# taz.de -- Gender-Marketing in Deutschland: Babynahrung mit Ballerina
       
       > Jungs Blau, Mädchen Pink – oder nicht? Am Freitag vergibt eine Jury in
       > Berlin einen Negativpreis für sexistische Werbung.
       
 (IMG) Bild: Naaa, wer wirbt hier mithilfe von Geschlechter-Stereotypen?
       
       Berlin taz | Leichtfüßig schwebt eine rosafarbene Ballerina durch ein
       rosafarbenes Kinderzimmer. „Als Mutter wissen sie, dass sie vom ersten Tag
       an die Zukunft ihres Babys mitgestalten“, säuselt eine Frauenstimme aus dem
       Off. Nächste Einstellung: Ein Vater beugt sich im Büro über Graphen und
       Zahlen, während der Sohnemann zu Hause eifrig am Rechenschieber zugange
       ist. „Die Zukunft Ihres Babys liegt in Ihren Händen.“ Ein Werbespot für
       Babynahrung aus dem Jahr 2015.
       
       Kann nicht sein, sagten sich die AutorInnen Almut Schnerring und Sascha
       Verlan („Die Rosa-Hellblau-Falle“), dass diese Zukunft für Mädchen offenbar
       immer noch das Tutu vorsieht, während die Jungs später im Büro schaffen
       sollen. Gemeinsam mit der Ex-Piraten-Politikerin Anke Domscheit-Berg riefen
       sie im vergangenen Herbst auf ihrem Blog dazu auf, Beispiele für
       sogenanntes Gender-Marketing einzureichen. Der Spot des
       Babynahrungsherstellers ist nun – neben einer pinken Puppenküche und einem
       rosafarbenen Überraschungsei „für Mädchen“ – einer von fünf Favoriten im
       Rennen um den Negativpreis „Goldener Zaunpfahl“, den die drei am
       Freitagabend in Berlin-Kreuzberg verleihen wollen.
       
       „Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie sehr die Industrie sich
       Geschlechterklischees zunutze macht – einzig mit dem Ziel, ihre Umsätze zu
       steigern“, sagt Schnerring. Die Logik der Konzerne sei so simpel wie aus
       geschlechterpolitischer Sicht verwerflich: Warum aus einem Markt für
       Spielzeug, Kosmetikprodukte oder Nahrungsmittel nicht einfach zwei machen:
       einen rosafarbenen und einen hellblauen – und dann doppelt so viel
       verkaufen?
       
       50 Vorschläge kamen seit Weihnachten zusammen. „Von der Gartenschere für
       die Dame, die einfach eine kleine Version einer normalen Schere war, bis
       zum Männer-Tee war alles dabei“, sagt Schnerring. Eine siebenköpfige Jury –
       unter anderem besetzt mit Margarete Stokowski, Spiegel-Online-Kolumnistin,
       Buchautorin und Feministin – wählte am Ende fünf Produkte aus. Das
       Kriterium: „Wir haben geschaut: Wo geht es über eine banale
       Aufmerksamkeitsmasche wie beim Männer-Tee hinaus, wo wird dem jeweiligen
       Geschlecht eine Rolle zugeschrieben?“
       
       ## Piratengeschichten und Puppenküchen
       
       Nun könnte man sagen: Was soll’s? Meine Tochter kann sich im Buchladen ja
       auch die Piratengeschichten für Jungs aussuchen und mein Sohn die rosa
       Puppenküche – der kleine Konsument und seine mündigen Eltern sind
       schließlich frei in ihrer Wahl. Aber das lässt Schnerring nicht gelten:
       „Studien haben gezeigt, dass Kinder das Spielzeug wählen, von dem sie
       begreifen: Das ist für mich vorgesehen.“
       
       Das Gegenargument der Hersteller lautet oft: Wir bilden doch bloß die
       Wünsche unserer Kunden ab. „Pink und Ponyhof“, schreibt Ferrero über sein
       rosa Ü-Ei, sei Mädchen nun mal „genauso wichtig wie Fußball und
       Frauenpower.“
       
       Mag sein. Allerdings ist das mit der Frauenpower später so eine Sache, wie
       einschlägige Statistiken immer wieder zeigen. Beispiel Elterngeld: Zwar
       steigt der Anteil der Väter, die Elterngeld beziehen, seit Jahren – zuletzt
       lag er laut Statistischem Bundesamt bei 35,7 Prozent für die im zweiten
       Quartal 2015 geborenen Kinder. Doch während 70 Prozent der Väter lediglich
       das Minimum von zwei Monaten beantragen, bleiben 76 Prozent der Mütter für
       zehn bis zwölf Monate zu Hause. Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist
       also immer noch weitestgehend Frauensache, die Männer gehen arbeiten. Dass
       Frauen im Schnitt gut drei Monate länger arbeiten müssen, um auf das
       gleiche Gehalt wie Männer zu kommen, und dass es mit den Frauen in den
       DAX-Unternehmen trotz Quotenregelung auch nicht so recht vorangeht, das ist
       bekannt – 76 Prozent der Vorstände etwa sind noch immer rein männlich
       besetzt.
       
       Schnerring und Verlan touren regelmäßig durch Kitas und Schulen, um
       ErzieherInnen, Lehrkräfte und Kinder für Geschlechterklischees zu
       sensibilisieren. Gerne zeigen sie dann auch den Ballerina-Spot des
       Babynahrungsherstellers – und die meisten, sagt Schnerring, zuckten
       zunächst meist ratlos mit den Schultern: „Die erkennen die zugrunde
       liegende Geschlechterproblematik erst einmal gar nicht.“ Der Wink mit dem
       goldenen Zaunpfahl – er ist offenbar nötig.
       
       2 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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