# taz.de -- Beate Zschäpes Leben in der Haft: „Ich werde immer zu dir stehen“
       
       > Volleyball und Basteln: Im NSU-Prozess schildert die JVA-Vizeleiterin
       > Zschäpes Alltag. Die hat ein Problem mehr – wegen eines treuen Spenders.
       
 (IMG) Bild: Graue Maus oder „kleine Königin“?
       
       MÜNCHEN taz | Seit vier Jahren sitzt Beate Zschäpe in der JVA Stadelheim
       in U-Haft, ein roter Betonbau am Südrand Münchens. Zuvor schon war sie
       anderthalb Jahre in Köln inhaftiert. Wie aber tritt die 42-Jährige im
       Gefängnis auf? Wie gibt sie sich im Alltag, außerhalb der Dauerbeobachtung
       im Münchner NSU-Prozess? Der Öffentlichkeit blieb das bisher weitgehend
       verborgen. Bis Mittwoch.
       
       Da sagte vor dem Oberlandesgericht Mariona Hauck aus. Die 46-Jährige ist
       Leiterin der Frauenabteilung der JVA Stadelheim. Der Druck, die Aufsicht
       über Deutschlands prominenteste Gefangene zu haben, ist ihr anzumerken:
       Hauck wirkt nervös, nur knapp beantwortet sie die Fragen des Gerichts.
       Erstmals aber im NSU-Prozess gewährt sie Eindrücke über Zschäpes Haftleben.
       
       Niemand bei ihr sei derzeit länger in U-Haft, berichtet Hauck. Zschäpe habe
       deshalb schon „eine gewisse Prominenz“. Dennoch: „Ihre vollzugliche
       Führung ist unauffällig.“ Zschäpe bewohne eine Einzelzelle: Bett, Tisch,
       Schrank, eine abgetrennte Toilette. Sie trete „freundlich, korrekt,
       höflich“ auf, pflege Kontakte zu Gefangenen „mit ganz unterschiedlichem
       Hintergrund“. Zschäpe bastele und zeichne gern, spiele oft Volleyball im
       Hof.
       
       Konflikte mit Mitinhaftierten seien ihr nicht bekannt, sagt Hauck. Nur
       einmal habe eine Gefangene vor Zschäpe ausgespuckt – diese sei dann im Haus
       verlegt worden. Zschäpe selbst habe man lediglich zweimal auffordern
       müssen, persönliche Dinge aus ihrer Zelle zu schaffen, „um die
       Übersichtlichkeit zu wahren“. Man habe das „einvernehmlich“ geklärt.
       
       ## Rechtsextremer Verehrer Enrico K.
       
       Auf Nachfragen berichtet Hauck indes auch von regelmäßigen
       Geldüberweisungen an Zschäpe. „Mal 100 Euro, mal 200 Euro.“ Neben
       Angehörigen sei einer der Dauerspender ein Enrico K. Im Prozesssaal wird
       nun aufgehorcht. Denn glaubt man K.s Onlineauftritten, ist dieser ein
       Mittfünfziger, früher in Sachsen, heute in München beschäftigt – und
       rechtsextremer Verehrer Zschäpes.
       
       K.s Facebook-Profil ist übersät mit Fotos der Angeklagten. „Freiheit für
       Bea!“, heißt es dort. „Ich werde immer zu dir stehen, Beate.“ K. selbst
       bezeichnet sich als „treuen Freund“ Zschäpes. Neben einem Foto von ihr
       relativiert er die NSU-Mordserie: „Aktiver Widerstand ist kein
       Terrorismus.“ Dazu präsentiert sich K. als Sympathisant rechtsextremer
       Gruppierungen, preist ein Lied der Szeneband Landser.
       
       Noch in der Verhandlung verweisen Opferanwälte auf diese Profile. „Wenn
       sich Frau Zschäpe von so jemanden alimentieren lässt, kann man getrost
       alles vergessen, was sie über ihre Abkehr von der rechten Szene behauptet
       hat“, sagt Thomas Bliwier, Anwalt der Familie des Kasseler NSU-Opfers Halit
       Yozgat.
       
       Zuletzt im September 2016 hatte Zschäpe im Prozess beteuert, sie hege
       „keine Sympathien für nationalistisches Gedankengut mehr“. Parallel aber
       nimmt sie Spenden eines Neonazis entgegen? Zschäpes Verteidiger Mathias
       Grasel will dazu am Mittwoch nichts sagen. Auch Enrico K. schweigt auf
       Nachfrage der taz.
       
       Und Zschäpe? Sie lässt sich im Prozesssaal nichts anmerken, verfolgt die
       Diskussion aber äußerst aufmerksam, wie auch sonst den ganzen Prozesstag.
       Nach taz-Informationen stellte Enrico K. bereits im Sommer 2015 einen
       Antrag bei der JVA Stadelheim, Zschäpe besuchen zu dürfen. Diese aber
       lehnte ab. K.s Spenden indes nahm Zschäpe offenbar weiter an.
       
       ## „Wie eine kleine Königin“
       
       Die Schilderungen von JVA-Vizeleiterin Hauck decken sich nur teilweise mit
       dem, was Mitinhaftierte bisher Medien erzählten. „Wie eine kleine Königin“
       schilderten sie Zschäpe in der JVA. Diese gebe den Ton an, manipuliere
       Mitgefangene und habe einen „Fanclub“ aufgebaut. Es ist auch das Bild der
       Anklage: Als durchsetzungsfähig und selbstbestimmt wird Zschäpe dort
       geschildert. Sie sei ein gleichberechtigtes NSU-Mitglied gewesen, voll
       mitverantwortlich für die zehn Morde, zwei Anschläge und 15 Überfälle.
       
       Richter Manfred Götzl hatte Hauck erst tags zuvor geladen. Vorausgegangen
       war ein Scharmützel mit Zschäpes Verteidigern. Die gehen seit Wochen den
       Psychiater Henning Saß an, der im Januar ein harsches Gutachten über
       Zschäpe vorlegte. Voll schuldfähig sei die Angeklagte, befand Saß. Ihre
       Einlassung, sie habe von den NSU-Taten stets erst im Nachhinein erfahren,
       sei wenig glaubwürdig, Empathie mit den Opfern nicht erkennbar. Saß’
       Gutachten ebnet den Weg zur Höchststrafe für Zschäpe: lebenslange Haft,
       womöglich mit Sicherungsverwahrung.
       
       Zschäpes Verteidiger halten dagegen: Nur aus Liebe zu ihrem Freund Uwe
       Böhnhardt sei Zschäpe mit in den Untergrund gegangen, die NSU-Taten
       verurteile sie bis heute. Als einen Nachweis der harmlosen Rolle Zschäpes
       kündigten die Anwälte eine Ladung einer Vollzugsbeamtin der JVA Stadelheim
       an. Indes: Ein konkreter Antrag folgte nicht. Götzl lud darauf kurzerhand
       selbst Hauck vor.
       
       ## Gutachter Saß bleibt bei seiner Einschätzung
       
       Am Nachmittag äußert sich auch Gutachter Saß zu Hauck. Deren Schilderungen
       über Zschäpe seien „nichts, was überrascht“. Schließlich habe die
       Angeklagte ja auch schon in den Jahren des Untergrunds „gute Fähigkeiten
       von Camouflage“ bewiesen und den Eindruck einer normalen Wohngemeinschaft
       aufrechterhalten. Eine Abkehr von ihren rechtsextremen Einstellungen sei
       durch ihr Haftverhalten nicht zu begründen, sagt Saß. Er bleibe bei seiner
       Einschätzung. Kurz danach wird Saß’ Befragung als Gutachter abgeschlossen.
       Es ist das Ende eines wochenlanges Gezerres – ein vorläufiges. Denn
       Zschäpes Verteidiger legen umgehend Einspruch gegen die „Verwertbarkeit“
       von Saß’ Aussagen ein. Zuletzt schon brachten sie einen Gegengutachter ins
       Spiel: den Freiburger Psychiater Joachim Bauer.
       
       Mit Saß hatte sich Zschäpe bis zum Schluss geweigert zu sprechen. Dieser
       musste sein Gutachten deshalb aus Akten und seinen Beobachtungen der
       Angeklagten an Dutzenden Prozesstagen erstellen. Von Bauer aber,
       schrieben die Zschäpe-Verteidiger dem Gericht, werde sich Zschäpe
       „gegebenenfalls explorieren lassen“.
       
       Bauer selbst äußert sich dazu nicht, es gelte die ärztliche
       Schweigepflicht. Nach taz-Informationen hat Götzl ihm aber bereits eine
       „Dauerbesuchserlaubnis“ bei Zschäpe genehmigt. Bauers Gespräche könnten
       einige Zeit in Anspruch nehmen, der Prozess würde sich erneut verzögern.
       Klar ist aber auch: Henning Saß gilt als Koryphäe seines Fachs. Sein
       Gutachten zu erschüttern, wird nicht leicht.
       
       22 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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