# taz.de -- Fake News per Gesetz: Das Propagandaministerium
       
       > Ein AKP-Gesetzentwurf will der „ausländischen Desinformation“ den Kampf
       > erklären. Damit werden Desinformationen der Regierungsseite etabliert.
       
 (IMG) Bild: Auch kritische Berichte im Ausland sollen nun „bekämpft“ werden.
       
       Laut der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Anadolu bereitet der
       AKP-Abgeordnete Metin Külünk einen [1][Gesetzentwurf] zum „Kampf gegen
       ausländische Propaganda und Desinformation“ vor. Der Vorlage zufolge sollen
       betroffene Stellen wie Geheimdienst, Außen- und Verteidigungsministerium
       eine Kommission bilden, um „nicht der Wahrheit entsprechende, die
       Interessen der nationalen Sicherheit der Türkei bedrohenden Berichte im
       Ausland“ zu verfolgen und zu bekämpfen.
       
       Der Titel der Vorlage mag neu sein, Methode und Urheber sind es nicht. Im
       Dezember 2016 war [2][herausgekommen], dass die dem Amt des
       Ministerpräsidenten unterstellte Religionsbehörde Diyanet an türkische
       Imame in 38 Ländern Weisungen geschickt und nachrichtendienstliche
       Informationen gesammelt hatte.
       
       Der Bericht enthielt Fotos von Personen innerhalb der Gemeinden, denen Nähe
       zu Fethullah Gülen unterstellt wird, sowie Einzelheiten über die Häufigkeit
       ihrer Gebetsteilnahme und zu ihren kommerziellen Tätigkeiten außerhalb der
       Moschee. Auf diesen Skandal hin war der Vorsitzende der Diyanet-Stiftung in
       [3][Holland], Yusuf Acar, in die Türkei zurückgerufen worden. In
       Deutschland wurden Ermittlungen gegen die DITIB eingeleitet.
       
       ## Vorwürfe: Gülenisten, Terroristen, Erdoğan-Beleidiger
       
       Monate vor dem DITIB-Skandal hatte im August 2016 eine andere dem Amt des
       Ministerpräsidenten unterstellte Institution, das „Generaldirektorat Presse
       Publikation Information“ (BYEGM), untersucht, wie Fethullah Gülen in
       Tausenden Berichten in der ausländischen Presse [4][dargestellt wird]. Die
       Studie tadelte Berichte, die Gülen als „Prediger“ und „Erdoğans ehemaligen
       Verbündeten“ darstellten, und kritisierte, dass er nicht als
       „terroristischer Rädelsführer“ und die Bewegung nicht als
       „Fethullah-Gülen-Terror-Organisation“ bezeichnet wurde.
       
       Im April 2016 hatte das türkische Konsulat in Rotterdam türkische Vereine
       in den Niederlanden per Mail dazu aufgefordert, Erdoğan-Beleidiger zu
       melden. Zwar behauptete das Konsulat später, die Aufforderung hätte zu
       Missverständnissen geführt, doch nur drei Tage darauf wurde die
       niederländische Kolumnistin [5][Ebru Umar], die Erdoğan kritisiert hatte,
       während ihres Türkei-Urlaubs festgenommen.
       
       Der Vorwurf an die ausländische Presse lautete also, sie halte sich nicht
       an die Sprachregelung der Regierung. Dieselbe Geisteshaltung herrscht im
       „Amt für Pressewerbung“ (BIK), das für die Verteilung staatlicher
       Werbeanzeigen verantwortlich ist – eine der Haupteinnahmequellen für die
       Lokalpresse in der Türkei. Eine [6][Neuregelung] in einer [7][Direktive des
       BIK] nach dem Putschversuch verwehrt gleich allen Zeitungen, gegen die mit
       dem Vorwurf „Terrorismuspropaganda“ ein Verfahren läuft, das Recht,
       Anzeigen zu drucken.
       
       ## Korruption? Wir doch nicht!
       
       Der Gesetzentwurf ist per se ein doublethink. Hinter der Formulierung
       „Kampf gegen ausländische Propaganda und Desinformation“ steckt vielmehr
       die Absicht, Desinformationen der Regierungsseite zu etablieren und dafür
       zu sorgen, dass ausländische Quellen die Regierungspropaganda nicht
       konterkarieren. Das hatte der Abgeordnete Külünk, Urheber der Vorlage,
       bereits 2014 angestoßen.
       
       Am 17. Dezember 2013 waren bei Razzien wegen der Korruptionsaffäre in
       Häusern regierungsnaher Geschäftsleute mehrere Millionen US-Dollar
       Schwarzgeld gefunden und 26 Personen verhaftet worden, darunter die Söhne
       von drei Ministern. Besondere Aufmerksamkeit erregten Gespräche zwischen
       dem damaligen Premier Erdoğan und seinem Sohn Bilal zum Thema
       „[8][Beseitigung]“. In den Mitschnitten von fünf Gesprächen seit dem Morgen
       des 17. Dezember gab Erdoğan Anweisung, zu Hause aufbewahrte Gelder auf
       andere Orte zu verteilen und so beiseite zu schaffen.
       
       ## Behauptete Fälschungen, gefälschte Beweise
       
       Erdoğan behauptete, die Mitschnitte seien montierte und synchronisierte
       Fälschungen, doch zahlreiche Tontechniker [9][dementierten], dass die
       Bänder manipuliert worden seien. In der regierungsnahen Presse stand damals
       vielfach der Vorwurf, die Bänder seien gefälscht.
       
       Das durch RedHack an die Öffentlichkeit gebrachte [10][E-Mail-Archiv] von
       Energieminister Berat Albayrak enthält Informationen, dass hinter diesen
       Behauptungen Metin Külünk steckte, der in der AKP stellvertretend für
       Außenbeziehungen zuständig ist. Külünk hatte bei zwei gewöhnlichen
       Tonstudios in New York schriftliche Bewertungen der Bänder [11][einholen
       lassen] und diese an Berat Albayrak geschickt, der zu dieser Zeit der
       regierungsnahen Sabah-ATV-Gruppe vorstand.
       
       Diese Bewertungen wurden in der regierungsnahen Presse als sogenanntes
       Gerichtsgutachten „weltberühmter“ Tontechniker lanciert. Der
       [12][Desinformationstext], den Külünk Albayrak übermittelte, wurde von der
       Zeitung Sabah als Bericht [13][gedruckt], ohne auch nur die
       Rechtschreibfehler darin zu korrigieren.
       
       ## Lobbyorganisationen als PR-Agenturen
       
       Als der Fall in den USA bekannt wurde, erklärten die [14][Tonstudios] und
       ihre [15][Angestellten], sie seien keine Gerichtsgutachter. Außerdem seien
       sie von der Person, die die Mitschnitten hatte untersuchen lassen,
       getäuscht worden. Bei der Person, die am 26. Februar 2014 die schriftlichen
       Bewertungen von den Studios eingeholt und an Metin Külünk weitergeleitet
       hatte, handelt es sich um Murat Berk, den Vorsitzenden der „Turkish
       American Cultural Society“ (TASC), einer Lobbygruppe türkischer Migranten
       in den USA.
       
       Auf Anfrage teilte Murat Berk mit, die Bewertungen der Mitschnitte als
       gewöhnlicher Bürger eingeholt zu haben. Allerdings [16][bekleidet] er seit
       2014 den Posten des AKP-Auslandswahlkoordinators USA.
       
       ## Fakenews produzieren, Minister werden!
       
       In den Folgewochen wurden seriöse Gerichtsgutachten [17][veröffentlicht,]
       die verneinten, dass es sich bei den Mitschnitten um Montagen handele.
       Solange der Geheimdienst, der die Bänder konfisziert hat, diese nicht
       preisgibt, verfolgen die Berater der AKP weiterhin die Strategie, die
       Mitschnitte als Montagen zu propagieren. Regierungsnahe Medien verbreiten
       ihre Version. Auf diese Weise verlieren die in der Korruptionsaffäre als
       Beweismittel angeführten [18][Mitschnitte] ihre Wirksamkeit.
       
       Es erscheint wie ein Witz, dass derselbe Külünk, der gefakte Stellungnahmen
       für eine Presse einholt, die zu einem großen Teil Albayrak gehört, sich für
       ein Gesetz im „Kampf gegen Falschmeldungen“ einsetzt und zum Minister
       erhoben wird. Aber die Geschichte ist wahr, genauso wie das
       Propagandaministerium, das Journalist*innen verhaften lässt, die echte
       Nachrichten produzieren.
       
       Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe.
       
       3 Mar 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://aa.com.tr/tr/politika/kulunkten-yabanci-propaganda-ve-dezenformasyonla-mucadele-teklifi/737900
 (DIR) [2] http://www.cumhuriyet.com.tr/haber/turkiye/641909/Diyanet_MiT_gibi.html#
 (DIR) [3] http://www.bbc.com/turkce/haberler-turkiye-38397994
 (DIR) [4] http://www.turkiyegazetesi.com.tr/dunya/394409.aspx
 (DIR) [5] http://www.bbc.com/turkce/haberler/2016/04/160424_ebru_umar_hollanda_gozalti
 (DIR) [6] http://www.bik.gov.tr/resmi-ilan-ve-reklamlar-ile-bunlari-yayinlayacak-sureli-yayinlar-yonetmeligi-resmi-gazetede-yayimlandi/
 (DIR) [7] http://www.bik.gov.tr/basin-hayati-38/
 (DIR) [8] https://www.youtube.com/watch?v=Cvf4aeRLu0E
 (DIR) [9] http://bianet.org/bianet/siyaset/153755-ses-kayitlarinin-dogrulugu-nasil-olculur
 (DIR) [10] https://wikileaks.org/berats-box/
 (DIR) [11] https://wikileaks.org/berats-box/emailid/2882
 (DIR) [12] https://wikileaks.org/berats-box/emailid/54501
 (DIR) [13] http://web.archive.org/web/20170201020638/http://www.sabah.com.tr/gundem/2014/02/27/ses-kaydi-degistirilmis-veya-montajlanmis
 (DIR) [14] https://www.facebook.com/john.cheary/posts/10152027431618995
 (DIR) [15] https://www.facebook.com/robin.lai.988/posts/1375459062727315
 (DIR) [16] http://aa.com.tr/tr/dunya/ak-parti-nin-secim-basarisi-times-meydani-nda-kutlandi/461213
 (DIR) [17] http://www.diken.com.tr/paralari-sifirlama-kaydi-gercek-amatorce-ve-hobi-duzeyinde-hazirlanmis/
 (DIR) [18] http://www.hurriyet.com.tr/tapeler-uygun-27599014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Efe Kerem Sözeri
       
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