# taz.de -- Die Wahrheit: Frühling kontrovers
       
       > Ja oder nein? Oder beides oder doch? Die noch junge Jahreszeit ist die
       > vielleicht umstrittenste ihrer Gattung. Ein Für und Wider im Lichte der
       > Debatte.
       
 (IMG) Bild: Geschickte Maskierung ist alles: Panzerknackerin auf Beutezug
       
       Von allen Jahreszeiten ist der Frühling die umstrittenste. Der Streit hat
       aktuell sogar an Schärfe zugelegt, wenn ich mich nicht täusche. Viele
       meiner Bekannten nennen den Frühling inzwischen den Trump unter den
       Jahreszeiten. Die einen wegen seiner groben, unverschämten Art, weil er die
       Reichen noch reicher macht und die Welt an den Rand eines Atomkriegs
       bringt. Die anderen, weil er ihre simple Sprache spricht, erfrischend
       anders daherkommt und mit dem Establishment der saisonalen Abfolge
       gründlich aufräumt.
       
       Man hasst ihn oder man liebt ihn – dazwischen scheint es nichts zu geben.
       Ich möchte trotzdem einmal eine vermittelnde Position einnehmen. Gewiss, so
       mancher begeistert sich an aufbrechenden Knospen und Trieben, tollt über
       nasse Wiesen, schlägt Purzelbäume und schnuppert an jeder Blüte, die sich
       ihm darbietet. Doch dafür muss ein anderer die Ohren vor den grässlichen
       Paarungslauten der Vögel verschließen, das penetrante Wechselwetter meiden
       und sich vor den Pollen ekeln, die alles bedecken wie ein Pelz oder eine
       Hautkrankheit.
       
       Einerseits: Die Eisdielen haben wieder offen, man könnte den ganzen Tag im
       Schneeregen sitzen und „Hello Kitty“-Eis mit bunten Streuseln schlecken.
       Andererseits: Hundebesitzer, Kinderwagenmütter und Schirmträger verstopfen
       allüberall die Bürgersteige. Einerseits: Frühlingsgefühle. Andererseits:
       Heuschnupfen. Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte, zufällig auch etwa
       in der Mitte des Textes. Sie lautet: Der Frühling hat sowohl positive wie
       auch negative Aspekte!
       
       Allesamt gehören sie schonungslos auf den Tisch, wenn man dieser verrückten
       Jahreszeit gerecht werden will. Bei mir hält es sich zwar so ungefähr die
       Waage; ich schätze durchaus die allgemeine Aufbruchsstimmung, die der Lenz
       verbreitet. Doch ich verspüre auch ein gerüttelt Maß an Wehmut und Trauer,
       vor allem über die verpassten Chancen. Es gibt da nämlich ein paar Dinge,
       die ich im vergangenen Winter noch machen wollte.
       
       Ich wollte unbedingt noch mal meine Handschuhe irgendwo liegen lassen, etwa
       beim Grünkohlessen. Das habe ich in der vergangenen Saison leider versäumt,
       und es ist auch nicht nachzuholen, weil Handschuhe und Pelzmütze längst auf
       den Dachboden gewandert sind. Ich hätte auch gern noch einmal eine
       Schneeperson gebaut, notfalls aus Eischnee. Aber der hält sich bei diesen
       arktischen Temperaturen nicht.
       
       Als gleichermaßen unerledigtes Vorhaben verzeichne ich: eine Großpackung
       Teelichter kaufen, aber bitte mal woanders als bei Ikea. Fällt auch flach,
       weil niemand weiß, wo es sonst Teelichter gibt. Ein Wunsch wurde mir jedoch
       herrlicherweise erfüllt: Ich wollte unbedingt noch mal mit den Zähnen
       klappern, weil das zum Handwerk gehört. Die nötige Eiseskälte hat sich nun
       gottlob eingestellt, es reicht mir sogar fast schon wieder. So bleibt mir
       nur, die Heizung kräftig aufzudrehen, statt völlig abzudrehen. Eventuell
       liebe ich diesen Frühling doch mehr, als ich ihn hasse.
       
       25 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mark-Stefan Tietze
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Frühling
 (DIR) Kontroverse
 (DIR) Informationen
 (DIR) Kriminalität
 (DIR) Zeitung
 (DIR) Gemüse
 (DIR) Zukunft
 (DIR) Medien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Inhalte verzweifelt gesucht
       
       Als alter Content-Junkie bin ich ständig auf der Jagd nach dem nächsten
       Schuss Inhalt. Ich weiß, wie man an den Stoff rankommt.​
       
 (DIR) Die Wahrheit: Mein und Dein nur Schein
       
       Populäre Kriminalität: Unsere Gesellschaft hofiert Ganoven öffentlich bis
       aufs Blut. Kriminelle besetzen inzwischen Spitzenpositionen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Lasst die Zeitung leben!
       
       Der neueste Medientrend: Deutschland liest zaghaft wieder Print und will
       seine Nachrichtenbedürfnisse schwarz auf weiß befriedigt sehen.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Blauer Bohnensalat
       
       Die aktuelle Gemüsekrise und ihre heftigen Folgen: Ein Blick in deutsche
       Verbraucherküchen, wo das Schnibbeln derzeit zum Erliegen gekommen ist.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Herr Müller in der Endzeitfalle
       
       Ein Weltuntergangsforscher wandelt auf den Spuren der in Bälde
       bevorstehenden Apokalypse. Zukunftsmusik allererster Güte!
       
 (DIR) Die Wahrheit: Rüssel und Beine des Elefanten
       
       US-Präsident Donald Trump hat stets recht: Der alternativlose Check seiner
       ersten Amtswoche beweist es zur Gänze.