# taz.de -- Kurden-Demonstration in Köln: Tänze in der Sonne
       
       > Rund 30.000 Kurden feiern in Köln neben Öcalan-Bildern und politischen
       > Redebeiträgen. Die türkische Regierung kommt dabei nicht gut weg.
       
 (IMG) Bild: Tanzen gegen Erdogan: Kurden in Köln
       
       KÖLN taz | Das größte Sicherheitsrisiko war ein Rucksack mit Kleidung. Er
       lag auf der Deutzer Brücke in Köln, die die Polizei deshalb am
       Samstagnachmittag für eine Stunde gesperrt hat. Der Kampfmittelräumdienst
       rückt an und fährt unverrichteter Dinge wieder ab. 500 Meter entfernt geht
       das 24. Kulturfest des kurdischen Dachvereins NAV-DEM unberührt seinen
       Gang.
       
       Rund 30.000 Kurden feiern hier, dazwischen verkaufen ein paar biodeutsche
       Kurdistan-Aktivisten ihre Broschüren. An den Bücherständen findet man
       Dostojewski und Nietzsche auf kurdisch. Der Mainzer FDP-Politiker Tobias
       Huch, der macht Selfies mit jungen Frauen. Auf der Bühne hängt ein Bild des
       PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. „Wir sind für die Aufhebung des
       PKK-Verbots“, erklärt Linke-Vorsitzender Bernd Riexinger bei seiner Rede
       auf der Kundgebung. Öcalan dürfe nicht länger im Gefängnis schmoren,
       sondern solle für Verhandlungen eingesetzt werden. Immer wieder hallt „Biji
       serok Apo“ – „Es lebe der Führer Apo“ – über den Platz am Rheinufer.
       
       Ursprünglich hätte das Fest im Rheinenergiestadion stattfinden sollen. Der
       Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte der städtischen
       Betreibergesellschaft jedoch geraten, die Veranstaltung abzusagen. Das
       Sicherheitsrisiko sei zu groß. Immer wieder kam es nach dem versuchten
       Militärputsch Mitte Juli zu kleinen Auseinandersetzungen zwischen
       türkischen Nationalisten und linken kurdischen Gruppen. „Die Angst ist
       größer geworden“, erzählt Hamide Akbayir, die für Die Linke im Kölner
       Stadtrat sitzt. „Als Kurdin ist es nicht mehr so leicht für mich, in die
       Keupstraße zu gehen.“ Die Geschäfte und Restaurants dort sind das Zentrum
       der türkisch- und kurdischstämmigen Community in Köln.
       
       Trotz dieser Sorgen und der Abwesenheit von Schatten ist die Stimmung in
       Deutz ausgelassen. Vor fünf Wochen wurde hier von AKP-Anhängern die
       Todesstrafe gefordert, heute wird Xelef getanzt. Sozan und ihre Freundin
       Rüken aus Wuppertal üben ein paar Tanzschritte. „Es ist traurig, dass das
       Fest verlegt wurde“, sagt Sozan, bevor Rüken sie wegzieht und die beiden
       sich dem nächsten Tanzzirkel anschließen.
       
       ## „Wir hatten Angst“
       
       Mehmet Ata aus Stuttgart zeigt weniger Feierlaune. Ursprünglich wollte er
       mit seiner siebenköpfigen Familie das Fest besuchen, jetzt sind sie nur zu
       viert nach Köln gefahren: „Wir hatten Angst.“ Ata lebt seit 1994 in
       Deutschland, mittlerweile ist er eingebürgert. „Mittlerweile schlafe ich
       nachts nicht mehr gut“, sagt er und erzählt von der türkischen Stadt
       Nuseybin, wo sein Vater und sein Onkel leben. Das Haus seines Onkels ist
       bei einem Bombenangriff der türkischen Armee zerstört worden. In
       Deutschland setzt er keine Hoffnung. „Merkel und Steinmeier sagen nichts“,
       meint er. „Meine deutschen Kollegen wissen zwar, was in den kurdischen
       Gebieten passiert, aber es interessiert sie nicht.“
       
       Evin aus Münster ist dagegen kampflustiger. Sie trägt einen Overall, der
       der Uniform der kurdischen Guerilla YPG nachempfunden ist, aber Evin hat
       ihn bei H&M gekauft. „Erdoğan will die Kurden auslöschen“, sagt sie und
       holt ihre Freundin Şilan dazu, die gerade ihre Verwandten in Nuseybin
       besucht hat. „Zwei Drittel der Häuser dort sind zerstört“, sagt Şilan und
       erzählt von ihrer Tante, die von einer Miene getötet wurde, als sie
       Habseligkeiten aus ihrer zerstörten Wohnung holen wollte. Entmutigt hat die
       beiden das nicht. In ihrer Heimat Münster organisieren sie regelmäßig
       Demonstrationen, zu denen auch Deutsche kämen. „Nur die syrischen Kurden
       kommen dort nicht hin“, sagt Evin.
       
       Auch auf der Bühne wird kämpferisch gesprochen. Um 16.30 Uhr tritt
       Selahattin Demirtaş von der links-kurdischen Partei HDP ans Mikrofon. Es
       bricht ein Jubelsturm los, bevor er auch nur ein einziges Wort gesprochen
       hat. „Die Geschichte werden die schreiben, die Widerstand leisten“, sagt
       er, bevor er sich bei den YPG-Kämpfern für ihren Einsatz gegen die
       „Barbaren“ des IS bedankt. Die AKP-Regierung beweise mit ihrer Offensive in
       Syrien dagegen, dass sie den IS unterstütze. Schließlich hat er noch eine
       Botschaft an die deutschen Politiker, die die Loyalität der hier lebenden
       Kurden in Frage stellen: „Der Kampf der Kurden gegen den IS ist ein Kampf
       für die Sicherheit des deutschen Volkes.“
       
       Der Nachmittag endet, wie er begonnen hat – mit Tänzen in der Kölner Sonne.
       
       3 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Werthschulte
       
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