# taz.de -- Serie zur Alt-Right-Bewegung (2/3): „Trump ist nicht mein Kandidat“
       
       > Das Thema Identität ist zentral bei den US-Nazis. Mit aggressiv betonter
       > „Weißheit“ und Antisemitismus reüssieren sie auch auf globaler Ebene.
       
 (IMG) Bild: Ein Mitglied des Ku Klux Klan Kentucky bei einer Demo gegen die Abschaffung der Südstaatenflagge in South Carolina, Sommer 2016.
       
       Oktober 2015. Erste politische Beobachter halten es für möglich, dass Trump
       Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden könnte. Am Tag nach dem
       Meeting des ultrarechten Onlinenetzwerks Stormfront am Lake Tansi in
       Tennessee lädt David Duke zu einem Ausflug in die nahen Great Smokey
       Mountains. Während wir im Nebel steil bergauf steigen, werde ich Zeuge
       Dukes anthropologischer Theorien: „Unsere Vorfahren lebten mitten in den
       Wäldern und aßen Würmer. Dann kamen die Juden und haben das Fast Food
       erfunden.“
       
       Die ganze Truppe hört gebannt zu. Was fasziniert die Leute an so einem
       Dreck? Ein Paar gesellt sich zu mir, sie haben erfahren, dass ich Deutsch
       spreche, und wollen mich kennenlernen. Schon am Tag zuvor sind sie mir
       aufgefallen, sie schienen nicht ganz so primitiv zu sein wie die anderen,
       keine Schimpfwörter, keine rassistischen Beleidigungen. Was haben sie hier
       zu suchen, bei diesem Haufen gewalttätiger Idioten? „Wir sind hier, weil
       wir Deutsche sind“, sagt der Mann, der tatsächlich „Ehemann“ heißt, es aber
       wie „Hey-man“ ausspricht. Und kein Wort Deutsch spricht.
       
       Das Thema Identität ist zentral bei den US-Nazis. Und die aggressiv betonte
       „Weißheit“ und der mörderische Antisemitismus sind Elemente, mit denen sie
       auch auf globaler Ebene reüssieren.
       
       Die russische NGO Sowa-Zentrum hat Dokumente veröffentlicht, die die
       Gründung der Geheimorganisation World National-Conservative Movement (WNCM
       ) 2015 in Moskau belegen, der mehr als 70 Parteien, Bewegungen und Vereine
       beigetreten sind, darunter die NPD, Forza Nuova (Italien), Chrysi Avgi
       (Goldene Morgenröte, Griechenland), Jobbik (Ungarn) und Die
       Russlanddeutschen Konservativen.
       
       Im Vorstand des WNCM dominiert die Alliance for Freedom and Peace (AFP),
       die im EU-Parlament Putins Russland unterstützt, gegen die Nato und für das
       Assad-Regime eintritt und die Auflösung der EU fordert. Die AFP versammelt
       in ihren Reihen Gruppierungen wie Flanders Identitists (Belgien),
       Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit (DSSS, Tschechien), Danskernes
       Parti (Dänemark), NPD, Goldene Morgenröte, Forza Nuova (Italien), Kotleba –
       Volkspartei Unsere Slowakei, Democracia Nacional (Spanien) und British
       Unity Party.
       
       ## Draußen Sizilien-Flagge, drinnen Italien-Kitsch
       
       Oktober 2016, der Endspurt im Wahlkampf läuft. Am Union Square mitten in
       Manhattan nehme ich die Subway M Richtung Coney Island. Ich steige Ocean
       Parkway aus und gehe auf der Avenue U bis zum Restaurant Tre Fontane. Die
       Flagge Siziliens weht über der Eingangstür, drinnen hängt Italien-Kitsch an
       den Wänden. Mich erwarten Frank und Georgeos. Frank habe ich via
       Stormfrontkennengelernt, er ist Italoamerikaner, administriert die Seite
       von Forza Nuova in den USA und ist auf dem Sprung nach Rom für einen
       Kongress der Alliance for Freedom and Peace.
       
       Und er ist aufgeregt, weil der AFP-Vorsitzende Roberto Fiore persönlich ihn
       gebeten hat, offizieller Repräsentant der Partei in den USA zu werden.
       Roberto Fiore (geboren 1959) ist einer der führenden Köpfe des
       italienischen Neofaschismus. Weil er in Italien wegen Beteiligung am
       neofaschistischen Attentat von Bologna 1980 gesucht wurde, setzte er sich
       nach London ab. 2000 konnte er aufgrund einer Amnestie nach Italien
       zurückkehren und gründete dort Forza Nuova.
       
       Auch Georgeos, der ein schwarzes T-Shirt mit dem Symbol der Goldenen
       Morgenröte trägt, hat Freunde in London: „Eines Tages klingelt mein Handy,
       Nummer unterdrückt. Ich gehe ran, ‚Hi, hier ist Nick Griffin, ich bin Chef
       der British National Party.‘ Aber ich glaube ihm kein Wort und lege einfach
       auf.“ Georgeos ist ein aggressiver Typ, halb Grieche, halb Italoamerikaner,
       und er ist der Sprecher der Goldenen Morgenröte in den USA. Nick Griffin,
       der von 2009 bis 2014 im EU-Parlament saß, wollte über ihn Kontakt zu den
       griechischen Nazis aufnehmen. Da war er bei Georgeos richtig, denn der
       sammelt von Queens aus nicht nur Geld für die Kameraden ein, sondern ist
       auch der Kontaktmann zu den White Supremacists, unter ihnen Matthew
       Heimbach, Leader der Traditionalist Worker Party.
       
       „Klar kenne ich Matthew, wir waren zusammen in der alten Heimat, die
       griechischen Mamas nannten ihn immer ‚das gute Söhnchen‘, weil er sich vor
       jedem Essen bekreuzigte.
       
       ## Bekannt durch Gewalt
       
       Matthew Heimbach wurde einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als er am 1.
       März 2016 bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps eine afroamerikanische
       Frau verprügelte, die gegen Trump protestierte. Ihn sah ich zum ersten Mal
       während der republikanischen Convention im Juli 2016 in Cleveland, Ohio.
       Die Polizei hatte eine Warnung an Rechtsextremisten herausgegeben, sich von
       Cleveland fernzuhalten. Nur ein paar Nazis hatten sich darüber
       hinweggesetzt, der immer elegant gekleidete Richard Spencer vom National
       Policy Institute etwa hielt ein Plakat hoch: „Ich bin ein Rassist. Wollen
       Sie mich interviewen?“ Und eben Heimbach, der mit einigen seiner Kameraden
       durch die Innenstadt streifte, auf der Jagd nach Gegendemonstranten.
       
       Eine Woche später sah ich Heimbach wieder, in Chattanooga, Tennessee.
       Dorthin hatte Rick Tyler geladen, Expastor der Christian Identity Church,
       der sich als unabhängiger Kandidat für den US-Kongress mit dem Slogan
       bewarb: „Make America White Again“.
       
       Bei Heimbach, der Rick Tyler unterstützte, war Jeff Schoep, 43, der sich
       als Oberbefehlshaber des National Socialist Movement bezeichnet. In
       Chattanooga wurde an diesem Tag die Aryan Nationalist Alliance
       präsentiert, eine Allianz von 22 rechtsextremistischen Gruppen. Schoep und
       Heimbach verbindet ideologisch auf den ersten Blick nicht allzu viel.
       Schoep kommt aus dem National Socialist American Workers Freedom
       Movement, Nachfolgeorganisation der American Nazi Party George Lincoln
       Rockwells.
       
       Er kam 1994 an die Spitze der Bewegung, gab ihr den Namen und verjüngte
       sie, nicht zuletzt durch die Produktion von Nazi-Rock-Alben. Die Vorliebe
       für Nazikostümierung ist geblieben. Matthew Heimbach, 26, ist das
       gemütliche Gesicht der US-Nazis. Er wirkt proper und gutmütig mit seiner
       randlosen Streberbrille, war nach der Uni lange in Europa, mit Stationen
       bei der NPD, der Goldenen Morgenröte und der tschechischen Arbeiterpartei.
       
       Matthew Heimbach hat die Begabung, die schrecklichsten Dinge mit einem
       engelsgleichen Lächeln zu sagen: „Wir orientieren uns am europäischen
       Modell“, sagt er, während wir in einer Country-Bar in Ocoee, nahe
       Chattanooga, ein Bier trinken. „Ich bewundere Mussolini wirklich sehr, aber
       unser Nationalismus kann nur ethnisch definiert sein.“ Jeff und Matthew
       wissen beide, dass Trump nie ganz ihr Mann sein wird, seine Tochter Ivanka
       ist zum Judentum konvertiert, ihr Ehemann ist orthodoxer Jude. „Trump ist
       nicht mein Kandidat“, betont Heimbach. „Trump ist ein Nationalist – er ist
       kein weißer Nationalist. Aber wenn er und seine Leute ein so konservatives
       Programm haben durchsetzen können, dann sind wir der logische nächste
       Schritt, oder?“
       
       Am 21. Juli 2016 wird Trump als republikanischer Präsidentschaftskandidat
       nominiert. Am Tag danach verkündet Ex-Ku-Klux-Klan-Leader David Duke seine
       Kandidatur für den Senat Louisianas. In Baton Rouge hat er einen Saal
       voller neugieriger Pressevertreter vor sich. „Damit das klar ist: Ich muss
       mich für meine Vergangenheit nicht entschuldigen. Was gerade passiert,
       zeigt es mir und zeigt es euch: Ich war schon immer auf der richtigen Seite
       der Geschichte.“ Aber persönlich begegnet sind sich David Duke und Donald
       Trump nie.
       
       Aus dem Italienischen von Ambros Waibel
       
       Lesen Sie [1][hier Teil 1] der Serie über die Alt-Right-Bewegung.
       
       18 Feb 2017
       
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