# taz.de -- Europa und die Türkei: Erdoğan droht mit Abschied von EU
       
       > Der türkischer Präsident will der EU ohne Fortschritte im
       > Beitrittsprozess den Rücken kehren. Laut Sigmar Gabriel sei die EU „offen
       > für neue Gespräche“.
       
 (IMG) Bild: Wenn sich die EU nicht beeilt, sagt Erdoğan „Auf Wiedersehen“
       
       Ankara afp/dpa | Ohne die Eröffnung neuer Kapitel im EU-Beitrittsprozess
       wird die Türkei der Europäischen Union laut Präsident Recep Tayyip Erdoğan
       den Rücken kehren. „Ihr habe keine andere Wahl, als Kapitel zu eröffnen,
       die ihr noch nicht eröffnet habt“, sagte Erdoğan am Dienstag in einer Rede
       nach seiner offiziellen Rückkehr in die regierende Partei für Gerechtigkeit
       und Entwicklung (AKP). Andernfalls heiße es „Auf Wiedersehen“.
       
       Die Türkei sei nicht „der Lakai“ Europas, sagte Erdoğan. Die Beziehungen zu
       den EU-Staaten waren im Wahlkampf für das umstrittene Verfassungsreferendum
       vom 16. April auf einen Tiefpunkt gesunken, nachdem in Deutschland
       Auftritte türkischer Minister abgesagt worden waren. Er kündigte an, nach
       dem Volksentscheid das Verhältnis zur EU zu überprüfen. Erdoğan wirft dem
       Staatenbund regelmäßig vor, die Türkei seit einem halben Jahrhundert an
       seiner Tür warten zu lassen, und dringt auf Fortschritte im
       Beitrittsprozess.
       
       Die EU verlangt dafür aber eine Rückkehr zum Reformkurs. Zuletzt mehrten
       sich bei den EU-Staaten zudem Forderungen nach einem Abbruch der
       Beitrittsgespräche, da diese angesichts der Aushöhlung von Demokratie,
       Bürgerrechten und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei nicht länger zu
       rechtfertigen seien.
       
       Für Besorgnis sorgt in Europa das harte Vorgehen Erdoğans gegen seine
       Gegner sowie der Übergang zum Präsidialsystem, das laut der Opposition zu
       einer autoritären Ein-Mann-Herrschaft führen wird. Auch der Europarat warnt
       vor einer Aushöhlung von Demokratie, Bürgerrechten, Rechtsstaatlichkeit und
       Gewaltenteilung durch den Systemwechsel.
       
       ## Sigmar Gabriel beschwichtigt
       
       Zwei Wochen nach dem umstrittenen Verfassungsreferendum über das
       Präsidialsystem kehrte nun Erdoğan in die regierende AKP zurück. „Er kehrt
       ins Nest zurück, in die AKP, die er gegründet hat“, sagte AKP-Chef Binali
       Yildirim bei einer feierlichen Zeremonie in der Parteizentrale in Ankara,
       die live im Fernsehen übertragen wurde. Er kündigte an, dass Erdoğan bei
       einem Sonderparteitag am 21. Mai den Parteivorsitz übernehmen werde.
       
       Außenminister Sigmar Gabriel hat angesichts der neuen Drohungen des
       türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu den
       EU-Beitrittsgesprächen ein Ende von Ultimaten in der Krise mit der Türkei
       gefordert. „Ich kann nur raten, jetzt aufzuhören, sich gegenseitig
       Ultimaten zu stellen“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag am Rande seiner
       Afrikareise in Äthiopien.
       
       „Der Weg der Türkei zur Europäischen Union ist klar beschrieben mit den
       Kriterien, die wir als Europäer haben“, sagte Gabriel. Was sich in letzter
       Zeit in der Türkei abgespielt habe, erfülle diese Kriterien nicht. „Wenn
       wir einen Neustart in den Bedingungen, den Beziehungen wollen, dann muss
       das von beiden Seiten ausgehen.“ Die EU sei offen für neue Gespräche, sagte
       Gabriel.
       
       2 May 2017
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Türkei
 (DIR) Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan 
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) Rechter Populismus
 (DIR) Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan 
 (DIR) taz.gazete
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Knapp überm Boulevard: Willkommen in der Führerdemokratie
       
       Der neue Autoritarismus hat keine pädagogische Mission. Der Bürger darf
       mangelhaft sein, denn daraus legitimiert sich Herrschaft durch Kränkung.
       
 (DIR) Türkei bittet um Wirtschaftshilfe: Arbeitslosigkeit und weiche Währung
       
       Der türkische Vizeregierungschef hofft auf Unterstützung aus Deutschland.
       Doch im Finanzministerium hält man sich bedeckt.
       
 (DIR) Internetzensur: Der virtuelle Gegenputsch
       
       Die türkische Regierung nutzt den Ausnahmezustand nicht nur zur Zensur,
       sondern gezielt zur Verfolgung von Oppositionellen im Netz.