# taz.de -- Großbritannien nach dem Brexit: Die Preise steigen jetzt schon
       
       > Seit dem Brexit-Votum hat das Pfund gegenüber anderen Währungen an Wert
       > verloren. Die Briten werden das wohl bald beim Einkauf spüren.
       
 (IMG) Bild: Bananen, Ananas und andere Importe nach Großbritannien werden teurer
       
       London ap | Für britische Familienunternehmer wie Stephen Bowles kommt der
       Einbruch des Pfundes zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Der Spediteur,
       dessen Firma ihren Sitz am größten europäischen Flughafen Heathrow hat,
       rechnet vor: Die daraus resultierende Erhöhung der Treibstoffpreise um fünf
       Pence pro Liter führt bei seinen 40 Lastwagen zu jährlichen Mehrkosten in
       Höhe von 50.000 Pfund (55.000 Euro). Und sie trifft ihn zu einer Zeit, da
       die Lkw mit dem Import von Waren für Weihnachten beginnen.
       
       „Es ist die betriebsamste Zeit des Jahres“, sagt Bowles. Die zusätzlichen
       Kosten schlügen sich letztlich in höhere Preisen für die Waren nieder, die
       er transportiert. „Diese Kosten müssen weitergegeben werden.“
       
       Das Pfund hat gegenüber dem Dollar mehr als fünf Prozent seines Wertes
       verloren, seit Premierministerin Theresa May am 2. Oktober ankündigte, bis
       Ende März den offiziellen Antrag für den Austritt ihres Landes aus der EU
       einzureichen. Mays Äußerungen lassen vermuten, dass ihre Regierung
       versuchen wird, den Zustrom von Einwanderern aus der EU zu begrenzen. Das
       könnte bedeuten, dass Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt verlöre
       – ein schwerer Schlag für viele britische Unternehmen.
       
       Der Devisenmarkt war von dieser Aussicht alles andere als begeistert. Und
       es kam noch schlimmer, als der französische Präsident François Hollande
       einige Tage später erklärte, die EU werde es London nicht leicht machen.
       Seit dem 23. Juni, dem Tag des Referendums über den Brexit, fiel das
       britische Pfund gegenüber dem Dollar um mehr als 18 Prozent. Ein
       schwächeres Pfund bedeutet, dass Importeure mehr für Waren bezahlen müssen,
       die sie aus dem Ausland einführen. Und sie dürften diese Kosten an die
       Verbraucher weitergeben.
       
       „Zuerst werden wir das bei verderblichen Nahrungsmitteln wie Brot, Eiern
       und Milch sehen“, sagt Daniel Vernazza, Chefökonom bei UniCredit in
       Großbritannien. Der wöchentliche Einkauf werde teurer, der Preis für eine
       Tankfüllung ebenso wie die Kosten für einen Urlaub, insgesamt „eine ganze
       Reihe von Waren und Dienstleistungen“.
       
       ## Notenbank in der Zwickmühle
       
       Manche Preissteigerung dürfte rasch durchschlagen, doch der vollständige
       Effekt wird sich erst in einem Jahr oder noch später zeigen. Denn viele Im-
       und Exporteure sind an Verträge gebunden, die sich über mehrere Monate
       erstrecken. „Jemand wird am Ende dafür zahlen, und das werden Sie und ich
       sein, wenn wir am Wochenende einkaufen“, sagt Familienunternehmer Bowles.
       
       Die Bank of England erklärte in einem im August veröffentlichten
       Quartalsbericht, große Einbrüche beim Pfund trieben die Importpreise in die
       Höhe, was sich wiederum in den kommenden Jahren auf die Verbraucherpreise
       auswirken werde. Das dürfte die jährliche Inflationsrate über das von der
       Bank angestrebte Ziel von zwei Prozent treiben. Ende 2017 werde das Ziel
       allerdings voraussichtlich wieder erreicht, erklärte die Notenbank.
       
       Damit steckt die Bank in einer Zwickmühle: Erst im Sommer senkte sie den
       Leitzins auf das Rekordtief von 0,25 Prozent, um die Konjunktur zu beleben.
       Doch solch niedrige Raten tragen zur Schwächung der Währung bei, und die
       Aussicht auf einen unerwartet schnelleren Anstieg der Inflation könnte dazu
       führen, dass sie ihre Strategie ändern und die Zinsen in den kommenden
       Monaten möglicherweise wieder anheben muss. Der Nachteil ist, dass dies
       Hypotheken verteuern und das Wirtschaftswachstum drosseln würde.
       
       ## Preise könnten um drei Prozent steigen
       
       Von Vorteil ist, dass die Inflation von einem niedrigen Niveau steigt: Im
       September lag die Rate bei lediglich 0,6 Prozent. Doch für die Verbraucher
       ist dies wenig tröstlich, da ihre Lebenshaltungskosten stetig steigen
       dürften. Manche Ökonomen erwarten für 2017 und 2018 einen Anstieg der
       Preise um durchschnittlich drei Prozent. Doch sollte das Pfund weiter
       fallen – von aktuell rund 1,21 gegenüber dem Dollar etwa auf 1,10 – könnte
       die Inflation der Verbraucherpreise 2018 bei vier Prozent liegen, sagt
       Samuel Tombs von Pantheon Macroeconomics.
       
       Und es könnte noch schlimmer kommen. Großbritannien hängt stark von
       ausländischen Investitionen ab. Die Leistungsbilanz lag im vergangenen Jahr
       mit 5,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Minus, was dem größten Defizit
       seit Beginn der Aufzeichnungen 1948 entspricht. Das bedeutet, dass
       Großbritannien mehr einführte und Investitionen ins Land holte, als es
       exportierte und im Ausland investierte. Das Pfund „ist jetzt extrem
       volatil, und das große Leistungsbilanzdefizit deutet darauf hin, dass es
       weiter fallen wird, wenn bei ausländischen Investoren die Sorge wächst,
       dass sich die britische Regierung für einen harten Brexit entscheidet“,
       sagt Tombs.
       
       13 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Danica Kirka
       
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