# taz.de -- Hakan Şükür als politisches Opfer: Der verfemte König
       
       > Erst war er ein Volksheld, jetzt wurde Hakan Şükür von Galatasaray
       > Istanbul verstoßen. Dahinter stecken politische Machenschaften der AKP.
       
 (IMG) Bild: Einer der erfolgreichsten Fußballer der Türkei: Hakan Şükür
       
       Am vergangenen Samstag schloss der hochverschuldete Sportverein Galatasaray
       Istanbul auf einer Mitgliederversammlung 2.700 Mitglieder aus, die seit
       sechs Jahren ihre Jahresbeiträge nicht bezahlt hatten. Auch andere
       Mitglieder wurden auf dieser Versammlung ausgeschlossen, weil sie
       Verbindungen zu der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen haben sollen,
       die die AKP-Regierung und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für den
       gescheiterten Putschversuch im vergangenen Juli verantwortlich machen.
       
       Aus dem Galatasaray Spor Kulübü wurden so bekannte Persönlichkeiten
       verbannt wie der inhaftierte ehemalige Gouverneur von Istanbul, Hüseyin
       Avni Mutlu, oder der ehemalige Staatsanwalt Zekeriya Öz, der die
       Ergenekon-Ermittlungen und jene im Fußball-Manipulationsskandal von 2011
       geleitet hatte. Die beiden Fußballlegenden Hakan Şükür und Arif Erdem aus
       ihrem Klub zu verbannen, ging den Mitgliedern des einst an einem
       französischen Gymnasium gegründeten Klubs aber zu weit.
       
       Schließlich, so ein Mitglied bei der Aussprache, habe das Volk auch der
       Regierung, die seit 15 Jahren dieses Land regiert, die Beziehungen zur
       Gülen-Bewegung verziehen. Galatasaray bestehe aus Menschen, die sich
       grundsätzlich für den Laizismus und die säkulare Republik in der Türkei
       einsetzen, niemand könne den Klub einer Randgruppe zuordnen, nur weil zwei
       oder drei Fußballer in jungen Jahren mit einer Sekte sympathisierten.
       
       Laut Beschluss der Mitgliederversammlung vom Samstag blieben Hakan Şükür
       und Arif Erdem weiter Mitglieder des Galatasaray Spor Kulübü. Am Montag
       aber gab der Klub in zwei Zeilen auf seiner Homepage bekannt, dass den
       beiden ehemaligen Nationalspielern doch die Mitgliedschaft entzogen worden
       sei.
       
       ## Drohungen von oben
       
       Dass Sport nichts mit Politik zu tun habe, ist seit jeher ein Märchen. In
       der Türkei ist der Sport politisch. Am Sonntag drohte AKP-Sportminister
       Akif Çağatay Kılıç Galatasaray in Bezug auf die Mitgliedschaft von Şükür
       und Erdem: Das Management des Klubs müsse umgehend diesen Fehler der
       Mitgliederversammlung beheben. Auch der stellvertretende Premierminister
       Veysi Kaynak setzte in einem Interview mit dem TV-Sender CNN Türk am
       Sonntag den Galatasaray-Vorstand unter Druck.
       
       Der Klub habe Menschen ausgeschlossen, die nicht so klar der Gülen-Bewegung
       wie Hakan Şükür zuzuordnen sind. Wenn Galatasaray aber eine Symbolfigur der
       Gülen-Bewegung wie Şükür beschütze, würde sie den Klub ruinieren. Dass das
       Mitgliedervotum vom Samstag dem Vorstand am Montag nicht bindend erschien,
       macht nach den Einlassungen vom Sonntag den Einfluss der Politik auf den
       Sport deutlich. Sportminister Kılıç zeigte sich zufrieden: „Galatasaray tat
       das Richtige, weil in unseren Klubs kein Platz für jene ist, die sagen, sie
       sind mit den Verrätern der Menschen, des Landes und des Staates, und die
       aus dem Land geflohen sind.“
       
       Erst vergangene Woche versicherte der Präsident des Türkischen
       Fußballverbandes (TFF) auf einem Kongress in Istanbul dem anwesenden
       Erdoğan seine Unterstützung. Er hoffe, so der Verbandspräsident, am 17.
       April in einer Türkei aufzuwachen, die mit „Evet“ (Ja) gestimmt habe. Am
       16. April stimmen die Türken in einem Referendum über eine
       Verfassungsänderung ab, die dem Staatspräsidenten mehr Macht bringen soll.
       
       ## Politik und Sportfunktionäre spielen Doppelpass
       
       Schon beim Reinwaschen des türkischen Fußballs nach dem
       Manipulationsskandal von 2011 spielten Politik und Sportfunktionäre
       Doppelpass, Gesetze wurden geändert, Urteile kassiert und am Ende wurde
       alles als „Verschwörung“ der Bewegung des in den USA lebenden Predigers
       Gülen dargestellt, zu der eben auch Erdem und Şükür zählen. Daraus hat
       Şükür nie einen Hehl gemacht. Als Gülen und Erdoğan noch Partner waren,
       galt Şükürs Einzug ins Parlament 2011 auf dem Ticket der AKP als Symbol der
       Allianz zwischen islamisch-konservativer Regierung und der Bewegung Gülens.
       
       Hakan Şükür ist der bekannteste Fußballer der türkischen Geschichte, mit 51
       Toren in 112 Länderspielen ist er der Rekordtorschütze. Den Mittelstürmer
       Şükür nannten die Fans ehrfürchtig „Kral“ (König), im Jahr 2000 führte er
       Galatasaray zum Uefa-Cup-Gewinn – bis heute der einzige Europapokalsieg
       eines türkischen Teams. Doch der Fall vom Volksheld zum Verräter begann im
       Jahr 2013, als Şükür aus der AKP austrat.
       
       Hakan Şükür war fortan ein Verfemter, im Februar 2016 wurde er in der
       Türkei wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt. Er soll Staatspräsident
       Erdoğan und dessen Sohn Bilal via Twitter beleidigt haben. Seit dem
       Putschversuch im Juli 2016 wird Şükür in der Türkei per Haftbefehl gesucht,
       als Gülen-Anhänger soll er „Mitglied einer bewaffneten Terrororganisation“
       sein. Wie Arif Erdem hält sich Şükür wohl im Ausland auf. Seit Montag ist
       der ehemalige Volksheld nun nicht mehr Mitglied in seinem Verein
       Galatasaray.
       
       28 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schächter
       
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