# taz.de -- Die Wahrheit: Wer den Cent nicht ehrt …
       
       > Kleingeld ist was für kleinliche Menschen – sehr gut zu beobachten an
       > deutschen Touristen in Irland.
       
 (IMG) Bild: Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist
       
       Wenn ein Produkt in der Herstellung 165 Euro kostet, es aber für 100 Euro
       verkauft wird, hält sich das Unternehmen nicht lange. Es sei denn, es ist
       der Staat. Es kostet 1,65 Cent, eine 1-Cent-Münze zu produzieren. Das hat
       auch die irische Zentralbank gemerkt und damit begonnen, die beiden
       kleinsten Münzen aus dem Verkehr zu ziehen.
       
       Es soll jetzt auf- oder abgerundet werden, doch das ist freiwillig. Wer
       will, kann einen Cent Wechselgeld verlangen, wenn er eine Flasche Wein für
       9,99 Euro kauft und mit einem 10-Euro-Schein bezahlt. Deshalb müssen die
       Ladenbesitzer einen kleinen Vorrat an Winzmünzen bereit halten. Das liegt
       aber vor allem an deutschen Touristen.
       
       Die erkennt man sofort an den Kassen der Geschäfte. Deutsche kramen solange
       in ihrer Geldbörse, bis sie den Betrag auf Heller und Pfennig
       zusammengeklaubt haben. Iren wäre das peinlich. Sie rücken lieber einen
       großen Schein heraus, um nicht als Pfennigfuchser zu gelten.
       
       Deshalb häufen sich bei ihnen die kleinen Münzen zu Hause an. Man wirft sie
       in eine Schublade oder gleich in den Mülleimer, denn man kann sie weder an
       irgendwelchen Automaten, noch an Mautstellen oder Parkuhren verwenden. Die
       irische Zentralbank hat im Vergleich deshalb drei Mal mehr dieser Münzen
       als im Durchschnitt der Eurozone in Umlauf gebracht.
       
       In vielen anderen Ländern werden die kleinen Münzen jetzt wie in Irland
       ebenfalls abgeschafft, in den Niederlanden, in Schweden und Finnland hat
       man sie – bis auf ein paar Exemplare für Sammler – gar nicht erst
       eingeführt. Lediglich in Deutschland sind 70 Prozent gegen ihre
       Ausmusterung. Liegt es an dem Sprichwort? „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist
       des Talers nicht wert“, wurde uns in der Kindheit eingebläut.
       
       Oder fürchten die Freunde der Kupferwinzlinge eine Preiserhöhung, wenn die
       beliebten 99-Cent-Artikel plötzlich einen Euro kosten? Angeblich dient
       diese alberne Preisgestaltung nicht dazu, der Kundschaft ein Schnäppchen
       vorzugaukeln. Es soll auf das 19. Jahrhundert zurückgehen, als die Kassen
       keine Quittungen ausstellen konnten.
       
       So musste der Verkäufer stets die Kasse öffnen, um einen Penny
       herauszugeben, und der Ladenbesitzer wusste wegen des Geräuschs der sich
       öffnenden Kassenschublade, dass etwas verkauft worden war, so dass der
       Angestellte das Geld nicht einstecken konnte.
       
       Die irische Zentralbank war bisher recht zufrieden mit den Fortschritten
       bei der Abschaffung der Münzen zu einem und zwei Cent. Aber sie hatte nicht
       mit den Klotzköpfen im Ministerium für Kommunikation und Umwelt gerechnet.
       Die haben jetzt beschlossen, das Porto für einen Inlandbrief von 70 auf 72
       Cent zu erhöhen.
       
       Unser Schalterbeamter im Dorfpostamt an der irischen Westküste rauft sich
       die Haare. „Wir sind fast alle kleinen Münzen losgeworden“, sagt er. „Jetzt
       müssen wir sie sammeln. Die meisten Menschen zahlen mit einer Euromünze,
       und wir müssen 28 Cent herausgeben, denn abrunden dürfen wir nicht.“ Er
       zieht in Erwägung, Briefmarken nur noch im Fünferpack zu verkaufen.
       
       26 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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