# taz.de -- Wie Trump die US-Kultur verändert hat: Gewalt endet nicht am Wahlabend
       
       > Nicht nur, wer am 8. November gewinnt, ist interessant. Sondern auch, was
       > danach kommt. Kann der Hass, den Trump schürte, wieder verschwinden?
       
 (IMG) Bild: Donald – the hater – Trump mag nach der Wahl verschwinden. Die Wut seiner Anhänger wird es nicht
       
       Zwar gilt als einigermaßen sicher, dass Hillary Clinton gewinnen wird. Doch
       die Bürger fragen sich besorgt, wo all die Wut, die Donald Trump im rechten
       Lager geschürt hat, sich als Nächstes Bahn bricht. Amerika blickt dem
       Wahltag also mit gemischten Gefühlen entgegen.
       
       Seit Monaten behauptet Trump, die Wahlen seien „manipuliert“, womit er
       seinen Anhängern signalisiert, den Ausgang der Wahlen nicht als rechtmäßig
       anzuerkennen. Vor einigen Tagen verschärfte er diesen Vorwurf noch, indem
       er ihm rassistische Untertöne zufügte. Wer an seiner Behauptung zweifle,
       sagt er, müsse sich nur „mal in Philadelphia, St. Louis, Chicago genauer
       umsehen“, dort gebe es Wahlbetrug: Die drei Großstädte haben einen hohen
       afroamerikanischen Bevölkerungsanteil. Zudem suggerierte Trump auch – ohne
       jeden Beweis –, Obama habe 2008 in North Carolina nur mithilfe der Stimmen
       „illegaler Immigranten“ gewonnen.
       
       Derlei Rhetorik ist pures Gift für die Demokratie, sowohl die Anhänger
       Trumps als auch seine Kritiker beschwören bereits gewalttätige
       Auseinandersetzung nach den Wahlen herauf. Der zweimalige
       Präsidentschaftskandidat Pat Buchanan, der in vielen Kernthemen einer
       Meinung mit Trump ist, behauptete in einem Zeitungsbeitrag, dass das Land
       im Falle von Clintons Wahlsieg einen Weg einschlagen würde, „den die
       Mehrheit der Amerikaner in den Vorwahlen abgelehnt hätten“. Unheilschwanger
       zitierte er einen Satz des einstigen Präsidenten John F. Kennedy: „Jene,
       die eine friedliche Revolution unmöglich machen, machen eine gewalttätige
       Revolution unumgänglich.“
       
       Auch auf Trumps Wahlkampfveranstaltungen ist immer wieder wüstes Gepolter
       zu hören: „Ich hoffe, wir können Clinton wegputschen, wenn sie im Amt ist …
       Es wird viel Blut vergossen werden“, prophezeite etwa ein Mann aus Ohio dem
       Boston Globe. „Es wird eine Revolution geben, yeah! Alle sind des
       politischen Systems überdrüssig“, sagte ein Trump-Anhänger aus New Jersey
       gegenüber dem Polit-Magazin Politico.
       
       Der politische Analyst Jamelle Bouie hat die Ängste der US-Linken jüngst in
       einem Artikel für das Magazin Slate zusammengefasst. Darin warnte er davor,
       dass Trump „rhetorische Zeitbomben“ in Stellung bringen würde, die „rund um
       die Wahlen zur ernsthaften Bedrohung werden und zu Gewalttaten anstacheln
       könnten“. Kurz nach Veröffentlichung des Artikels wurden in Kansas sechs
       Mitglieder der militanten weißen Gruppierung „The Crusaders“ verhaftet. Sie
       hatten geplant, am Tag nach der Wahl ein von somalischen Immigranten
       bewohntes Haus in die Luft zu sprengen. Einer der Verhafteten gab zu
       Protokoll: „Der einzige Weg, dieses Land zu beherrschen, führt über ein
       Blutbad.“ Bouies Ängste sind also absolut begründet.
       
       ## Krude Gewaltfantasien
       
       Es bleibt nicht nur bei kruden Gewaltfantasien von Rechtsradikalen. Während
       Obamas zweiter Amtszeit war der negative Höhepunkt 2015 die Ermordung von
       neun Gläubigen in einer afroamerikanischen Kirche in Charleston. Der
       Mörder, Dylann Roof, brüstete sich, mit seiner Tat einen „Rassenkrieg“
       anzuzetteln.
       
       Bereits zu Zeiten der Präsidentschaft von Bill Clinton ereigneten sich die
       bis jetzt verheerendsten, von Einheimischen verübten Terrorangriffe in der
       Geschichte der Vereinigten Staaten: der Bombenanschlag in Oklahoma City,
       verübt von dem Milizionär Timothy McVeigh im Jahr 1995, der damit 168
       Menschen tötete, und der Anschlag auf die Olympischen Spiele in Atlanta
       1996, ausgeführt vom radikalen Abtreibungsgegner Eric Rudolph. Trump hat in
       seiner Rhetorik manche These aus dem rechtsradikalen Untergrund einfach für
       die große politische Bühne übernommen.
       
       Trumps fanatische Anhänger ängstigen aber nicht nur die US-Linke. Sie
       bedrohen auch den Fortbestand der Republikaner. Seine Nominierung gelang
       nur, weil die Partei bereits gespalten ist. In den Vorwahlen gewann er
       lediglich 45 Prozent der Stimmen. Einer Umfrage im März zufolge
       befürworteten nur etwas mehr als die Hälfte der Parteimitglieder seine
       Hauptanliegen: das Einreiseverbot für Muslime und die zwangsweise
       Ausweisung von Migranten ohne gültige Papiere. Trumps Agenda steht der
       offiziellen Weisung seiner Partei diametral entgegen, die nach der
       Wahlniederlage 2012 beschlossen hatte, mit zuwanderungsfreundlicher Politik
       die steigende Zahl lateinamerikanischer Wähler zu umwerben.
       
       Monatelang versuchten führende Parteimitglieder, eine offene Konfrontation
       mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten zu vermeiden. Das
       änderte sich, als ein Video aus dem Jahr 2005 auftauchte, in dem Trump
       damit prahlt, wie er Frauen befummelt. Paul Ryan, Sprecher des
       Repräsentantenhauses und prominentester gewählter Republikaner Amerikas,
       kündigte an, Trump nicht länger zu unterstützen. Von der Aufkündigung hat
       er jedoch wieder Abstand genommen. Trump reagierte mit Spott und Hohn,
       seine Anhänger nennen Ryan nun einen „Verräter“. Einige Republikaner, die
       im Senat wiedergewählt werden wollen, kündigten an, Trump nicht zu wählen,
       was wiederum einige Trump-Wähler dazu brachte, aus reiner Boshaftigkeit für
       die Demokraten stimmen zu wollen.
       
       Lassen sich diese innerparteilichen Querelen überhaupt beilegen? Ein Blick
       in die Geschichte gibt Aufschluss. 1912 spaltete Theodore Roosevelt
       buchstäblich seine Partei, indem er den Parteitag der Republikaner verließ
       – ihm war die Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten verwehrt worden –,
       um auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine neue progressive Partei zu
       gründen. Vier Jahre später legte Roosevelt seine ideologischen Differenzen
       mit den Republikanern bei in der Hoffnung, den demokratischen Präsidenten
       Woodrow Wilson besiegen zu können. Wilson wurde wiedergewählt, die
       nachfolgenden Wahlen gewannen jedoch die wieder zum Leben erweckten
       Republikaner.
       
       Trump ist nicht Roosevelt. Er steht noch nicht lange im politischen
       Geschäft. Er ist kein unerschütterlicher Republikaner, war Mitglied in
       mindestens fünf Parteien. Bis jetzt zeigt er nur wenig Interesse, seiner
       Partei oder seinem Land nach der Wahl zu dienen. Selbst wenn er sich in
       einem plötzlichen Anfall von Anstand wieder mit der republikanischen
       Parteiführung aussöhnen würde, ein tiefer Graben zwischen der Parteielite
       und ihrer Basis bliebe doch bestehen.
       
       Die Parteibasis lehnt zu weiten Teilen die Legalisierung der geschätzten
       elf Millionen Einwanderer ohne gültige Papiere entschieden ab. Die
       Parteiführung ist sich indes sicher, ohne die Stimmen der
       lateinamerikanischen Wähler nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein, da der
       Anteil der weißen Wahlberechtigten nur noch 70 Prozent beträgt, Tendenz
       sinkend. (Bei den knappen Siegen George Bushs waren noch 81 Prozent der
       Stimmberechtigten weiß, beim zweiten Mal 77 Prozent.)
       
       ## Thema Immigration
       
       Damit die Partei nicht auseinanderfällt, werden sich die republikanischen
       Leitwölfe Trumps glühenden Unterstützern seiner Anti-Einwanderer-Politik
       beugen müssen und sich damit selbst zu Anführern einer Minderheitspartei
       machen. Oder die Trump-Anhänger müssten eine Erleuchtung haben, politischen
       Pragmatismus an den Tag legen und das Thema Immigration von der Agenda
       streichen.
       
       Was bisher von Trumps Anhängern zu hören ist, gibt kaum Grund zu der
       Annahme, dass sie bereit sind, ihrer Partei zuliebe politische Konzessionen
       zu machen. Verharren sie auf ihren Positionen, bringen sie nüchtern
       denkende Republikaner in einen Zwiespalt: Entweder müssen sie mit den
       bigotten Kräften in ihrer Partei gemeinsame Sache machen oder sich an Teddy
       Roosevelt ein Beispiel nehmen und die Partei verlassen.
       
       Nach der Wahl werden die Republikaner nur wenig Zeit haben, sich neu
       aufzustellen, da von Clinton erwartet wird, dass sie innerhalb der ersten
       hundert Tage ihrer Amtszeit die Reform der Einwanderungsgesetze auf den Weg
       bringen wird. Im Kongress müssten die Republikaner ihren politischen Kurs
       also sehr schnell gefunden haben.
       
       Der voraussichtliche Wahlsieg Clintons wäre also nicht nur ein historischer
       Moment für die Gleichstellung der Geschlechter. Er wäre auch ein
       historischer Moment bezüglich politischer Kontinuität: Es wäre das erste
       Mal seit 1940, dass die Demokraten bei drei aufeinanderfolgenden
       Präsidentschaftswahlen siegreich wären. Vielleicht ist diese demokratische
       Vorherrschaft bei Wahlen genau der Grund, weshalb die Stimmen der
       Unzufriedenen so schrill und kompromisslos klingen. Es ist nur noch eine
       Minderheit, die sich nach einer Zeit zurücksehnt, in der Rassismus und
       Frauenfeindlichkeit die Nation geformt haben, aber sie macht es wütend,
       wieder und wieder auf der Verliererseite zu stehen. Sie zetern lieber und
       verlieren, anstatt sich anzupassen und zu gewinnen.
       
       Aus dem Englischen von Sylvia Prahl
       
       29 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bill Scher
       
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