# taz.de -- Bürgerkrieg und Unterernährung: Der Jemen hungert
       
       > Mehr als die Hälfte der jemenitischen Bevölkerung leidet an Hunger. Dies
       > sei gegenwärtig die größte humanitäre Katastrophe der Welt, so das Rote
       > Kreuz.
       
 (IMG) Bild: Zwei Jahre alt und unterernährt: ein Kind in einer Klinik im jemenitischen al-Hudaida, September 2016
       
       KAIRO taz | Die schieren Zahlen lassen einem den Atem stocken. 17 Millionen
       Menschen leiden Hunger im Bürgerkriegsland Jemen, 60 Prozent der
       Bevölkerung. Sieben Millionen Menschen können ohne internationale
       Hilfslieferungen nicht überleben. Es ist die größte humanitäre Katastrophe
       weltweit, hieß es am Montag in einer Erklärung des Internationalen Roten
       Kreuzes (ICRC).
       
       Das Hilfswerk fordert die Bürgerkriegsparteien im Jemen zu einem
       unmittelbaren Waffenstillstand auf. Der scheint derzeit aber in weiter
       Ferne. Es sei eine Krise, bei der die Welt wegblicke, schreibt das ICRC.
       
       Der Jemen ist das ärmste arabische Land und hat – abgesehen von der
       Bab-al-Mandab-Meerenge im Roten Meer – geringe strategische Bedeutung. Das
       Land an der Südspitze der Arabischen Halbinsel besitzt kaum Öl und ist zu
       weit entfernt, als dass die Flüchtlinge dieses Krieges nach Europa kommen
       würden. Das führt auch dazu, dass die humanitäre Krise im Jemen kaum
       Schlagzeilen macht.
       
       „Die Lage im Jemen ist so schlimm wie nie zuvor“, erklärt Reem Nada von der
       Welternährungshilfe in Kairo gegenüber der taz. Allein im letzten Jahr
       seien zu denen, die ohne internationale Hilfslieferungen nicht überleben
       können, drei Millionen Menschen dazugekommen. Der Bürgerkrieg habe die Lage
       rapide eskalieren lassen.
       
       ## Die Wirtschaft ist am Boden
       
       Auch das ICRC sieht den Bürgerkrieg, der nun schon fast zwei Jahre andauert
       und der durch regelmäßige Luftangriffe von Saudi-Arabien verschärft wird,
       als Hauptursache der humanitären Krise. Der Krieg verhindere
       Nahrungsmittelimporte, zerstöre den Lebensunterhalt vieler Menschen und
       verhindere Hilfslieferungen, heißt es in der ICRC-Erklärung.
       
       Das Hilfswerk fordert nicht nur die jemenitischen Kriegsparteien, sondern
       auch Saudi-Arabien zu einem unmittelbaren Waffenstillstand auf, damit
       Hilfsorganisationen Zugang zu allen Teilen des Landes bekommen.
       
       Der Krieg hat eine verheerende Kettenreaktion ausgelöst, schildert Reem
       Nada vom Welternährungsprogramm. „Der Jemen hängt heute fast vollständig
       von Nahrungsmittelimporten ab. Dazu kommt die wirtschaftliche Krise. Die
       Staatsangestellten haben seit sieben Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Sie
       können sich Nahrungsmittel einfach nicht mehr leisten“, erklärt sie.
       
       Zudem habe die Abwertung des jemenitischen Riyal zu enormen
       Preissteigerungen geführt, weil Importe dadurch noch teurer geworden seien.
       Auch könnten sich Bauern nicht mehr die Dinge leisten, die sie für die
       Produktion ihrer Güter benötigten, wie zum Beispiel Treibstoff, Dünger und
       Saatgut. „Damit werden heute 30 Prozent weniger in der Landwirtschaft im
       Jemen produziert als vor der Krise“, sagt Nada.
       
       ## Millionen fehlen
       
       Die internationalen Organisationen haben derzeit zu wenig Mittel zur
       Verfügung, um die Lage zu managen. „Die UNO hat für ihre gesamte Arbeit im
       Jemen im Februar für das ganze Jahr 2,1 Milliarden Dollar veranschlagt, um
       diese humanitäre Krise zu managen. Bisher sind nicht einmal mal acht
       Prozent dieser Summe gedeckt“, erläutert sie.
       
       Das betrifft auch die Welternährungshilfe. „Uns fehlen 460 Millionen
       Dollar, um für die nächsten sechs Monate genug Nahrungsmittel für sieben
       Millionen Menschen zur Verfügung zu stellen. Wir geben daher pro Person nur
       ein Drittel der benötigten Ration aus“, sagt Nada.
       
       Das sei eine schwierige Entscheidung gewesen. Man könne entweder weniger
       Menschen versorgen oder mehr mit weniger Nahrung. Die Welternährungshilfe
       hat sich für Zweiteres entschieden: Möglichst viele Menschen werden
       versorgt, bekommen aber weniger, als sie brauchen. Die Hoffnung ist, dass
       so mehr Menschen überleben.
       
       21 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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