# taz.de -- Die Wahrheit: Reif oder unreif für die Insel
       
       > Viele Zeitgenossen ziehen sich zurück. Um Auf- und Ausbrechende zu
       > beraten, stellen wir mehr oder minder zufällig gewählte Inseln vor.​
       
       Die Welt sei aus den Fugen, heißt es oft auf Kanzeln, in Leitartikeln und
       so weiter. Passt, seitdem es die Welt gibt, darf man ergänzen, wenngleich
       das Zitat erst etwa 400 Jahre alt ist, von Shakespeares Hamlet stammt. Was
       immer man mit „Welt“ meint, wäre ohnehin präziser zu fassen. Aber nicht
       hier.
       
       Stattdessen nehmen wir an, viele Zeitgenossen ziehen sich zurück, statt zu
       protestieren; steigen aus, statt zu widerstehen; hauen ab. Wohin? Auf eine
       Insel! Ob Sinnbild oder nicht: beliebt sind Inseln als Sehnsuchtsort und
       Ziel, als Rettungsanker. Um Auf- und Ausbrechende zu beraten, stellen wir
       mehr oder minder zufällig gewählte Inseln vor.
       
       Zunächst wenden wir uns einer politisch brisanten Insel zu. Fidel Castro
       vermachte bei seinem Besuch in der DDR 1972 eine Landkarte von Kuba, auf
       der nun die Cayo Ernest Thaelmann zu sehen war, die Ernst-Thälmann-Insel
       inmitten der Karibik, benannt „als Symbol brüderlicher Freundschaft“,
       freilich oder gerade deswegen unbewohnt. Im Jahr darauf wurde am Strand
       eine Thälmann-Büste enthüllt, die der Hurrikan „Mitch“ 1998 umriss.
       
       Als Gegenpol zu dieser historischen Relevanz schippern wir zu einer Insel
       der Liebe und konkreter Utopie. Es ist jenes griechische Hydra, wo Leonard
       Cohen 1960 wohnt und eines sonnigen Frühlingstages Marianne Ihlen und ihren
       Sohn in einem Laden entgegentritt, vor dem er mit Freunden herumhängt:
       „Would you like to join us? We’re sitting outside.“ Die beiden werden ein
       Paar. Der Rest ist Musikgeschichte, während auf Hydra, wie man hört, keine
       Antennen und Satellitenschüsseln verwendet werden dürfen und Plastikstühle
       verboten sind.
       
       Der nächste Treffer führt uns auf die indonesische Insel Flores. Im Jahre
       2003 ließen sich die Überreste eines rund 90 Zentimeter großen Erwachsenen
       finden, „auf den sich Experten bis heute keinen Reim machen können –
       zumindest nicht alle denselben“, wie im Wissenschaftsportal Spektrum zu
       lesen ist. Sollte dieses Wesen, wie es den Anschein hat, „eine
       Miniaturausgabe des Homo erectus“ sein, wäre er mit seinem Alter von etwa
       18.000 Jahren „dramatisch viel jünger“ als alle anderen Funde dieser Art.
       Wenn’s stimmt, bedeute dies, dass auf solchen Inseln „die archaischen
       Homo-erectus-Menschen viele hunderttausend Jahre länger überlebten als im
       Rest der Welt.“ Der Zeitraum wäre schon eine Hausnummer, die Fluchtbereite
       gern sehen, wenngleich eine solche Existenz mit dem Prozess namens
       „Inselverzwergung“ einhergeht.
       
       Statt im Schnelldurchlauf und Finale zwei weitere Inseln anzureißen,
       nämlich die Vulkaninsel Nishinoshima und die Azoreninsel Santa Maria,
       stellen wir uns vor, der Flores-Mensch trifft dank allgegenwärtiger
       Raum-Zeit-Verschiebungen oder auf einem der zahllosen Paralleluniversen auf
       Leonard Cohen und Fidel Castro. Sie philosophieren über Kämpfen und Lieben,
       über Plastikstühle und Winzigkeit sowie den Weltstrom, der die Erdscheibe
       umfließt, und sie lachen sich eins. Die besten Anekdoten werden in der
       nächsten Ausgabe verraten.
       
       7 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich zur Nedden
       
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