# taz.de -- Kolumne Macht: Hunger als Waffe
       
       > In der kenianischen Provinz Laikipia wird die Dürre für politische Ziele
       > missbraucht. Trotzdem muss man den Notleidenden vor Ort helfen.
       
 (IMG) Bild: Hirten lassen ihre Tiere inmitten von Wildtieren im Mugie-Nationalpark weiden
       
       Worum es bei einer Geschichte im Kern geht, hängt fast immer davon ab, wer
       sie erzählt. Das Thema Hunger ist dafür ein gutes Beispiel. Aus der
       Entfernung betrachtet, scheint die Situation da stets ganz einfach zu sein:
       Menschen sind in Not, ihnen muss geholfen werden. Aus der Nähe ist es fast
       nie so unkompliziert.
       
       In Zeiten der schnellen Kommunikationswege und gut vernetzter Hilfswerke
       genügen noch so ungünstige Witterungsbedingungen allein nicht mehr, um eine
       humanitäre Katastrophe auszulösen. Hinzu muss der feste Wille einer
       mächtigen Gruppe, Organisation oder politischen Kraft kommen, Hunger als
       Waffe zu benutzen – eine besonders zynische, aber auch erprobte Methode,
       eigene Interessen durchzusetzen.
       
       In der kenianischen Provinz Laikipia halten seit Ende letzten Jahres
       mehrere Tausend Hirten, viele von ihnen mit Kalaschnikows bewaffnet,
       Farmland besetzt. Wegen der anhaltenden Dürre in Ostafrika haben sie ihre
       Herden aus ihren trockenen Heimatgebieten auf der Suche nach Wasser und
       Weideland dorthin getrieben. Seither terrorisieren sie die ortsansässige
       Bevölkerung.
       
       ## „Ich träumte von Afrika“
       
       Der Rest der Welt interessiert sich nicht besonders für Laikipia.
       Verständlicherweise. Um die Folgen einer Hungersnot zu illustrieren, gibt
       es eindrucksvollere Bilder. Nur die Meldung, dass die Bestsellerautorin
       Kuki Gallmann – „Ich träumte von Afrika“ – auf ihrer Farm angeschossen
       worden war, sorgte kurzfristig für Schlagzeilen. Aber sie hat ja überlebt.
       Das ließ das Interesse schnell erlöschen.
       
       Praktisch für diejenigen, die in Laikipia eigene Ziele verfolgen. Wer ist
       das? Wer ist Täter, wer Opfer? Alles eine Frage des Standpunkts.
       
       Je nach Blickwinkel droht in Laikipia – ähnlich wie vor einigen Jahren in
       Simbabwe – weißen Großfarmern die Vertreibung. Unfug, niemand wolle
       irgendjemanden vertreiben, so eine andere Lesart. Vielmehr sei den
       traditionell lebenden Hirten, die von der Dürre in ihrer Existenz bedroht
       würden, gar nichts anderes übrig geblieben, als ihre Herden auf Farmland zu
       treiben.
       
       Die ganze Situation habe sich überhaupt nur so zugespitzt, weil lokale
       Politiker versuchten, im Vorfeld der Wahlen durch Polarisierung und Aufrufe
       zur Gewalt ihre Position zu verbessern, betonen wieder andere. Da sei etwas
       dran, wird diesen entgegnet, aber das Hauptproblem sei die Kombination aus
       Unfähigkeit und Desinteresse der Regierung in Nairobi, die es nicht
       schaffe, die Lage in den Griff zu bekommen.
       
       So viele Analysen, so viele Meinungen. Und alle stimmen. Zumindest ein
       bisschen.
       
       Wahr ist: Die britische Regierung hat seinerzeit bei den Verhandlungen
       über die kenianische Unabhängigkeit gut für die Briten, die im Land
       bleiben wollten, gesorgt und ihnen Privilegien gesichert, die erst vor
       wenigen Jahren abgeschafft wurden. So etwas ist dem sozialen Frieden
       nicht dienlich. Laikipia ist eine Region mit besonders vielen Großfarmen,
       die von Weißen betrieben werden.
       
       Wahr ist jedoch auch: Diejenigen, die heute dort Farmland besitzen, können
       nicht für die kolonialen Sünden ihrer Vorväter verantwortlich gemacht
       werden. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Schutz. Und: Kleinbauern werden
       derzeit ebenfalls von den Hirten bedroht, die ihrerseits allerdings auch
       einen Anspruch auf Hilfe in der Not haben.
       
       ## Was folgt daraus?
       
       Wen kümmert’s? Mit Hetzparolen gegen unbeliebte Gruppen wie die weißen
       Farmer können regionale Politiker vor den Wahlen gut auf Stimmenfang gehen.
       Und die Zentralregierung in Nairobi möchte sich die Finger nicht
       verbrennen.
       
       Was folgt daraus? Dass alles so unglaublich kompliziert ist, dass lieber
       überhaupt nicht für Notleidende gespendet werden soll, weil ja gar nicht
       klar ist, wer am Ende davon profitiert? Nein. Daraus folgt: unbedingt
       helfen, aber eben nicht blind und blauäugig.
       
       Die politischen Kräfte vor Ort müssen ernsthaft in die Pflicht genommen
       werden, wollen sie Unterstützung erhalten. Dafür muss man sich allerdings
       eben doch für die Verhältnisse vor Ort interessieren.
       
       12 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
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