen mit gegnerischen Fangruppen nicht unbedingt aus dem Wege zu
       gehen. Auf ins Internet gestellten Videos zeigen die New Kidz schon mal,
       wie sie eine gegnerische Zaunfahne klauen, verbotene Pyros zünden oder
       sich mit gegnerischen Fans prügeln.
       
       Nach einem tätlichen Angriff von St.-Pauli-Fans auf einen Zivilpolizisten
       im Oktober vergangenen Jahres ermittelte die Polizei, dass mindestens einer
       der drei Angreifer den New Kidz angehört habe. In einem Fan-Blog ist die
       Rede von Fans, „die da eine neue Kultur – eine junge,
       testosteron-geschwängerte Komponente des Supportertums ausleben“. Innerhalb
       der Ultra-Szene des Hamburger Zweitligisten gelten die New Kidz als
       isoliert, nur mühsam wird der Gesprächsfaden mit ihnen aufrecht erhalten.
       Denn viele der New Kidz haben nach Einschätzung anderer Ultra-Gruppen, aber
       auch der Klubführung wenig Interesse an dem Verein oder gar am sportlichen
       Erfolg des Zweitligisten. Sie docken an den FC St. Pauli an, um ihr ganz
       eigenes Ding zu machen.
       
       ## Und immer wieder: der HSV
       
       Immer häufiger kam es in der jüngeren Vergangenheit zu gewalttätigen
       Auseinandersetzungen zwischen St.-Pauli- und HSV-Fans. Die Überfälle von
       HSV-Fans auf die St.-Pauli-Fankneipe „Jolly Roger“ sind legendär und Anfang
       April wurden St.-Pauli-Fans von etwa 20 bis 25 HSV-Hooligans in einem
       Hamburger Parkhaus verprügelt.
       
       Kurz darauf lauerten St.-Pauli-Fans am Rande eines Amateur-Fußballspiels
       Anhängern der HSV-Abspaltung HFC Falke auf und gingen laut Zeugenaussagen
       mit Eisenstangen und Schlagstöcken auf sie los. Der St.-Pauli-Fanladen
       sprach Ende April in einer Stellungnahme von einer „aktuellen Eskalation“
       und einer „Gewaltspirale“, aus der es Auswege zu suchen gelte.
       
       Auch wenn die St.-Pauli-Fangemeinde als friedfertig gilt, tummeln sich in
       ihr laut Polizeieinschätzung nicht weniger gewaltbereite Anhänger als in
       anderen Vereinen. Ein bereits fünf Jahre altes und methodisch fragwürdiges
       Gewaltbereitschafts-Ranking der Polizei sieht den Anteil gewaltbereiter
       Fans an den Stadionbesuchern bundesweit auf Platz 11 und damit im ersten
       Drittel der Erst- und Zweitligisten. Der HSV hingegen landete nur auf Platz
       22, auch Wolfsburg, Hannover und Bremen lagen weit hinter dem Klub vom
       Millerntor.
       
       Allerdings wurden bei dieser Polizei-Statistik auch fußballuntypische
       Straftaten mitgezählt, etwa Auseinandersetzungen mit Neonazis außerhalb des
       Stadionbereichs und abseits der Spieltage. Denn der Slogan „Kein Fußbreit
       den Faschisten“ wird von allen Ultra-Gruppen mit Leben erfüllt.
       
       18 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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