# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Es war einmal in Österreich
       
       > Damals als der Camper noch ein schlichter VW-Bus war. Erinnerung an
       > Ausflüge vor dem unaufhaltsamen Aufstieg der Freizeitindustrie.
       
 (IMG) Bild: Mit dem VW-Bus über den Markt
       
       Blau war er, der erste in der Reihe all der VW-Busse, die ihm später folgen
       sollten. Blau, arg zerkratzt, und beim Fahren klapperten die Türen. Das
       Lenkrad war dünn und hatte keinen Überzug, und an den Kunststoffsitzen
       blieben die nackten Beine kleben, wenn die Sonne sie aufgeheizt hatte.
       Eines Tages schüttete der Held Stroh auf den geriffelten Boden, dem
       Salatkisten und Blumenkränze arg zugesetzt hatten. Darauf legte er zwei
       zerschlissene rote Steppdecken, schob den Campingtisch und einen Karton mit
       Verpflegung rein. Es ging nach Österreich, Männerausflug, ein Gärtner mit
       seinen beiden Söhnen, sieben und acht waren wir.
       
       Die Zeit bis zum Grenzübertritt bei Lochau war eine Qual. Es gab nichts zu
       verbergen, da war lediglich die elende Angst vor jeder Art von Uniform und
       zackigem Getue – am liebsten hätten wir uns im Stroh verkrochen. Doch der
       Held lachte nur, und wundersamerweise lachte auch der Grenzbeamte, als er
       sich Nachtquartier und Reisegruppe ansah. Abends parkte der Bus neben einem
       Bach unter Tannen, geborgen vor Räubern, Hunden und grimmigen Polizisten.
       Während wir im Wasser über glitschige Steine turnten, schnitt der Held Brot
       vom Laib, dazu gab es Landjäger, Johannisbeermarmelade und eiskaltes
       Wasser.
       
       Als es zu tröpfeln begann, bauten wir das Schachspiel auf, und während der
       Regen aufs Blechdach trommelte, schlugen wir im trüben Funzellicht Bauern,
       opferten Türme – und vermochten den Helden unerklärlicherweise wieder nicht
       zu schlagen. Nach glücklichen Ewigkeiten ließ der Regen nach. Zwei Seiten
       „Lederstrumpf“ erlaubte der Held noch. Fast zu viel der Seligkeit: So lange
       aufbleiben zu dürfen.
       
       Ohne Umziehen zwischen die Steppdecken zu schlüpfen. Und jetzt
       einzuschlafen, neben dem Helden, der sich nicht einmal vor österreichischen
       Grenzern fürchtete. Gelegentlich zerplatzten Tropfen mit lauten Knall auf
       dem Blech. Wenn draußen der Fuchs raschelte, rückten wir näher an den
       Helden. Geborgen wie in einer Burg, einer blauen, klapprigen, arg
       zerkratzten Burg.
       
       14 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Lerchenmüller
       
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