# taz.de -- Die Bundesliga und die 50+1-Regel: Vereinsmeierei im Millionenbiz
       
       > Fußball ist Geschäft, die Erstligisten arbeiten wie
       > Wirtschaftsunternehmen. Doch viele Fans glauben noch an ihren Sport als
       > Gemeinschaftsprojekt.
       
 (IMG) Bild: Hand aufs Sponsorenlogo: der Schalker Leroy Sané inmitten von Fans
       
       47.270 wahlberechtigte Vereinsmitglieder haben im Juli entschieden, wer
       Präsident des FC Barcelonas sein sollte. Nun wählen zwar auch Deutschlands
       beste Fußball-Vereine in regelmäßigen Abständen ihre präsidialen
       Oberhäupter. Diese sind dann, wie es Franz Beckenbauer einst nannte, aber
       eher für die Schachspieler zuständig als für die Fußballstars.
       
       In der Bundesliga gehen nur noch Schalke 04, der FSV Mainz 05, der SV
       Darmstadt und der SC Freiburg als eingetragene Vereine ins Rennen. In Mainz
       darf man gespannt sein, wie sich der Verein nach dem Abgang von Manager
       Christian Heidel strategisch ausrichtet. Selbst Darmstadt lässt inzwischen
       verlauten, dass man sich in Sachen Organisationsstruktur im „Denk- und im
       Austauschprozess“ mit den Mitgliedern befände.
       
       Ausgerechnet beim sportlich durchaus ambitionierten FC Schalke 04 scheint
       der Verein aber heilig, wie bereits in der Wortwahl von Finanzchef Peter
       Peters durchklingt: „Jeder spürt und weiß, dass sich die Seele des FC
       Schalke 04 in der Rechtsform eingetragener Verein sehr wohl fühlt.“
       
       Und das, obwohl es finanziell durchaus verlockend ist, die Profiabteilung
       auszugliedern und so Geld von Investoren einzusammeln. Bestes Beispiel: das
       mit den Millionen eines Energiebrause-Konzerns aufgebaute Team in Leipzig.
       Gerade in Liga eins aufgestiegen, wird die Mannschaft bereits als
       zukünftiger Bayern-Jäger gehandelt.
       
       ## Rasenball im Wohnzimmer
       
       Wie sehr man sich bei Rasenballsport Leipzig gegen Mitbestimmung wehrt,
       zeigte sich nach dem Zweitliga-Aufstieg 2014. Während andere Vereine mit
       ihren hohen Mitgliederzahlen prahlen, hätten Versammlungen von RB Leipzig
       zu Drittliga-Zeiten auch im Wohnzimmer stattfinden können. Neun Mitglieder
       – wohlgemerkt allesamt Konzernmitarbeiter – hatte der „Verein“ als
       Aufstiegsaspirant in Liga drei. Anträge von Neumitgliedern konnte der
       Vorstand ohne Begründung ablehnen.
       
       Während der DFB dieses Modell noch absegnete, pochte die DFL nach dem
       Aufstieg in Liga zwei auf Änderungen. Gar nicht verstehen konnte dies
       zunächst Konzernboss Dietrich Mateschitz. Nicht, dass er Millionen um
       Millionen in kickendes Personal steckte und diese am Ende noch mit
       Coca-Cola-Logo über das Grün liefen!
       
       Ende 2014 strukturierte RB Leipzig die Organisation des Fußballbetriebs um.
       Die damals 14 stimmberechtigten Mitglieder entschieden sich für das
       Ausgliedern der Profimannschaft und diverser Nachwuchsteams in eine eigens
       gegründete Gesellschaft. Außerdem führte der Verein eine
       Fördermitgliedschaft ein.
       
       Wer wollte, konnte fortan zwar in den Verein eintreten – Stimmrechte
       erhielten neue Mitglieder aber keine. 600 Mitglieder soll RB Leipzig
       inzwischen haben, auf Schalke sind es 141.000. Das Motto in Leipzig lautet:
       Bitte, liebe Fans, kommt ins Stadion, freut euch über Fußballunterhaltung
       und kauft Energiedrinks, aber pfuscht uns nicht ins Management!
       
       Bundesligisten seien mit ihren Umsätzen in Millionenhöhe de facto
       mittelständische Unternehmen, die sich unter dem Mantel der
       Gemeinnützigkeit verstecken, kritisieren die Befürworter der
       Ausgliederungen. Ihrer Ansicht nach ist ein professionelles Management in
       Vereinsstrukturen nicht möglich. Eine Auffassung, die Peter Heermann,
       Professor für Sportrecht an der Universität Bayreuth, allerdings als
       Scheinargument bewertet: „Der FC Bayern wäre vermutlich auch mit
       Vereinsstrukturen ähnlich erfolgreich.“
       
       Auch Christian Heidel belegte in Mainz 24 Jahre lang, dass ein Verein
       erfolgreich geführt werden kann. Saison für Saison stellte er mit
       vergleichsweise geringen Mitteln ein Team zusammen, das den
       Kapitalgesellschaften Paroli bot. Nun zieht es ihn weiter nach Schalke.
       
       ## Der Wert der Mitbestimmung
       
       Schalkes Finanzmeister Peters will es nicht auf sich sitzen lassen, dass
       ein Bundesligist im Rahmen eines Vereins nicht professionell organisiert
       werden kann: „Wir sind hervorragend damit gefahren und haben uns in den
       vergangenen 15 Jahren nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich
       äußert erfolgreich entwickelt.“ 2015 vermeldete Peters mit 264,5 Millionen
       Euro den höchsten Umsatz der Vereinsgeschichte, 49,1 Millionen Euro mehr
       als im Vorjahr. Seit April 2010 reduzierten die Schalker ihre Schulden von
       einst 250 Millionen auf 146 Millionen Euro.
       
       Auch beim Zweitligisten 1. FC Union Berlin debattierten die Mitglieder vor
       gut einem Jahr rege über eine Ausgliederung. Die ehrgeizigen unter ihnen
       träumten mit ein paar Millionen mehr in der Kriegskasse von der ersten
       Liga. „Es gab eine große Wertediskussion: Welche Kröten ist man bereit zu
       schlucken um des sportlichen Erfolges wegen, den man anstrebt“, erinnert
       sich Union-Mitglied Sig Zelt, Sprecher der Fanorganisation ProFans. Am Ende
       seien sich die Mitglieder weitestgehend einig gewesen: Ihr mit Abstand
       wichtigste Wert lautet Mitbestimmung.
       
       Ähnlich sieht es Peters für die Knappen aus dem Ruhrgebiet: „Wir haben beim
       FC Schalke 04 eine Grundsatzentscheidung getroffen: Die vereinseigenen
       Rechte sowie die Unabhängigkeit des Clubs stellen für uns das höchste Gut
       dar. Zudem machen einen Verein die Menschen aus, die ihn lieben.“
       
       Nun müssen Unternehmen wie Evonik (Dortmund), Volkswagen (Wolfsburg) oder
       Audi (München, Ingolstadt) Rechenschaft vor den eigenen Aktionären ablegen.
       Peters warnt: „Da Investoren jedoch auch Geld verdienen und nicht verlieren
       wollen, sichern sie sich nachhaltig nicht nur Rendite, sondern auch
       Einfluss.“
       
       Doch lässt sich der Profi-Fußball in Deutschland den kommerziellen
       Spielregeln der Unterhaltungsindustrie weiter unterwerfen? „Die
       Attraktivität des Fußballs entsteht dadurch, dass viele Leute in ihrer
       Freizeit aus Fanatismus daran mitwirken. Die verlangen dafür kein Geld. Im
       Gegenteil: Die bezahlen auch noch“, meint Zelt. Hört sich fast so an, als
       ob Fans zahlende Marketing-Mitarbeiter sind, die den Mythos Fußball erst
       möglich machen. Aber, warnt Zelt: „Wenn man gnadenlos kommerzialisiert und
       ökonomisch durchorganisiert, dann läuft man Gefahr, dass man längerfristig
       eine Bruchlandung erleben wird.“
       
       Spieltag für Spieltag kreieren Fußball-Fans eine sich permanent selbst
       bewahrheitende Illusion eines „Wir“-Gefühls. Eine Illusion, die für die
       werbetreibende Industrie einiges wert ist. Während Schalke auf die
       traditionelle Gemeinschaft setzt, betrachtet man Fans in Leipzig eher als
       Konsumenten hochwertigen Ballsports. Die Frage lautet dort, wie man die
       Liebe zum Sport in verkaufte Brause umwandeln kann.
       
       ## Mehr als ein Verein
       
       Andererseits wird sich auch der ein oder andere Liebhaber der Bundesliga
       auf Rasenballsport Leipzig freuen: Schließlich könnte dank der
       Mateschitz-Millionen eines Tages sogar das Dauer-Abo des FC Bayern auf die
       Meisterschaft enden.
       
       Und ob es Fans und Zuschauer am Ende juckt, wie eine Mannschaft zu
       sportlichem Erfolg gekommen ist? Schlussendlich müssen schließlich auch
       Vereine irgendwie dafür sorgen, die Millionen für Ihre kickenden
       Angestellten aufzutreiben. Manchmal wirkt es dabei so, als ob der e. V. zu
       einem Marketing-Tool für Nostalgiker mutiert.
       
       In Barcelona lautet das Motto: „Més que un club“. Mehr als ein Verein. Oder
       wie andere sagen: „The show must go on!“
       
       31 Jul 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Moritz Förster
       
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