# taz.de -- Gesetz ermöglicht Bildung für Papierlose: „Alle Kinder haben Recht auf Schule“
       
       > Auch Kinder, deren Eltern nicht offiziell gemeldet sind, sollten zur
       > Schule gehen können, sagt Erziehungswissenschaftlerin Yasemin
       > Karakaşoğlu.
       
 (IMG) Bild: Schulen sollen Kindern das Lernen im Klassenzimmer ermöglichen
       
       taz: Frau Karakașoğlu, ab wann gilt die Schulpflicht für geflüchtete
       Kinder? 
       
       Yasemin Karakașoğlu: Im Grunde ab dem ersten Tag ihres Aufenthalts haben
       sie ein Recht auf Schulbesuch. Das geht aus Artikel 28 der
       UN-Kinderrechtskonvention hervor, die die Bundesrepublik 2010 ratifiziert
       hat. Je nach Bundesland gibt es nach drei bis sechs Monaten auch eine
       Schulpflicht für Kinder von sechs bis 16 Jahren, der sich die
       Berufsschulpflicht bis zum 18. Lebensjahr anschließt. Das heißt, dann
       müssen sie zur Schule gehen. Dafür müssen Eltern und der Staat sorgen.
       
       Dieses Recht auf Schule gilt auch für Kinder, deren Eltern nicht offiziell
       gemeldet sind? 
       
       Ja. Auch diese Kinder haben einen Rechtsanspruch auf Schule und sollten
       ohne Angst vor Aufdeckung zur Schule gehen können. Die Eltern wollen dann
       nicht gegenüber den Behörden in Erscheinung treten. Es gilt: in dem Moment,
       wo jemand nachfragt: „Nehmt ihr das Kind auf?“, sollte die Antwort auf
       jeden Fall „Ja“ lauten, auch wenn sich die Schule erst mal erkundigen muss,
       wie sie das konkret machen kann. Leider gibt es hier große Wissenslücken.
       
       Sie haben dazu im Sommer 2015 die Studie „Es darf nicht an Papieren
       scheitern“ gemacht. 
       
       Wir haben von Mai bis Juli 2015 eine telefonische Umfrage in 100
       Grundschulen in allen Bundesländern durchgeführt und gefragt, ob Kinder
       ohne Meldebestätigung in der Schule angemeldet werden können. In einem
       Fallbeispiel wurde deutlich gemacht, dass ein Kind ohne Kenntnis der
       Ausländerbehörde, also „illegal“, im Land lebt. An 62 Schulen wurde kein
       Weg dafür aufgezeigt. Menschlich gesehen würden sie es gern, aber rechtlich
       dürfen sie es nicht, hat zum Beispiel eine Schulsekretärin geantwortet.
       
       Und wie ist die tatsächliche rechtliche Lage? 
       
       Schulen dürfen keine Informationen über den aufenthaltsrechtlichen Status
       von Kindern an die Ausländerbehörde weiterleiten. Dafür wurde 2011 extra
       der Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes geändert. Es heißt dort,
       öffentliche Stellen sollen Informationen über irregulären Aufenthalt
       übermitteln, „mit Ausnahme von Schulen sowie Bildungs- und
       Erziehungseinrichtungen“.
       
       Vielleicht befürchten die Schulen, sie bekämen vom Staat kein Geld und
       keine Lehrerstunden für diese Kinder? 
       
       Die Sorge ist unbegründet. Schulen bekommen das Geld für die Kinderzahl,
       die sie aufnehmen und der Schulbehörde melden. Auch die Schulbehörde darf
       der Ausländerbehörde keine Auskunft geben. Nur darüber gibt es erhebliche
       Wissenslücken, nicht nur bei SchulsekretärInnen, auch bei SchulleiterInnen
       und Behörden.
       
       Wie war die Resonanz auf Ihre Studie? 
       
       Die GEW hat die Ergebnisse der Studie mit unseren praktischen
       Handlungsempfehlungen sehr breit zum Beispiel über einen Flyer bekannt
       gemacht. Es gab auch Entrüstung darüber auf Ebene der Ministerien und
       Verwaltung. Wir würden uns mit einem marginalen Thema aufhalten.
       
       Es gibt doch viele Familien, die ausreisen müssen und von Abschiebung
       bedroht sind? 
       
       Ich denke auch, es werden mehr Familien vor den Behörden abtauchen. Umso
       wichtiger, dass die Kinder weiter zur Schule gehen.
       
       Wenn ein Kind bis zum Schulabschluss bleibt, ist der dann genauso gültig? 
       
       Jeder Abschluss, der an einer staatlich anerkannten Schule in Deutschland
       gemacht wird, ist gültig, unabhängig vom Aufenthaltsstatus der Person. Ein
       Schulabschluss gilt auch als Indiz für gelungene Integration und wird bei
       Entscheidungen zum Beispiel in Bremen über einen sicheren Aufenthalt
       positiv gewertet.
       
       Was muss Ihrer Einschätzung nach passieren? 
       
       Wichtig wäre mehr Information von Kultusministerien an die Schulbehörden
       und von dort an die Schulen über die rechtliche Lage. Und ein expliziter
       Zusatz in Landesschulgesetzen, dass alle Kinder unabhängig vom
       Aufenthaltsstatus einen Anspruch auf Einschulung haben, würde das
       Schulrecht von papierlosen Kindern unmissverständlich auch für
       Nicht-Juristen klarstellen. Die Schulen müssen ja nicht bei jedem
       Sonderfall wissen, wie sich etwas genau regeln lässt. Aber sie müssen bei
       Anfragen klar signalisieren, dass jedes Kind gefahrlos zur Schule gehen
       kann.
       
       Lesen Sie mehr über unseren Schwerpunkt Schule für Geflüchtete in der
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       10 Feb 2017
       
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