# taz.de -- Staatsbesuch in Tschechien: Neun Demos gegen Merkel
       
       > Trotz gemeinsamer Interessen in Wirtschaft und Wissenschaft: Die
       > Flüchtlingsfrage überschattet den Besuch der Kanzlerin in Prag.
       
 (IMG) Bild: Da waren ihre Sympathiewerte in Tschechien noch größer: Angela Merkel im April 2012 in Prag
       
       Prag taz | Nein, heißt es aus dem Außenministerium, Bundeskanzlerin Angela
       Merkel hat keinen Masterplan mit im Gepäck, wenn sie am Donnerstag um 13.30
       Uhr in Prag landet. Dafür aber, so die Diplomaten, umso mehr Bereitschaft,
       zuzuhören und auszuloten, wo die „rote Linien“ der deutsch-tschechischen
       Beziehungen sind.
       
       Die hat Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik – so bringen zumindest rund 80
       Prozent der Tschechen in verschiedenen Umfragen immer wieder zum Ausdruck –
       schon im letzten Sommer überschritten. Im homogenen Tschechien möchte man
       keine Flüchtlinge oder Migranten aufnehmen.
       
       Und noch weniger möchte man, dass über die tschechische Flüchtlingspolitik
       par ordre du Mutti entschieden wird. Genau das wollen viele Tschechen
       während des heutigen eintägigen Besuchs der Kanzlerin klar machen.
       
       Ganze neun Anti-Merkel Demonstrationen sind am Donnerstag in Prag geplant.
       Schon im Vorfeld des Besuchs gaben sich die Demonstranten kreativ: „Die
       tschechoslowakische Nation wird es dir sagen und dich wegen Verrats an den
       Galgen bringen, du bist wie ein Vampir, der von Blut lebt, aber wir
       fürchten uns nicht vor dir, du Ungeheuer“, lautet ein Gedicht, dass
       anlässlich des Besuchs der Kanzlerin gedichtet wurde.
       
       ## Letzter Prag-Besuch vor vier Jahren
       
       In den sozialen Medien wird Merkel mal als „Reichskanzlerin“, mal als
       „Mutter Terroresia“ oder „Hells Angela“ verhöhnt. Sprüche, die ausdrücken,
       was die Statistik schon länger weiß. Wurde Angela Merkel bis Sommer 2015 in
       Tschechien verehrt, ist ihr Beliebtheitsgrad heute von einst 72 auf 18
       Prozent abgesackt.
       
       Inzwischen gilt die Sympathie der meisten Tschechen auf dem internationalen
       Parkett Wladimir Putin. Mit einem besonders freundlichen Empfang, wie bei
       ihrem letzten Prag-Besuch vor vier Jahren, wird Angela Merkel in ihrer
       alten Studienstadt Prag nicht rechnen dürfen.
       
       Da hilft es auch nicht, dass Angela Merkel sich auf ihre eigenen
       persönlichen „Willkommensklatscher“ freuen darf – eine Pro-Merkel Demo will
       die Kanzlerin schon bei ihrer Ankunft auf dem Václav-Havel-Flughafen
       begrüßen und sie fähnchenschwenkend auf ihrem Weg durch Prag begleiten: Vom
       Flughafen auf das Regierungsamt am Moldauufer, wo Merkel zu einem
       Vieraugengespräch mit ihrem tschechischen Amtskollegen Bohuslav Sobotka
       zusammenkommen wird, bis auf die Prager Burg, wo sie von Präsident Miloš
       Zeman („Flüchtlinge sind Invasoren“) empfangen werden wird.
       
       Zwischen all den politischen Gesprächen, die sich erwartungsgemäß um
       Flüchtlinge und – mit Blick auf den EU-Gipfel im slowakischen Bratislava am
       16. September – um die Zukunft der EU drehen werden, wird Merkel sich die
       Zeit nehmen, die vielen gemeinsamen Interessen zwischen Deutschland und
       Tschechien voranzutreiben. Da liegt der Schwerpunkt vor allem auf einer
       Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.
       
       ## Lange und erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit
       
       Ein großes Thema für beide Seiten liegt in der Digitalisierung der
       Industrie. Denn auch wenn Tschechien ein kleines Land ist, stellt es für
       Deutschland als hochindustrialisierten Exportstaat einen wichtigen Partner
       dar. Wenn Angela Merkel am Donnerstagnachmittag die Technische Universität
       in Prag besucht, um einem Kooperationsvertrag zwischen den tschechischen
       Tüftlern und dem deutschen Zentrum für künstliche Intelligenz Pate zu
       stehen, dann knüpft sie dabei an eine lange und erfolgreiche
       wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder an.
       
       Trotz aller positiven Entwicklungen und Gemeinsamkeiten, die sich im
       deutsch-tschechischen Verhältnis seit der Wende 1989 aufgetan haben, trotz
       eines gemeinsamen „strategischen Dialogs“ auf Regierungsebene und trotz der
       viel gelobten historischen Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen wird
       der Besuch von der Flüchtlingsfrage überschattet bleiben. Die derzeitige
       sozialdemokratisch geführte Regierung ist Angela Merkel und ihrer Politik
       positiv gesinnt und versucht immer wieder, Merkels Standpunkt unter ihren
       Wählern zu kommunizieren.
       
       Ob die tschechischen Sozialdemokraten nach den Wahlen 2017 noch viel zu
       sagen haben werden, muss man bezweifeln.
       
       25 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexandra Mostyn
       
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