# taz.de -- Wahl in Ghana: Abstimmen in Zeiten der Ernüchterung
       
       > Präsident Mahama fürchtet um seine Wiederwahl, die Bevölkerung um die
       > Stabilität. Für Oppositionsführer Akufo-Addo ist es die letzte Chance.
       
 (IMG) Bild: Warten vor einem Wahllokal in Kibi
       
       ACCRA taz | Kofi Mensah gibt viel zu viel Gas, obwohl die Ampel schon
       längst auf Rot umgesprungen ist. Er bremst ab und winkt eine junge
       Verkäuferin herbei, die Fanartikel für Oppositionskandidat Nana Akufo-Addo
       anbietet. Der Taxifahrer entscheidet sich für eine Kordel in den
       Parteifarben Rot, Weiß und Blau, hängt sie sich um den Hals und steckt der
       Verkäuferin zwei Cedi (50 Cent) zu.
       
       Das passende T-Shirt, auf dem Akufo-Addo breit grinst, trägt er schon.
       „Mein Kandidat“, sagt Mensah in gebrochenem Englisch. „Der andere“, er
       deutet auf ein riesiges Poster mit Präsident John Dramani Mahama, „ist so
       korrupt.“
       
       Wahlen in Ghana sind meistens knapp, aber die Wahl am Mittwoch, für die gut
       15,7 Millionen Menschen als Wähler registriert sind, ist umkämpft wie
       selten. Für Präsident Mahama vom Nationalen Demokratischen Kongress (NDC)
       wäre es eine herbe Schlappe, schon nach einer Amtszeit abgewählt zu werden.
       Sein Herausforderer Akufo-Addo würde bei einer erneuten Niederlage auch
       schlecht dastehen: Seine Nationale Patriotische Partei (NPP) hat ihn
       bereits zum dritten Mal ins Rennen geschickt. Mit aktuell 72 Jahren wäre er
       vermutlich zu alt, um 2020 einen erneuten Versuch zu starten.
       
       In Umfragen, die das Zentrum für Demokratische Entwicklung (CDD) im Juli
       und Oktober durchführte, bekam Mahama ziemlich schlechte Werte. Deutlich
       wurde beide Male, dass für die Ghanaer die Schaffung von Arbeitsplätzen
       oberste Priorität hat, erklärt CDD-Forscher Daniel Armah-Attoh. Denn es ist
       in den vergangenen Jahren bei weitem nicht gelungen, genügend Stellen für
       immer mehr Menschen – das Bevölkerungswachstum liegt bei 2,2 Prozent – zu
       schaffen.
       
       Verlässliche Zahlen zur Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Die Weltbank ging
       vor einigen Monaten davon aus, dass knapp jeder zweite junge Erwachsene
       zwischen 15 und 24 Jahren ohne festen Job ist. Viele dürften allerdings auf
       dem informellen Sektor zumindest tageweise ein paar Cedi verdienen. Doch
       Arbeit ist das entscheidende Thema im Wahlkampf.
       
       Ghanas Wirtschaft ist im vergangenen Jahr stark eingebrochen. Grund dafür
       waren unter anderem lange Stromausfälle und der gesunkene Ölpreis.
       Ausgerechnet das schwarze Gold, das 2007 in größeren Mengen vor Ghanas
       Küste entdeckt wurde, sollte dem Land endlich Wohlstand bringen und zum
       Jobmotor werden. Die Begeisterung ist längst verklungen: Die Öleinnahmen
       machen keine zehn Prozent am Bruttoinlandsprodukt aus.
       
       Zwar wird für 2017 ein Wirtschaftswachstum von bis zu 8,7 Prozent
       prognostiziert. Ernestina Cole klingt trotzdem nicht allzu hoffnungsvoll.
       Die Ghanaerin, die vor Jahrzehnten als Lehrerin in Nigeria arbeitete,
       betreibt heute ein kleines Unternehmen und beliefert Bergbaufirmen mit
       Diesel. Vergangenes Jahr musste sie an ihr Erspartes, um die Minifirma am
       Leben zu halten. Die hohe Inflation – derzeit über 15 Prozent – und der
       schwache Cedi machen ihr zu schaffen. „An große Gewinne denke ich schon
       lange nicht mehr“, sagt sie und gibt zu, dass sie weder auf den einen noch
       auf den anderen Präsidentschaftskandidaten setzt. „Ich bin der Meinung,
       dass jeder auch selbst Verantwortung trägt und Dinge vorantreiben muss.“
       
       ## Wunsch nach friedlichen Wahlen
       
       Im Vergleich zu den Nachbarn genießt Ghana immerhin eine bemerkenswerte
       wirtschaftliche Entwicklung und politische Stabilität. In den vergangenen
       Tagen ist nun oft betont worden, dass sich viele Ghanaer vor allem
       friedliche Wahlen wünschen.
       
       Die sollten eigentlich selbstverständlich sein. Doch die Parteien dreschen
       ordentlich aufeinander ein. Mal heißt es vom NDC, Akufo-Addo wolle seinen
       Heimatort Kyebi zur neuen Hauptstadt machen. Die NPP wiederum zeigt auf
       Plakaten ein weinendes Kind mit dem Slogan „Acht Jahre NDC sind genug“.
       
       Die angespannte Stimmung spüren auch die Meinungsforscher. „Im Juli fanden
       79 Prozent der Befragten Sicherheitspersonal an den Wahllokalen gut. Durch
       die Präsenz von bewaffneten Sicherheitskräften würden sie sich besser
       fühlen“, sagt Daniel Armah-Attoh. Vier Monate später waren es sogar 81
       Prozent. Gut jeder zweite Befragte geht außerdem davon aus, dass die
       politischen Parteien Gewalt nutzen könnten.
       
       Es mangelt in Ghana offensichtlich an Vertrauen in den Staat und die
       Parteien. Ob das zum Machtwechsel führt? In seinem Büro im Zentrum Accras
       ist der Journalist und Wahlforscher Ben Ephson skeptisch. Ephson befasst
       sich seit Jahrzehnten mit Wahlforschung und lag – so sagen seine Anhänger –
       stets richtig. Laut seiner jüngsten Umfrage in 40 Wahlbezirken müsste der
       Präsident mit 52,4 Prozent wiedergewählt werden.
       
       7 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Gänsler
       
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