# taz.de -- Antikomödie „Entertainment“ im Kino: Auf Distanz zu den Menschen
       
       > Witze, nicht zum Lachen: Rick Alverson wirft in seinem Spielfilm
       > „Entertainment“ einen nihilistischen Blick auf die Unterhaltungsbranche
       > der USA.
       
 (IMG) Bild: Schrankhaft ungelenk: Gregg Turkington als Comedian in „Entertainment“
       
       Zu Beginn von Rick Alversons „Entertainment“ erklimmt der namenlose
       Protagonist (Gregg Tukington) eine Treppe zu einem Flugzeugwrack, die Hände
       sichernd am Geländer. Nach kurzem Zögern geht er ins Flugzeuginnere hinein.
       Er blickt sich, den Kopf starr auf den Schultern, durch Drehungen des
       Körpers um, kniet sich hin und blickt durch eine fehlende Seitentür auf die
       Touristengruppe, mit der er auf diesen Flugzeugfriedhof gekommen ist.
       
       Diese Eingangsszene ist durchaus bezeichnend für den Rest des Films:
       Schrankhaft ungelenk geht der namenlose Protagonist durch den Film, hält
       Distanz zwischen sich und seinen Mitmenschen. Die Distanz zwischen dem
       Protagonisten und der Welt scheint sich in seinen Körper eingeschrieben zu
       haben, er geht durchweg mit leichtem Hohlkreuz, den Bauchansatz als Puffer
       der Welt entgegengereckt.
       
       Gemeinsam mit einem Kollegen (Tye Sheridan) tingelt der Protagonist als
       Stand-up-Comedian durch abgehalfterte Spelunken im Niemandsland rund um die
       kalifornische Mojave-Wüste. Seine Auftritte bestreitet er mit schlichten
       Witzen, die sich jenseits jeden Geschmacks bewegen. Zuhörer, die sich über
       dieses Verständnis von Unterhaltung beschweren, putzt er von der Bühne
       herab herunter.
       
       Im Laufe dieser Tournee trifft er durch die unvermeidlichen
       organisatorischen Fragen eine Reihe von Menschen, die ihm eine Interaktion
       eher aufzunötigen scheinen, als dass er sie sucht. Er wechselt von Hotel zu
       Motel und wohnt zwischendrin einige Tage bei seinem Cousin John (John C.
       Reilly), der bei einem seiner Auftritte auftaucht.
       
       Der Cousin besitzt so viel Land, dass es nur per Flugzeug so recht zu
       überblicken ist. Im Flugzeug plappert der Cousin sichtlich erfreut über den
       Besuch ins Headset und schwadroniert davon, dass man auch als Comedian
       einen Businessplan braucht. Der Protagonist hingegen ist so schweigsam,
       dass der Cousin schließlich halbbesorgt fragt, ob er noch lebt.
       
       ## Szenen wirklicher Interaktion
       
       Kurz darauf am Esstisch mit Johns Frau und ihrem Vater gibt es eine der
       wenigen Szenen wirklicher Interaktion. John verliert sich in einer stark
       geschönten Wiedergabe des Auftritts, den er miterlebt hat. Seine Frau,
       sichtlich genervt, entschuldigt sich. Der Cousin beugt sich über den Tisch
       zum Protagonisten, ergeht sich in Beschimpfungen seiner Frau und ihres
       mexikanischen Schwiegervaters und folgt ihr ins Haus.
       
       Ungerührt davon, dass der Protagonist kein Spanisch kann, meint der
       Schwiegervater, dass der Cousin abgemurkst gehöre. Er reiht tödliche Gesten
       aneinander, während ihm der Protagonist lachend gegenübersitzt.
       
       Den übrigen Film über spricht der Protagonist ins Nichts: in die leere Luft
       über dem meist gelangweilten, desinteressierten Publikum oder ins Nirvana
       des Anrufbeantworters seiner Frau. Selbst als er von einer der
       Hotelbekanntschaften zu einem Drink auf ihr Zimmer eingeladen wird, reicht
       die Kommunikation nur so weit, dass die beiden nebeneinander aus dem
       Fenster ins Nichts der Wüste starren und er sie zu einem Auftritt am
       nächsten Tag einlädt.
       
       ## Kalter Blick auf die Dinge
       
       Im Interview im Presseheft erklärt Alverson zum mäßig sympathischen
       Protagonisten des Films: „Ich fand es schon immer problematisch, wie die
       auf die Hauptfiguren fokussierte Sympathie in amerikanischen Filmen
       Selbstverherrlichung und Selbstbestätigung fördert. [. . .] Die Idee der
       sympathischen Figur machte für mich nie wirklich Sinn. [. . .] Wenn wir
       Leuten auf der Straße begegnen, empfinden wir keine Empathie für sie; sie
       kommen uns einfach wie Objekte vor. Diese Art problematischer, kalter Blick
       auf die Dinge, den wir jeden Tag erleben, blenden wir im Kino oder wenn wir
       auf dem Bett sitzen und auf unser Laptop starren, einfach ganz bequem aus,
       aber dabei kommt uns etwas abhanden.“
       
       Die Figur des Comedians beruht auf der Bühnenfigur Neil Hamburger, die der
       Comedian, Schauspieler und Autor – und Hauptdarsteller in „Entertainment“ –
       Gregg Turkington Anfang der 1990er Jahre erfunden hat. Turkington spielte
       schon in Alversons letztem Film „The Comedy“, der nun zeitgleich mit
       „Entertainment“ in deutschen Kinos startet. Nach dem Ende der Dreharbeiten
       von „The Comedy“ schlug Alverson Gregg Turkington vor, einen Film über die
       Figur Neil Hamburger zu drehen, der sich vor allem dessen Leben jenseits
       der Bühne widmet.
       
       Alversons Film ist zum einen durchzogen vom Kontrast zwischen dem Leben des
       Comedians auf und jenseits der Bühne; zum anderen nutzt er den
       Protagonisten, der seinem Abstieg nichts entgegenzusetzen hat, für eine
       immer stärkere Radikalisierung seiner Publikumsbeschimpfung und seines
       Nihilismus, als eine Art Sonde, mit der der Film auf das Kleinkunstgeschäft
       und schließlich auch auf die Unterhaltungsbranche insgesamt blickt.
       
       Für alle, die die Figur Neil Hamburger kennen, ist „Entertainment“
       gelungene Metafiktion, für alle anderen eine gelungene Nichtkomödie über
       das Dasein als Comedian – und eine Perle des US-Indiekinos.
       
       15 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Tietke
       
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