# taz.de -- Bilanz zur Berliner Schulreform: Die Erkenntnis kommt spät
       
       > Das war die Woche in Berlin II: Immer mehr Sekundarschulen ohne eigene
       > Abi-Option tun sich zusammen und bauen gemeinsam eine Oberstufe auf
       
 (IMG) Bild: Wenn's um Bildungschancen des Nachwuchs geht, sind Eltern nicht gerade offen für Experimente
       
       Wer das große Rad dreht, tut gut daran, die kleinen Stellschrauben nicht zu
       vergessen, wenn er – in dem Fall: sie – nicht will, dass einem der ganze
       Laden am Ende um die Ohren fliegt. Das ist zumindest die Lektion, die
       Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) aus der Begleitstudie zur
       Schulreform lernen könnte, die am Mittwoch vorgestellt wurde.
       
       Es war in der Tat kein leichtes Erbe, so viel muss man Scheeres
       zugutehalten, das Exbildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) seiner
       Nachfolgerin und Parteikollegin zu deren Amtsantritt 2011 hinterlassen
       hatte. Einfach mal kurzerhand die Hauptschule abgeschafft, die ohnehin bloß
       Scherereien machte: schlechte Schüler, die kaum ein Unternehmen ausbilden
       wollte, viele ohnehin ohne jeden Abschluss. Stigmatisierte Schulen, die
       kaum noch Schüler hatten, weil Eltern, die sich auch nur ein bisschen für
       den Bildungsweg ihrer Kinder interessierten, einen großen Bogen um sie
       machten.
       
       Der Ruf der Hauptschule in Berlin war wohl in der Tat für alle Zeiten
       ruiniert. Also drehte Zöllner kurz vor seinem Abgang einfach noch mal das
       ganz große Rad – und dachte sich ein komplett neues Schulsystem für Berlin
       aus: Neben dem Gymnasium sollte es nur noch die Integrierte Sekundarschule
       geben. Teils legte man dafür Real- und Hauptschulen zusammen, teils heftete
       man auch einfach ein neues Schild ans Schultor ehemaliger Hauptschulen.
       
       Die Hoffnung: Indem man stärkere mit schwächeren Schülern mischt und
       theoretisch jedem den Weg zum Abitur öffnet, sollte die Herkunft weniger
       stark darüber entscheiden, auf welcher (Reste-)Schule man landet.
       
       ## „Verbundlösungen“ liegen im Trend
       
       Doch man baute einen Haken ein, der die Reform von Anfang an zum Scheitern
       verurteilt hat. Denn während die ehemaligen Gesamtschulen meist eine eigene
       Oberstufe am Standort haben, ist das insbesondere bei ehemaligen
       Hauptschulen nicht der Fall. Zwar kooperieren Letztere dann mit den
       beruflichen Gymnasien in der Stadt – deswegen die theoretische
       (Fach-)Abi-Chance für jedermann.
       
       Doch solange bildungsbewusste Eltern die Wahl haben, wählen sie. Und sie
       entscheiden sich, das hat die Studie gezeigt, selbstverständlich für die
       Schulen, die mit einer eigenen Oberstufe aufwarten können. Merke: Wenn es
       um die Bildungschancen des eigenen Kindes geht, sind Eltern nicht besonders
       offen für Experimente.
       
       Was also tun? Seit 2014 können sich Sekundarschulen ohne eigene Abi-Option
       am Standort zusammentun und gemeinsam eine Oberstufe aufbauen. Sechs
       solcher „Verbundlösungen“ sind seither entstanden – und, oh Wunder, die
       Schulen berichten über eine völlig neue Schülerklientel. Scheeres will
       diese Entwicklung nun stärker von oben steuern, sagte sie am Mittwoch. Eine
       wichtige Stellschraube, die entscheidende. Die Erkenntnis kommt spät.
       
       18 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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