# taz.de -- Die Wahrheit: Nazis ab nach Luxemburg
       
       > Nach all den rechtsextremistischen Anschlägen derzeit wundert man sich
       > über die Frechheit passiver Politiker. Dabei geht es doch auch ganz
       > anders…
       
 (IMG) Bild: Viele Angereiste: Polizisten vor der Neonazi-Demo
       
       Manchmal ist man dann doch überrascht, was inzwischen alles möglich und
       sagbar ist. Nach den Vorfällen von Bautzen sitzt Michael Kretschmer, der
       Generalsekretär der sächsischen CDU, in Anne Wills Plappersendung und
       behauptet – ohne dass ihm vor Scham der Kopf platzt –, dass für die
       pogromartigen Ausschreitungen in der ostsächsischen Kreisstadt nicht die
       Täter, sondern die Opfer verantwortlich sind.
       
       Die öffentlich-rechtliche Moderatorin, die zum linksliberalen Establishment
       gehört, lässt Kretschmer das einfach durchgehen. Sie fragt nur leicht
       verwundert, aber relativ entspannt nach, ob er wirklich glaube, dass „nur
       die Flüchtlinge“ schuld seien, und gibt ihm damit noch einmal die
       Möglichkeit zu betonen, dass das schlechte Benehmen einiger Asylbewerber
       „das Problem“ sei. Wenn man dies unterbinde, dann käme es auch nicht mehr
       zu solchen Auseinandersetzungen.
       
       Das Problem besteht also nicht darin, dass sich auf der Straße ungehindert
       ein rechter Mob versammeln und Naziparolen wie „Deutschland den Deutschen“
       und „Frei, sozial und national“ skandieren kann. Und es besteht auch nicht
       darin, dass Menschen durch Bautzen gehetzt werden und um ihr Leben rennen
       müssen.
       
       Folgerichtig verhängt die Stadt eine Ausgangssperre und ein Alkoholverbot
       über die jugendlichen Flüchtlinge. Der parteilose Oberbürgermeister Ahrens,
       der sich selbst als „linker Vogel“ bezeichnet, gibt den neutralen
       Bürgerversteher und sagt: „Wenn sich zwei Gruppen zanken, ist mir egal, von
       welcher Seite der Streit ausging.“ Eine Aussage, die nur so von politischer
       Naivität strotzt, aber qualitativ – das muss man leider zugeben – immer
       noch eine Stufe über der Hetze des CDU-Generalsekretärs steht. Was aber
       Ahrens und Kretschmer eint, ist, dass sie sich lieber die Zunge abbeißen
       würden, als öffentlich zuzugeben, wie die sächsische Realität aussieht.
       
       Sie weigern sich, über die große, gewaltbereite rechtsradikale Szene zu
       sprechen, die jederzeit „einsatzbereit“ ist. Sie ignorieren, dass ein nicht
       geringer Teil ihrer Bevölkerung diesen Leuten mit Sympathie begegnet und
       gern mal, auch vor Fernsehkameras, erklärt, dass man ja nicht gleich ein
       Nazi ist, bloß weil man Nazimeinungen vertritt. Oder so ähnlich. Und selbst
       wenn – wie formulierte es eine Exnachbarin von Beate Zschäpe in einer
       NSU-Doku: „Es gibt ja auch ruhige, friedliebende Rechtsextreme.“
       
       Es ist normal geworden, dass die Nazis den vermeintlichen Volkszorn auf die
       Straße tragen. Es ist auch normal, dass Politiker die Beteiligung der
       Rechtsextremen kleinreden und die Schuld für Auseinandersetzungen
       stattdessen auf andere, in der Regel Schwächere schieben.
       
       Im Internet kursiert zurzeit ein altes, auf seine Art sehr rührendes Video
       aus den Neunzigern, das zeigt, wie die Polizei in Luxemburg dort
       demonstrierenden deutschen Neonazis innerhalb von Minuten handfest klar
       macht, dass ihr Verhalten unerwünscht ist. Was gäbe man darum, solche
       Bilder einmal in Deutschland zu sehen.
       
       28 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hartmut El Kurdi
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bautzen
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Luxemburg
 (DIR) Weihnachten
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Einkaufen
 (DIR) Bautzen
 (DIR) Burka
 (DIR) Amoklauf
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Wahrheit: Konfuzianische Hölle
       
       Das volle Festprogramm: orientalische Weihnachten mit chinesischen
       Weisheiten und einem Rezept der tscherkessischen Grußmutter.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Wo sind all die Nazis hin?
       
       Anders als die bekannten Klemmnazis von der AfD reden offen Rechtsradikale
       wie Horst Mahler wenigstens nicht um den rassistischen Brei herum.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Unabhängige Slapstickverfolgung
       
       Augen auf beim anlasslosen Schlendern durch die gentrifizierte Warenwelt.
       Denn schnell hat man einen misstrauischen Begleiter an der Seite.
       
 (DIR) Rechte demonstrieren in Bautzen: Sächsiche Stellvertreterkämpfe
       
       Erneute Polarisierung nach den Septemberkrawallen, aber distanzierte
       Bevölkerung.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Burkas, Äpfel und Birnen
       
       Verbote von außen führen bei Menschen, die Religion für sich als relevant
       betrachten, zu einer Binnensolidarisierung.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Amoklauf und Scheininformationen
       
       Nach den Schüssen von München wurde der Täter in den Medien als
       „Deutsch-Iraner“ bezeichnet. Was hat es mit diesem Bindestrich-Wort auf
       sich?
       
 (DIR) Die Wahrheit: Mietpreisbremsenstiche fürs System
       
       Gerade in den teuren Quartieren deutscher Großstädte fühlen sich Anwohner
       von Flüchtlingen belästigt. Dabei werden sie dort dringend gebraucht.