# taz.de -- Christiane Rösingers Buch „Berlin-Baku“: Zwei Frauen reisen durch die Welt
       
       > Absurde Begegnungen und Probleme beim Kaffeebestellen: Christiane
       > Rösinger fuhr mit ihrem Bus nach Aserbaidschan zum ESC. In ihrem neuen
       > Buch beschreibt sie die Reise.
       
 (IMG) Bild: Weltsicht durch Windschutzscheibe: Eine Vorstadt von Baku.
       
       Schon allein der Plan, mit dem Auto zu fahren, klingt bescheuert. Von
       Berlin nach Baku. „Eine kritisch beäugte Ausnahmeerscheinung“ sei
       schließlich die Autofahrerin in gewissen Großstadtkreisen, wie Christiane
       Rösinger sagt. Doch da war diese Idee, die der Musikerin (Lassie Singers,
       Britta) an einem Grand-Prix-Abend in Bremen kam und die durchgezogen werden
       musste: mit dem Auto nach Baku, in die Hauptstadt Aserbaidschans, des
       Gastgeberlands des Grand Prix 2012.
       
       Zeit und Geld sind knapp, daher wird nicht nur im Doppelzimmer, sondern
       auch im VW-Bus geschlafen, in dem Rösinger und ihre Reisegefährtin ohnehin
       bereits zwölf Stunden am Tag sitzen. Und überhaupt der Bus, der musste ja
       auch erst mal besorgt werden. Und Autohändler, so stellten die beiden fest,
       sind noch größere Schlitzohren als Gitarrenhändler, die Tocotronic einst
       besangen.
       
       Kleine absurde Begegnungen, abschweifende Gedanken beim Blick aus dem
       Fenster und Probleme beim Kaffeebestellen hat Rösinger in ihrem Buch nun
       festgehalten. Sie hatte bereits Kolumnen über die Fahrt geschrieben, unter
       anderem hier in der taz, nun ist das vollständige Reisetagebuch der 4.800
       Kilometer langen Fahrt erschienen. „Berlin–Baku“ heißt es.
       
       Auf dem Cover sieht man einen Grenzübergang nach Aserbaidschan. „Good luck“
       steht da auf einem großen Straßenhinweisschild, wie gemacht als Motto für
       diese Reise, die Rösinger im Nachhinein teilweise als „quälend“ bezeichnet.
       „Das war ja Arbeit: Auto fahren und schreiben.“ Wobei das Schreiben nicht
       das Schwierigste war, eher das Verschicken.
       
       Nicht in jeder georgischen Kleinstadt gab es Internet, die Tastaturen waren
       nicht zu entschlüsseln, die Menschen nicht zu verstehen. „Da hast du dich
       echt gefreut, wenn der Text dann da war.“ Freunde von ihr hätten in den
       Kolumnen lesen können, wie es ihr ging, weil sie sonst nichts von ihr
       gehört haben. „Zeitungen wie im alten Sinne: Sie erzählen denen in der
       Ferne das Neue“, sagt Rösinger.
       
       ## Widerwillige Gastfreundschaft
       
       Und zu erzählen gab es einiges: wie schrecklich es ist, von einer
       türkischen Militärkapelle geweckt zu werden, was für Merchandise-Artikel
       man in der Geburtsstadt Stalins kaufen kann oder wie ein georgischer
       Herbergsanbieter die Touristen erschreckt. Aber auch von bulgarischen
       Schäfern, die ruhig und entspannt bei ihrer Herde sitzen, oder von lustigen
       Jungsgruppen, die interessiert im Büchlein „Kauderwelsch Aserbaidschanisch“
       blättern, nachdem sie ganz erstaunt schauten, dass zwei Frauen alleine
       durch die Welt fahren.
       
       Diese Kombination – zwei Frauen mit kurzen Haaren alleine im VW-Bus
       unterwegs – führte des Öfteren zu Verwunderung. Einmal wurden sie nur vor
       einem Café bedient, als Lösung des Konflikts zwischen Gastfreundschaft und
       Männerterritorium, ein anderes Mal hörten sie Beileidswünsche zum Tod des
       Ehemannes.
       
       Damit hätten sie gerechnet, erinnert sich Rösinger. Überraschender sei die
       Kombination eines Paares gewesen, bei dem sie in Istanbul übernachteten:
       Ein deutsch-türkisches lesbisches Pärchen – Frau und Transfrau – lebte mit
       der 85-jährigen Mutter zusammen, die es in Istanbul viel spannender findet
       als in Bayern. Deren Zusammenleben wirkte wie eine familiäre Idylle. „Und
       ich dachte immer, ich sei so eine queer interessierte Kreuzbergerin“, meint
       Rösinger, deren letztes Buch „Liebe wird oft überbewertet“ erklärte, warum
       die romantische Zweierbeziehung nicht das Maß aller Dinge sein kann.
       
       ## Überraschende Arbeiterin
       
       Wie eng die eigenen Grenzen sind, habe sie auch im Gespräch mit einer
       pensionierten Fabrikarbeiterin gemerkt. „Ich hatte vorher noch nie mit
       einer Türkin in diesem Alter geredet.“ In Kreuzberg hätte sie sie
       wahrscheinlich als „Kopftuch-Oma“ abgetan. „In Berlin gilt ja immer: Je
       unfreundlicher, umso besser“, sagt sie und nimmt sich vor: „Ich bemühe mich
       jetzt, höflicher zu Touristen zu sein.“
       
       Ansonsten kann man aus diesen Reiseerfahrungen vor allem eins mitnehmen:
       „Oft heißt es: Das geht doch nicht. Aber doch, es geht.“ Als sie dann in
       Baku sah, dass Teheran gar nicht mehr weit weg ist, dachte sie kurz, man
       könne überallhin, bevor sie wieder umkehrte. „Berlin–Baku“ ist ein
       kurzweiliges Buch über eine lange Reise, das noch amüsanter wird, wenn sie
       es selbst vorliest, begleitet von einer kleinen Band und einer
       Video-Dia-Show. „Musikalische Revue“ nennt sich das dann, bei der auch ein
       Satellite-Cover nicht fehlen darf. Schließlich geht es hier um den
       Eurovison Song Contest. Aber das nur nebenbei. 
       
       Christiane Rösinger: „Berlin–Baku. Meine Reise zum Eurovision Song
       Contest“. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2013. 224 Seiten, 16,99 Euro
       
       31 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juliane Streich
       
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