# taz.de -- Frauen in der japanischen Politik: Außenseiterinnen im Establishment
       
       > In Japan kommen plötzlich Frauen an die Macht, die Klischees und
       > Konventionen ignorieren. Das ist aber noch kein Indiz für Feminismus.
       
 (IMG) Bild: Renho Murata steht an der Spitze der größten Oppositionspartei Japans
       
       Renho Murata sieht gut aus und ihr fällt stets eine schlagfertige Antwort
       ein. Sie liebe Katsuya Okada, Führer der Demokratischen Partei (DP), meinte
       sie zum Beispiel, aber er sei „sehr langweilig“. Kürzlich wurde die
       48-Jährige, die immer mit Kurzhaarfrisur und weißem Kostüm auftritt, als
       Okadas Nachfolgerin an die Spitze der größten Oppositionspartei gewählt.
       Dabei setzte sich die Ex-TV-Moderatorin mit ihrem Versprechen, das miese
       Image der DP zu verbessern, gegen zwei Männer durch. Erstmals steht nun
       eine Frau an der Spitze von Japans Opposition.
       
       Ihr Erfolg wird in Japan als weiteres Indiz für einen überraschenden
       Kulturwandel in der politischen Welt gesehen. Bisher bestimmten Männer aus
       politischen Dynastien und schoben sich die Posten in Hinterzimmern
       gegenseitig zu. Nur 9 Prozent der Abgeordneten im Parlament sind weiblich.
       Damit liegt Japan weltweit abgeschlagen auf Platz 155.
       
       Doch jetzt kommen plötzlich Frauen an die Macht, die Klischees und
       Konventionen ignorieren. Ende Juli wurde Yuriko Koike als erste Frau zum
       Gouverneur der Hauptstadt Tokio gewählt. Die 64-Jährige wurde bekannt mit
       dem Satz: „Die gläserne Decke für die Karriere von Frauen besteht in Japan
       aus Stahl.“ Sie bewies zu ihrer eigenen Überraschung, dass es auch anders
       geht.
       
       Zu dem Duo aus Renho und Koike gesellt sich Tomomi Inada. Die 57-jährige
       frühere Rechtsanwältin übernahm im August die Leitung des
       Verteidigungsministeriums und ist damit erst die zweite Frau auf diesem
       Posten. Ihr Mentor ist Regierungschef Shinzo Abe persönlich. Im Februar
       hatte der rechtskonservative Politiker erklärt, Inada werde die erste
       Premierministerin von Japan werden.
       
       ## Kritik mit rassistischem Beigeschmack
       
       Damit wollte Abe wohl auch seine Wirtschaftspolitik der „Womenomics“
       betonen: Dabei sollen mehr Frauen erwerbstätig werden, damit Japans
       Wirtschaft trotz sinkender Bevölkerungszahl und ohne ausländische Migranten
       stark bleibt. Die Erwerbsquote bei Frauen soll bis 2020 um fünf Punkte auf
       73 Prozent steigen.
       
       Die drei Frauen sind Außenseiter im Establishment: Oppositionschefin Renho
       hat eine japanische Mutter und einen taiwanischen Vater. Erst als
       Teenagerin nahm sie Japans Staatsbürgerschaft an. Von Männern in der
       eigenen Partei wurde ihr vorgeworfen, sie hätte die taiwanische
       Nationalität nicht aufgegeben. Eine Kritik mit rassistischem Beigeschmack:
       Bikulturelle Japaner werden als „Half“ bezeichnet, weil sie eben nur „halb“
       japanisch seien.
       
       Tokio-Gouverneurin Koike wird „Madame Karussell-Sushi“ genannt. Das spielt
       darauf an, dass sie gern ihre Parteizugehörigkeit zum eigenen Vorteil
       wechselte. Bei der Wahl trat sie als Unabhängige an und brüskierte damit
       ihre eigene Liberaldemokratische Partei und deren Kandidaten.
       Verteidigungsministerin Inada stieg erst vor zehn Jahren in die Politik ein
       und hat daher noch kein eigenes Netzwerk.
       
       Auch wenn sich alle drei für bessere Chancen von Frauen etwa durch mehr
       Kinderbetreuung einsetzen – sind sie kein Indiz für Feminismus: Nach
       mehreren Schlappen ist die Opposition so demoralisiert, dass sie es nun mit
       einer Frau versucht. Koike und Inada profilierten sich mit kräftigem
       Nationalismus. Beide besuchen regelmäßig die umstrittene Kriegsgedenkstätte
       Yasukuni-Schrein. Inada hat Zweifel am Nanking-Massaker und an den
       Sexsklavinnen.
       
       Sollten die drei auf ihrem Kurs bleiben, käme Japan womöglich schon 2018 in
       eine bisher unvorstellbare Situation: Dann könnten Regierungschef und
       Oppositionsführer beide weiblich sein.
       
       11 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
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