# taz.de -- Legalisierung von Cannabis: Gras riecht jetzt nach Geld
       
       > Lange hielt sich die Hanfbranche aus Angst vor Strafverfolgung bedeckt.
       > Ausgerechnet ein CDU-Minister hat diesen Zustand nun beendet.
       
 (IMG) Bild: Das duftet gleich ganz anders
       
       Berlin taz | Alex Rogers’ Stimme strotzt vor Inbrunst. „Das ist ein
       revolutionärer Moment für Deutschland“, ruft der US-amerikanische
       Cannabis-Aktivist in der Manier eines Motivationstrainers und freut sich
       über den aufbrandenden Applaus. „Es geht um Freiheit und es geht ums
       Geschäft!“
       
       Im Tagungshotel an der Berliner Friedrichstraße ist Rogers angetreten, um
       einer Branche Anschub zu geben, die sich noch vor Kurzem aus Angst vor
       Strafverfolgung eher bedeckt halten musste. Der US-amerikanische
       Marihuana-Aktivist und Betreiber von zwei Cannabis-Kliniken hat in Berlin
       zur International Cannabis Business Conference (ICBC) geladen und Hunderte
       Interessierte sind seinem Ruf gefolgt. Sie wollen wissen, wie sie mit dem
       Betäubungsmittel legal Geld verdienen können.
       
       Rogers weiß, wem er den gut gefüllten Saal zu verdanken hat. „Einen großen
       Applaus für Gesundheitsminister Hermann Gröhe“ fordert er. Vielleicht
       konnte der so gefeierte CDU-Politiker den Beifall in seinem nur wenige
       Hundert Meter entfernten Ministerium sogar hören.
       
       Seit dem 10. März gelten neue Gesetze für die Verschreibung von
       medizinischem Marihuana. Hanfprodukte können laut Studien Menschen mit
       chronischen Schmerzen helfen – doch bisher konnten sie nur mit
       Sondergenehmigung und unter schwer erfüllbaren Bedingungen Cannabis
       verschrieben bekommen und mussten sie selbst zahlen.
       
       ## Wichtiger Schritt zur Entkriminalisierung
       
       Die Genehmigung erhielten bisher nur etwa 1.000 Patienten in Deutschland.
       Jetzt kann jeder Arzt Cannabis-Produkte verschreiben – und bei
       schwerwiegenden Erkrankungen muss die Krankenkasse die Kosten übernehmen.
       Ein wichtiger Schritt für die Entkriminalisierung von Cannabis-Konsum.
       Entsprechend rechnen Experten mit einer rasant steigenden Nachfrage nach
       medizinischen Marihuana-Produkten.
       
       Keine fünf Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes kommt deshalb der
       Marihuana-Business-Tross nach Berlin. Die Message des Veranstalters: „Der
       Kampf um die medizinische Zulassung ist gewonnen, jetzt geht’s ans
       Geldverdienen!“ In der Tat glauben viele Konferenzbesucher, dass der
       deutsche Gesetzgeber die Hanfbüchse der Pandora geöffnet habe – denn mit
       der Liberalisierung der Cannabis-Verschreibung hat das
       Gesundheitsministerium auch eine Cannabis-Agentur ins Leben gerufen, die
       die pharmazeutische Qualität des Marihuanas sicherstellen soll.
       
       Die Hanfblüten, die Patienten in Deutschland künftig verschrieben bekommen,
       werden bis 2019 importiert. Dann sollen sie zumindest teilweise aus
       heimischer Produktion stammen. Eine entsprechende Ausschreibung für
       Produzenten wurde vergangene Woche bekannt gemacht – und ist das große
       Thema der Gespräche am Rande der Konferenz.
       
       Einer von ihnen ist Heiko Mohrdiek. Der 49-Jährige aus Hamburg ist
       hauptberuflich Strafverteidiger. Unter anderem vertritt er
       Hanfplantagenbesitzer. Von 1998 bis 2002 arbeitete er für die Hamburger
       Grünen-Fraktion, natürlich im Bereich Drogenpolitik. Zur Konferenz
       erscheint er als Vorstandsvorsitzender der Hanf AG, die sich um eine
       Anbaulizenz bewerben will.
       
       ## Kein Geschäft für Glücksritter
       
       „Das Thema Cannabis als Medizin begleitet mich schon länger. Da dachte ich
       mir, wieso nicht mal ein Unternehmen gründen“, begründet Mohrdiek sein
       Engagement. Ein einfacher Einstieg in ein lukratives Geschäft? Der
       Cannabis-Unternehmer mit den blonden Haaren winkt ab. „Glücksritter sind in
       diesem Business nicht an der richtigen Adresse.“ Denn die Anforderungen der
       Cannabis-Agentur haben es in sich.
       
       Bewerber werden nur in den Ausscheidungsprozess aufgenommen, wenn sie
       innerhalb eines vorgegebenen Punktesystems einen gewissen Score erreichen.
       Großzügiger wird gewichtet, wenn die Firma in den vergangenen drei Jahren
       bereits staatliche kontrolliert Cannabis hergestellt hat. Das aber ist in
       Deutschland gar nicht möglich: privater Anbau ist illegal.
       
       „Keine deutsche Firma wird allein die Kriterien erfüllen können“, so
       Mohrdiek. Man benötige Partner aus Ländern, in denen bereits eine
       Cannabis-Agentur existiert, etwa aus den Niederlanden. Die Hanf AG sondiere
       den Markt nach potenziellen Partnern. Eine Teilnahme an der Ausschreibung
       sei zudem mit erheblichem Aufwand verbunden: Man müsse Anbauerfahrungen
       nachweisen, die nur durch Partnerfirmen im Ausland erworben wurden konnte;
       daher müssten Dokumente von Partnerfirmen und staatlichen Kontrollstellen
       im Ausland bereitgestellt werden.
       
       Kleinbauern mit ungenutzten Äckern oder Start-ups dürften bei der Vergabe
       außen vor bleiben. „Wenn man sich die Anforderungen der Agentur anschaut,
       dann gibt es nur ein Dutzend Firmen, die sie erfüllen können“, sagt ein
       Unternehmer, der auf der Messe Vaporizer zum Verdampfen des Marihuanas
       präsentiert. Bestimmte Anforderungen klängen, als seien sie auf bestimmte
       Unternehmen zugeschnitten. Andernorts munkelt man, einige Firmen hätten
       Lobbyarbeit geleistet, um die Ausschreibungskriterien zu beeinflussen.
       
       Im Foyer vor dem Tagungssaal preisen Unternehmer ihre Waren an. Hanf-Öle
       und Cannabis-Drinks mit fantasievollen Namen werden ebenso angeboten wie
       Düngemittel und Szene-Magazine. Auch das Drumherum des Cannabis-Anbaus ist
       ein gutes Geschäft. Das meiste Geld jedoch dürfte sich mit dem Anbau
       verdienen lassen. Wie viel genau, mag auf der Konferenz niemand schätzen,
       denn es hängt davon ab, wie vielen Patienten Ärzte künftig Cannabis-Rezepte
       ausstellen. 6,4 Tonnen Marihuana hat die Cannabis-Agentur für den Zeitraum
       von 2019 bis 2022 ausgeschrieben.
       
       Noch steht nicht fest, zu welchem Preis die Agentur Marihuana ankaufen
       wird. Bei einem Preis von 8,50 Euro pro Gramm – was in etwa dem aktuellen
       Ankaufspreis der Apotheken für importiertes Medizin-Marihuana entspricht –
       beträgt das Marktvolumen im genannten Zeitraum 54,5 Millionen Euro. Sollte
       die Menge nicht reichen, muss der Rest durch Importe gedeckt werden.
       
       ## Seltsame Symbiose aus Aktivismus und Unternehmertum
       
       Heiko Mohrdiek sieht großes Potenzial durch die Gesetzesänderung. „Aber wir
       kalkulieren zurückhaltend.“ Die Bundesregierung gehe von 5.000 bis 10.000
       Patienten aus. „Das halte ich für konservativ.“
       
       Doch die Verfügbarkeit von medizinischem Marihuana ist nur eine
       Zwischenetappe in der Kampagne vieler Konferenzbesucher. „Es geht um die
       Legalisierung“, sagt Alex Rogers. Und auch die meisten Unternehmer auf der
       Konferenz sprechen sich zumindest für eine Entkriminalisierung des privaten
       Cannabis-Anbaus aus.
       
       So zeigt sich im Berliner Tagungshotel eine merkwürdige Symbiose aus
       Unternehmertum und Legalisierungsaktivismus. Noch gehen beide Hand in Hand.
       Doch spätestens wenn einige Unternehmen eine exklusive Lizenz zum Anbau
       teurer Medizin-Marihuana-Produkte besitzt, könnten ebenjene Firmen nicht
       unbedingt erfreut darüber sein, wenn jeder Privatmensch auf der
       Fensterbank Marihuana anbaut – und das völlig kostenlos.
       
       12 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Wimalasena
       
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