# taz.de -- Ästhetik-Offensive bei der BVG: Schluss mit den krummen Dingern
       
       > Seit Jahren quält die BVG Freunde der Zentralperspektive mit ihrem
       > „Brandenburger Tor“. Jetzt endlich reagiert sie auf Kritik.
       
 (IMG) Bild: Endlich alles im Lot: das neue Strichtörchen der BVG
       
       Manchmal werden Wünsche wahr, die man schon fast vergessen hatte. Dinge
       rücken sich unverhofft zurecht, finden zur Harmonie. In diesen seltenen
       Momenten ist man mit der Welt im Einklang.
       
       Die Rede ist hier vom Brandenburger Tor. Nicht vom geschichtsbeladenen
       Original aus Elbsandstein und Kupferblech, das am Samstag 225 Jahre alt
       wird (siehe Kasten). Sondern von seinem kleinen Ebenbild, das seit einigen
       Jahren als Strichzeichnung die Fenster der Berliner U-Bahn ziert, um
       kratzwütige Jugendliche abzuschrecken.
       
       Höchst ungern rückt sich der Autor dieser Zeilen in den Fokus der eigenen
       Berichterstattung, aber hier muss es ausnahmsweise sein. Denn vor fast
       sechs Jahren, genau am 28. Oktober 2010, schrieb er in dieser Zeitung einen
       Text, der wie folgt begann: „Es sind nur ein paar Millimeter. Ein paar
       Millimeter weiße Druckfarbe auf transparenter Folie. Aber sie wiederholen
       sich, zigtausendfach. Und sie sind falsch. Als feinfühliger Mensch hält man
       das kaum aus.“
       
       Zur Erläuterung für alle anderen: Eine der Säulen des Strichtörchens ist
       perspektivisch missraten, ihr Füßchen steht schräg und irgendwie falsch auf
       dem Fenster herum. Kein Beinbruch, könnte man sagen, aber in seiner
       Serialität war und ist es eine tägliche ästhetische Zumutung.
       
       Auch wenn die taz es als Erste erkannte: Sie blieb nicht die Einzige, die
       diesen Missstand anprangerte. Immer wieder piekste jemand in diese winzige
       offene Wunde der großen BVG, bis die sich zum Handeln genötigt sah. Zuerst
       mit einem Akt erwähnenswerter Selbstironie: Im Rahmen der Imagekampagne
       #weilwirdichlieben veröffentlichte sie ein Motiv, auf dem das echte Tor per
       Photoshop grotesk verzerrt worden war. Der Slogan dazu: „Das Brandenburger
       Tor, so wie wir es sehen.“
       
       ## Endlich geglättet
       
       Das war der Satisfaktion schon fast genug, aber nun kommt es noch besser.
       „Wir mussten da mal was geraderücken“, meldete die BVG am Donnerstag und
       verkündete, das Tor endlich geglättet zu haben. Nach einer
       „designtechnischen Rundumsanierung“ prange das kleine Wahrzeichen „nun auch
       in korrekter perspektivischer Darstellung“ auf der Fensterfolie. „Wir sind
       zwar tolerant bei allem Schrägen“, so BVG-Sprecherin Petra Reetz, „hier
       haben wir aber gern begradigt.“
       
       Genau genommen fiel die Entscheidung, eine überarbeitete Fassung drucken zu
       lassen, schon Anfang 2015. Aber weil das landeseigene Unternehmen kein Geld
       aus dem Fenster wirft – ob mit oder ohne Folie –, sollten erst alle krummen
       Restbestände verbraucht werden. Das ist mittlerweile geschehen. Ab sofort
       kommen bei jedem Folien- oder Scheibenwechsel auch die Fans der
       Zentralperspektive auf ihre Kosten. Dafür danke, liebe BVG.
       
       Obwohl: Werden wir es nicht auch ein bisschen vermissen, das schiefe
       Tor-Füßchen? Sind es nicht gerade die kleinen und großen Eigenwilligkeiten,
       die eine Stadt wie Berlin auszeichnen? Das Ungrade, das Ausbrechen aus der
       Norm?
       
       Ja, so ist das mit den Wünschen: Kaum sind sie erfüllt, melden sich neue.
       Aber wissen Sie was? Manchmal muss man sich einfach entscheiden.
       
       5 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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