# taz.de -- Folgen der Abstimmung für Irland: Erst Brexit, dann Scexit. Und dann?
       
       > Mit der Loyalität Nordirlands könnte es rasch vorbei sein. Dann nämlich,
       > wenn die Schotten ein Unabhängigkeits-Referendum anstreben.
       
 (IMG) Bild: Ein Bild aus besseren Zeiten: Brexit-Gegner in der nordirischen Hauptstadt Belfast. In ihrer Mitte der britische Schatzkanzler George Osborne
       
       Berlin taz | Niemand weiß genau, welche Auswirkungen das britische
       Brexit-Votum auf Irland haben wird, aber man verfällt vorsichtshalber schon
       mal in Panik. Die irische Industrie- und Handelskammer warnte, dass Irlands
       Exporte ins Vereinigte Königreich – immerhin 15 Prozent aller Exporte – ins
       Bodenlose fallen könnten, da der Sterlingverfall die Waren zu teuer mache.
       Aus demselben Grund werden britische Touristen ausbleiben. Die Regierung
       befürchtet obendrein, dass der kleine Grenzverkehr zum Erliegen kommen
       könnte. Täglich überqueren tausende Menschen die innerirische Grenze auf
       dem Weg zur Arbeit, die meisten von Süd nach Nord, weil dort die Löhne
       etwas höher sind.
       
       Von den zu erwartenden positiven Auswirkungen ist selten die Rede. Importe
       aus Großbritannien werden billiger, für ausländische Unternehmen wird
       Irland attraktiver als beispielsweise Schottland, britische Banken und
       Versicherungen werden sich in Irland ansiedeln, um einen Fuß in der EU zu
       behalten. Nachdem im Frühjahr das Datum für das Referendum verkündet wurde,
       haben sich bereits Hunderte britischer Rechtsanwälte und Notare in Irland
       registriert, um nicht vom EU-Markt abgeschnitten zu sein. Und demnächst
       können die Iren aus der Republik in den Norden fahren und Super-Staubsauger
       kaufen, denn die von der EU auferlegte Höchstgrenze zum Schutz der Umwelt
       gilt dann dort nicht mehr.
       
       Die Nordiren haben mit einer deutlichen Mehrheit von 55,77 Prozent für den
       Verbleib in der EU gestimmt, was ihnen aber nichts genutzt hat. Viele haben
       Angst vor einer erneuten hermetischen Grenzabriegelung, die allerdings
       selbst in den schlimmsten Zeiten des politischen Konflikts nie hermetisch
       war. Die kleinen Landstraßen, auf denen man vier, fünf Mal die Grenze
       überquert, sind gar nicht abzusichern. So könnte das Referendums-Ergebnis
       einen unerwünschten Nebeneffekt für die stärkste Partei, die Democratic
       Unionist Party (DUP), haben. Ian Paisley, der Sohn des gleichnamigen
       bigotten Pfaffen und Parteigründers, freute sich, dass die Partei nun mehr
       Einfluss im Unterhaus haben werde.
       
       Aber es könnte schwieriger werden, dort hinzukommen. Der britische
       Noch-Premier David Cameron hatte im Vorfeld des Volksentscheids angedeutet,
       dass man mangels Kontrollmöglichkeit der inneririschen Grenze die
       Kontrollen in die britischen Häfen Stranraer, Liverpool, Holyhead und
       Fishguard verlegen werde, wo die Schiffe aus Irland anlegen. Damit würden
       Nord- und Südiren bei der Einreise nach Großbritannien gleichermaßen als
       Ausländer behandelt. Sinn Féins Vizechef und stellvertretender nordirischer
       Premierminister Martin McGuinness forderte deshalb einen Volksentscheid
       über die irische Vereinigung, was die Premierministerin Arlene Foster von
       der DUP selbstverständlich ablehnte.
       
       ## Nur eine Frage der Zeit
       
       Aber man muss ja gar nicht darüber abstimmen, wenn die Vereinigung
       schrittweise vollzogen wird. In vielen Bereichen wie Wasserwirtschaft,
       Tourismus und teilweise auch Sport gibt es bereits gesamtirische
       Institutionen, und wenn die königstreuen nordirischen Untertanen von ihrer
       eigenen Regierung als Fremde behandelt werden, wird es vielleicht auch
       irgendwann mit ihrer Loyalität vorbei sein.
       
       Das könnte schneller passieren, als man denkt – wenn sich nämlich die
       Schotten, mit denen sich Nordirlands Loyalisten eng verbunden fühlen, aus
       dem Vereinigten Königreich verabschieden. Ein zweites
       Unabhängigkeits-Referendum ist lediglich eine Frage der Zeit. Die
       schottische Premierministerin Nicola Sturgeon hat am Freitagmorgen bereits
       angekündigt, so bald wie möglich einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der
       einen solchen Volksentscheid erlaubt. „Wir werden gegen unseren Willen aus
       der EU gezerrt“, sagte sie. „Das ist demokratisch inakzeptabel.“ 62 Prozent
       der Schotten haben für einen Verbleib in der EU gestimmt. Wenn in Umfragen
       ebenfalls rund 60 Prozent für die Unabhängigkeit sind, wird Sturgeon nicht
       länger zögern, vorausgesetzt, das Unterhaus stimmt zu. Dann stünde dem
       Scexit nichts mehr im Weg.
       
       25 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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