# taz.de -- Militärgericht in Israel: Elor Asaria ist schuldig
       
       > Der damals 19-Jährige Soldat hatte einen am Boden liegenden Terroristen
       > mit einem Kopfschuss getötet. Israel debattiert heftig über das Urteil.
       
 (IMG) Bild: Soldat oder noch Kind? Elor Asaria vor Gericht
       
       „Schuldig des Totschlags“: So lautet das Urteil im Prozess gegen den
       Soldaten Elor Asaria, das ein israelisches Militärgericht am Mittwoch
       verkündet hat.
       
       Der damals 19-jährige Asaria hatte den am Boden liegenden, nur zwei Jahre
       älteren Palästinenser Abdul Fatah al-Sharif im vergangenen Frühjahr in
       Hebron durch einen Kopfschuss getötet – kurz nachdem der Palästinenser
       einen anderen israelischen Soldaten mit einem Messer verletzt hatte.
       
       Die Richter wollten der Version des Angeklagten keinen Glauben schenken, er
       habe aus Angst gehandelt, dass von dem Palästinenser noch weitere Gefahr
       ausgehen könne. Das Militärtribunal legte Asaria ein nicht zu
       rechtfertigendes Verhalten zur Last: Er habe geschossen, als der „Terrorist
       verwundet am Boden lag und keine unmittelbare Gefahr darstellte“.
       
       „Es geht nur Entweder-oder“, sagte die Vorsitzende Richterin Maya Heller im
       Verlauf der fast dreistündigen Urteilsverlesung am Mittwochmorgen in Tel
       Aviv. Die Verteidiger Asarias hatten argumentiert, dass sich ihr Mandant
       von dem palästinensischen Angreifer bedroht fühlte. Zugleich behaupteten
       sie aber auch, al-Sharif sei schon tot gewesen, bevor der Soldat auf ihn
       schoss.
       
       ## Folge der Messer-Intifada
       
       Der Vorfall in Hebron ereignete sich vor dem Hintergrund wiederholter
       palästinensischer Messerangriffe. Polizei und Politiker riefen die
       Bevölkerung zur Mithilfe auf. „Jeder, der ein Messer hervorzieht oder einen
       Schraubenzieher, soll erschossen werden“, meinte Jair Lapid, Chef der
       Zukunftspartei. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat appellierte an die
       Bürger seiner Stadt, Schusswaffen bei sich zu tragen.
       
       Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete
       Anfang der Woche über „mehr als 150 Fälle seit Oktober 2015“, bei denen
       Palästinenser unter dem Verdacht, sie wollten Israelis angreifen,
       erschossen wurden. Einer Umfrage des israelischen Demokratieinstituts aus
       dem letzten Jahr zufolge unterstützen nicht weniger als 47 Prozent der
       israelischen Bevölkerung die Methode, „jeden Palästinenser, der eine
       Terrorattacke gegen Juden verübt, noch vor Ort zu erschießen“.
       
       Inzwischen unterstütze eine klare Mehrheit von 65 Prozent der jüdischen
       Israelis das Vorgehen Asarias als Selbstverteidigung. Unter
       rechtsorientierten Israelis seien es 83 Prozent und sogar 84 Prozent bei
       jungen Israelis zwischen 18 und 24 Jahren, also im wehrpflichtigen Alter.
       
       ## Verteidigungsminister Jaalon trat zurück
       
       Asaria ist seit Beginn der aktuellen Gewaltwelle der einzige Soldat, der
       vor Gericht kam. Sein Pech war, dass er gefilmt wurde, als er seine Waffe
       auf al-Sharif richtete. Das im Internet abrufbare Video zeigt den
       bewegungslos am Boden liegenden Palästinenser, den tödlichen Schuss und am
       Ende die Blutlache am Kopf von al-Sharif. Die Aufnahmen, die von einem
       palästinensischen Aktivisten der Menschenrechtsorganisation B’Tselem
       stammen, führten zu einer Frontenbildung sogar unter Politikern derselben
       Partei. Für die einen war Asaria eindeutig unschuldig, für die anderen ein
       Mörder.
       
       Der Zwist zwischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und
       Exverteidigungsminister Mosche Jaalon, der sich offen gegen das Verhalten
       des Hebron-Schützen positioniert hatte, führte im Mai zum Rücktritt Jaalons
       aus seinem Amt.
       
       Stattdessen rückte Avigdor Lieberman von der rechtsnationalen Partei
       „Israel ist unser Haus“ als neuer Chef im Verteidigungsministerium nach.
       Lieberman hatte sich mit der Familie Asarias solidarisiert und das
       Gerichtsverfahren abgelehnt. „Es ist ein schweres Urteil“, kommentierte er
       gestern, appellierte jedoch, die Entscheidung der Richter zu respektieren.
       Den Eltern des schuldig gesprochenen Soldaten kündigte er Unterstützung
       vonseiten der Armee an.
       
       Während im Gerichtssaal das Urteil verlesen wurde, kam es draußen zu
       heftigen Protesten. Rund einhundert Demonstranten solidarisierten sich mit
       dem Angeklagten. Die Polizei nahm zwei Männer fest. Klare Drohungen
       richteten sich gegen Generalstabschef Gadi Eisenkot, der noch am Vortag
       davor warnte, Soldaten zu verkindlichen. „Wer zur Armee rekrutiert wird,
       ist nicht ‚unser Sohn‘, sondern ein Kämpfer“, meinte er und zog sich damit
       den Zorn der Angehörigen und Freunde Asarias zu, die auf die breite
       Solidarität der Israels mit ihrem Sohn bauten.
       
       ## Asaria drohen bis zu 20 Jahren Gefängnis
       
       Auch im Gerichtssaal kam es zu Unruhen. Familienmitglieder des Angeklagten
       beklatschten sarkastisch den Urteilsspruch. „Ihr solltet euch alle
       schämen“, rief die Mutter den Richtern hinterher, als sie den Gerichtssaal
       verließen. Der Likud-Abgeordnete Oren Hazan nahm Asaria in den Arm, bis die
       Polizei ihn aufforderte, auf Abstand zu gehen. Ginge es nach
       Bildungsminister Naftali Bennett, dem Chef der Siedlerpartei Das jüdische
       Haus, sollte Asaria umgehend begnadigt werden.
       
       Als „Hoffnungsschimmer“ bezeichnete Amnesty International (AI) den
       Schuldspruch. „Die heutige Verurteilung eines Mitglieds der israelischen
       Armee ist eine seltene Begebenheit in einem Land mit langer Geschichte
       exzessiver und unberechtigter Gewalt“, erklärte Philip Luther, Jurist der
       Organisation. Das Urteil sei „ein kleiner Schritt in die richtige
       Richtung“, so Luther weiter. Soldaten, die ungesetzlich töten, dürften
       nicht länger straffrei ausgehen.
       
       Asaria drohen bis zu 20 Jahre Gefängnishaft. Das Strafmaß wird übernächste
       Woche erwartet. Der israelischen Hörfunk berichtete, die Familie des
       getöteten Abdul Fatah al-Sharif wolle den Fall vor den Internationalen
       Strafgerichtshof bringen. Das palästinensische Außenministerium nannte das
       Verfahren einen „Schauprozess“. Die Mehrheit der israelischen Führung,
       inklusive Regierungschef Benjamin Netanjahu und einige Minister, habe „für
       den Mörder Asaria“ Position bezogen.
       
       4 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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