# taz.de -- Pro und Contra Urlaub in Meck-Pomm: Ferien in rechten Idyllen?
       
       > Die extremen Wahlergebnisse an der Ostseeküste führen zu einer erhitzten
       > Diskussion: Kann man da noch Urlaub machen?
       
 (IMG) Bild: Muss man als Besucher die Einwohner aushalten? Strand in Zinnowitz
       
       Ja, jetzt erst recht 
       
       Weißer Sand, Kiefernwälder, kühles Klima – ich fahre ausgesprochen gern an
       die Ostsee. Auf die polnische Seite, nach Świnoujście oder Leba, nach
       Kalmar in Schweden – oder eben nach Heringsdorf auf Usedom. Zwar ist es
       nicht gerade schön zu wissen, dass Heringsdorf zu 38,8 Prozent
       unsympathisch ist: 32,8 Prozent der WählerInnen stimmten dort bei der
       Landtagswahl am Sonntag für die AfD und 6 Prozent für die NPD. Trotzdem
       fahre ich weiter dorthin.
       
       Auch wenn ich mir die Tattoos des Bootsverleihers in Zukunft etwas genauer
       anschauen oder mich bei der netten Pensionsbetreiberin unweigerlich fragen
       werde, ob sie auch zu denen gehört, die sich von der AfD vertreten fühlen:
       An meiner Urlaubsentscheidung ändert das Wahlverhalten der Usedomer
       Einwohner nichts.
       
       Erstens halte ich es für unsinnig, eine ganze Ferienregion dafür zu
       „bestrafen“, dass dort Unsinn gewählt wird. Zweitens sind 38,8 Prozent
       nicht alle, und nicht alle, die AfD gewählt haben, sind auch beinharte
       Nazis, in deren Nähe ich es nicht aushalten würde. Im Übrigen verstehe ich
       mich als Demokratin und Bürgerin.
       
       Als Demokratin muss ich es aushalten können, dass es Menschen gibt, deren
       Weltbild mir gegen den Strich geht. Ich komme aus einer Region, in der
       jeder Zweite die CSU und zeitweise jeder Vierte die „Republikaner“ gewählt
       hat. Es gibt keine arschlochfreien Zonen und noch weniger gibt es den
       Anspruch darauf, im Urlaub nicht mit dämlichen Statements belästigt zu
       werden.
       
       Als Bürgerin halte ich es außerdem für meine Pflicht, mich auch mit Leuten
       auseinanderzusetzen, die komische Ansichten vertreten, aber eventuell noch
       für rationale Argumente empfänglich sein können. Nur zur Erinnerung: Viele
       von denen, die jetzt ihr Kreuz bei der AfD machen, haben bei der letzten
       Wahl den Hintern gar nicht hochbekommen – oder CDU beziehungsweise SPD
       gewählt.
       
       So schnell können diese Leute nicht zu ideologisch gefestigten Nazis
       geworden sein. Mit denen zu diskutieren käme mir auch nicht in den Sinn.
       Doch Menschen, die, warum auch immer, aus der Mitte nach rechts gerückt
       sind, zu Monstern abzustempeln, von denen man nicht einmal mehr ein
       Fischbrötchen kaufen will: das scheint mir einigermaßen hysterisch.
       
       Ein politischer Boykott der Urlaubsregion würde zudem die am härtesten
       treffen, die in einer schwierigen Umgebung die Fahne der Zivilgesellschaft
       hochhalten. Sie nun mit den Rechten allein zu lassen, ist ein falsches
       Signal. Usedom bleibt Urlaubsziel auch für Linke – alles andere könnte den
       Rechten so passen. NINA APIN
       
       *** 
       
       Nein, jetzt nicht mehr 
       
       Na, verabreden Sie sich auch immer mit ihren Freundinnen und Freunden in
       einer Kneipe, von der Sie wissen, dass sie von einem Stammpersonal
       überwiegend aus der ganz rechten Ecke frequentiert wird? Ach, in solche
       Kneipen gehen Sie nicht, weil Sie sich dort äußerst unwohl fühlen würden?
       Kann ich gut verstehen, geht mir genauso. Und deswegen mache ich auch nicht
       meinen Urlaub in Gemeinden wie Garz, Peenemünde oder Blesewitz auf Usedom.
       
       Das liegt nicht daran, dass ich mich von jenen stolzen Deutschen, die in
       diesen Ortschaften am Sonntag mehrheitlich die AfD oder die NPD gewählt
       haben, persönlich bedroht fühlen würde. Als mitteleuropäisch aussehender
       Mensch, der äußerlich auch nicht als „linke Zecke“ erkennbar ist, bin ich
       privilegiert: Ihre Fremdenfeindlichkeit richtet sich gegen andere Fremde.
       
       Doch ich kann nicht unbeschwert meine Ferien in einer Gegend verbringen, in
       der ein relevanter Bevölkerungsanteil aus rechten Arschlöchern besteht.
       Wenn ich (fast) die ganze Welt zur Auswahl habe, warum soll ich
       ausgerechnet dort buchen, wo Rechtsradikale das gesellschaftliche Klima
       prägen? Das ist durchaus eine politische, aber gleichwohl meine ganz
       persönliche Entscheidung: Ich fühle mich dort schlichtweg nicht wohl.
       
       Damit kein Missverständnis entsteht: Ich lehne es nicht generell ab, nach
       Usedom zu fahren. Selbstverständlich war es richtig, dass die taz bei ihrer
       „Tour für eine offene Gesellschaft“ dort Station gemacht hat. Aber das ist
       eben etwas anderes. So wie es einen Unterschied macht, ob ich unter den
       gegenwärtigen politischen Verhältnissen in der Türkei am Strand von Antalya
       urlaube oder bedrängte KollegInnen und FreundInnen in Istanbul besuche.
       Weder auf Usedom noch in der Türkei dürfen wir die Menschen, die für
       demokratische Werte kämpfen, alleine lassen. Aber deswegen muss ich noch
       lange nicht die dortige Tourismusindustrie unterstützen.
       
       Anderen mögen politische Verhältnisse bei der Wahl ihres Urlaubsorts nicht
       wichtig sein – solange damit nicht eigene Einschränkungen verbunden sind.
       Entscheidender war für die große Mehrheit der BundesbürgerInnen stets, ob
       die Sonne scheint und der Preis stimmt. Daher war Spanien schon zur Zeit
       des faschistischen Diktators Franco ein beliebtes Urlaubsziel.
       
       Solange nur geplante Flüchtlingsheime auf Usedom brennen und kein Hotel,
       wird auch die Insel gut frequentiert bleiben. Ebenso wie jene zwölf
       französischen Kommunen, in denen der rechtsextreme Front National regiert,
       wird sie auf mich jedoch verzichten müssen. Ich kann und will auch im
       Urlaub nicht wegschauen. Es gibt genug Alternativen. PASCAL BEUCKER
       
       6 Sep 2016
       
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