# taz.de -- Grüner Landrat in Bayern: Weil er kein Gschleckter ist
       
       > Erst der Landkreis, dann die Partei: Wolfgang Rzehak hat als Grüner in
       > einer stockkonservativen bayerischen Region großen Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Rockt den bayerischen Landkreis Miesbach: der Grüne Wolfgang Rzehak (Mitte)
       
       München taz Wackersdorf, achtziger Jahre. Der geballte Widerstand gegen die
       Atomkraft trifft mal wieder auf die geballte Staatsgewalt. Etwas am Rande,
       auf einem Hügel, sitzt der Beppo mit zwei Freunden, trinkt Bier und wundert
       sich: Um was geht’s hier eigentlich?
       
       Mit einem Bus vom Bund Naturschutz sind sie hergekommen, um zu
       demonstrieren. Aber jetzt fühlen sie sich etwas fehl am Platze und begnügen
       sich mit der Zuschauerrolle. „Die Polizei war sehr aggressiv“, erinnert
       sich Beppo später, „aber es waren auch echte Chaoten dabei.“ Es ist eine
       kleine Szene, aber sie ist bezeichnend für den Beppo, den Grünen, der in
       einem Gespräch gleich dreimal betont: „Ich bin kein Linker.“
       
       Der Beppo heißt gar nicht Beppo. Aber der Spitzname, den ihm ein Spezl auf
       dem Spielplatz verpasst hat, ist geblieben. Richtig heißt der Mann Wolfgang
       Rzehak und ist mittlerweile Landrat im Landkreis Miesbach: Ein Grüner im
       schwarzen Kernland. Im Stimmkreis von Ilse Aigner, die 2013 bei der letzten
       Landtagswahl 57 Prozent der Stimmen holte. Wenige Monate später feierte
       Rzehak – sprich: Schehak – seinen Triumph: 53 Prozent bekam er in der
       Stichwahl. Noch nie hatten die Grünen im Alleingang ein bayerisches
       Landratsamt erobert.
       
       Dass die CSU in Miesbach schon im ersten Wahlgang mit nur 15,83 Prozent der
       Stimmen rausflog, lag nicht an Rzehak, dem netten Kassierer vom
       Eishockeyverein, Vater zweier Kindern und Freund von AC/DC und den
       Simpsons. Zu verantworten hatte das Wahlergebnis der damals amtierende
       Landrat Jakob Kreidl. Der hatte sich und seine Partei durch eine Anhäufung
       von Skandalen ins Aus manövriert: eine abgeschriebene Doktorarbeit, ein
       privater Schwarzbau und eine prunkvolle von der Sparkasse gesponserte
       Geburtstagsfeier – das war selbst für die CSU zu viel.
       
       ## Bayern = CSU?
       
       Jetzt also ein Grüner. Geht denn das? Ja. Wenn man wie der 49-Jährige einer
       aus dem Volk ist, seinen Trachtenjanker aus Überzeugung und nicht aus
       Anbiederung trägt und sich auf Volksfesten wohlfühlt. Rzehak, der bis zu
       seiner Wahl Verwaltungsbeamter am Kreisverwaltungsreferat in München war,
       sitzt am Besprechungstisch seines Büros. Ein stinknormales Behördenbüro,
       nichts da von der angeblich prunkvollen Ausstattung des Vorgängers.
       
       Aus der Sicht von Wohnungssuchenden ist der Landkreis Miesbach der
       fünftteuerste in ganz Deutschland. Aus der Sicht von Kommunalpolitikern ist
       es der mit der größten Pro-Kopf-Verschuldung in Bayern. Außerdem hat er den
       höchsten Anteil von Biobauern in ganz Deutschland, fast 30 Prozent. Im
       Norden stößt er an den Landkreis München, im Süden geht es schon gleich
       nach Tirol. Knapp 100.000 Menschen wohnen hier in der Postkartenidylle
       zwischen Wendelstein, Schliersee und Mangfalltal. Rund um den Tegernsee –
       im Volksmund: Lago di Bonzo – haben Uli Hoeness, Thomas Enders und Hubert
       Burda ihre Villen gepflanzt, auch der eine oder andere russische Oligarch.
       Was man hierzulande besonders schätzt, ist Ruhe. Die ist nun nach dem
       Wirbel um Kreidl wieder eingekehrt. „Wir haben den Neuanfang geschafft“,
       sagt Rzehak: „Ohne dass die Grüne Republik ausgerufen worden wäre.“
       
       Rzehaks Erfolg zeigt, dass die von der CSU so erfolgreich propagierte
       Gleichung Bayern gleich CSU doch nicht immer aufgehen muss. „Erst kommt der
       Landkreis, dann die Partei“, sagt Rzehak. Aber auch vor der hat man hier
       längst keine Angst mehr. „Wir sind doch die bürgerlichste Partei von
       allen.“ Rzehak ist ein bekennender Fan von Winfried Kretschmann, dem Mann,
       den CSU-Wadenbeißer Andreas Scheuer jüngst schon zum Gastmitglied seiner
       Partei machen wollte.
       
       „A bisserl Grün schadet ja a net“, sagt auch Birgit Thielke, die
       Personalrätin des Landratsamts, zuständig für die Nöte ihrer 416 Kollegen.
       Sie erinnert sich noch gut an die Belastung in der Endphase der Kreidl-Ära.
       „Da wurden Mitarbeiter beschimpft“, erzählt sie. Mit dem Neuen ist sie
       zufrieden, er sei volksnah und „kein Gschleckter. Eigentlich kein
       Politiker.“
       
       ## Rzehak möchte noch ein wenig länger verwalten
       
       Rzehak, fünftes Kind einer sudetendeutschen Flüchtlingsfamilie, ist 1986
       direkt nach Tschernobyl bei den Grünen eingetreten. Natürlich weiß er, dass
       nicht alle Grünen wie Kretschmann ticken. In Kreuzberg würde man ihn
       vermutlich aus der Partei ausschließen, sagt Rzehak. Und schimpft noch
       schnell auf den moralischen Impetus mancher Veganer und das
       Flüchtlingschaos in Berlin: „So was wie das Lageso tät’s hier in Bayern
       nicht geben. Selber nix auf die Reihe kriegen, aber auf die Seppl da unten
       in Bayern schimpfen.“ Hätte so mancher CSU-Bürgermeister aus dem Landkreis
       nicht besser sagen können.
       
       Ein solcher Bürgermeister ist Josef Lechner. Er regiert in der Gemeinde
       Fischbachau, wo der Biokräuter-Mischer Herbaria seinen Sitz hat. Unterhält
       man sich mit ihm, kommt man sehr schnell auf Themen wie E-Mobilität,
       Ökomodellregion und 30-Minuten-Takt der Bayerischen Oberlandbahn.
       Inhaltlich gibt es kaum Diskrepanzen zu Rzehak. Auch atmosphärisch scheint
       alles zu stimmen. „Der Wolfgang ist ein netter, freundlicher Kerl. Die
       Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv.“ Wofür Lechner den Landrat kritisiert,
       ist etwas anderes: „Er verwaltet den Landkreis. Vom führenden Kopf im
       Landkreis erwarte ich mehr strategisches Denken und Handeln.“
       
       Rzehak kennt diese Kritik, hat sie schon oft zu hören bekommen. Seine
       Antwort darauf: Hätte mein Vorgänger mal etwas mehr verwaltet und weniger
       gestaltet, hätten wir viele unserer jetzigen Probleme nicht.
       
       Rzehak jedenfalls möchte noch ein wenig länger verwalten. „Landrat ist das
       schönste Amt, das es gibt“, sagt er. Er würde das gern bis zur Altersgrenze
       bleiben. Das sind insgesamt 24 Jahre – vorausgesetzt, die Wähler machen
       mit.
       
       27 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Baur
       
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