# taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Händchenhalten boomt
       
       > Frühlingserwachen ohne Pfötchengeben? Undenkbar! Und nun ist die zarte
       > Geste auch noch immens politisch geworden.
       
 (IMG) Bild: Ein bisschen Liebe für diese Erde
       
       Das Ansehen des Händchenhaltens im semisexuellen Kontext hat im Verlauf der
       Zeit ein wildes Auf und Ab erlebt. In unserer Jugend eher ein Auf: Das
       Händchenhalten war eine von vielen wichtigen Wasserstandsmeldungen entlang
       des schier endlosen Tränenflusses, der am Ende in das Meer der
       Geschlechtsreife mündete. Hielten zwei Pubertierende miteinander Händchen,
       hatten sie es praktisch schon geschafft: Für die nächsten Minuten, wenn
       nicht gar Stunden trauten Glücks waren sie geradezu verheiratet. Erblickten
       die Alten derlei Schweinefrevel vor der Eisdiele, zischten sie
       Verwünschungen.
       
       Mit zunehmender Aufklärung ließen sich jedoch manche Wahrheiten nicht
       länger leugnen: das unangenehme Schwitzen der Handflächen; das Gefühl
       immanenter Sinnlosigkeit; das mühsame Rangieren des klobigen Turteltandems
       durch belebte Straßen; der fragwürdige Anblick eines Paars, das wirkt, als
       habe ein Kopfgeldjäger den anderen verhaftet, was wiederum die Assoziation
       einer gegenseitigen Inbesitznahme weckte, die in dieser Absolutheit längst
       nicht mehr zeitgemäß wirkte. Die Alten waren wir nun selber.
       
       Mit dem Comeback ausgefallener Geschlechtskrankheiten sowie dem Rückzug in
       die einsame Pornografie hier und das gemeinsame postlibidinöse Sofakuscheln
       dort dreht sich der Wind erneut: Im Vergleich zu seinen einst
       verheißungsvollen Steigerungen Küssen (eklig, nass, Bakterien, Zwiebeln)
       und Vögeln (anstrengend, feucht, Viren, Kinder) gilt das Händchenhalten
       heute als das kleinere Übel.
       
       Und neuerdings steht ihm ein weiterer Boom bevor, da in den Niederlanden
       Politiker vor laufenden Kameras Händchen halten, um Solidarität mit einem
       schwulen Ehepaar zu demonstrieren, das in Arnhem von homophoben Drecksäcken
       zusammengeschlagen wurde, als es öffentlich Händchen hielt.
       
       Mit der friedvollen Neuinterpretation der „Brücke von Arnheim“ bricht das
       Händchenhalten sogar aus den heteronormativen Bezügen dieses Textes aus und
       auf in eine goldene Zukunft. Wenn man die Hände einpudert, schwitzen sie
       auch nicht so.
       
       7 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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