# taz.de -- Hyperlokale Blogs in Schwierigkeiten: Bezahlt uns, sonst sind wir weg
       
       > Hyperlokale Blogs kämpfen ums Überleben. Die ersten haben sich bereits
       > zurückgezogen. Wer nicht untergehen will, braucht ernsthaftes Marketing.
       
 (IMG) Bild: Licht aus: In Hamburg haben im Juni gleich zwei hyperlokale Onlineprojekte dichtgemacht
       
       Neulich in der Handelskammer Hamburg, am Rande eines der zahlreichen
       Medienkongresse. „Wie läuft’s bei euch?“ fragt ein Mann einen Redakteur des
       Hamburger Abendblatts. „Ach, Dauerkrise“, seufzt der Funke-Mann. Er hoffe
       darauf, dass Verlagsjournalismus künftig „öffentlich-rechtlich“ oder über
       Stiftungen finanziert werde.
       
       Wenn schon ein Redakteur einer traditionsreichen Zeitung pessimistisch in
       die Zukunft blickt, kann man sich vorstellen, wie die Stimmung bei
       verlagsunabhängigen Lokalmedien ist. In Hamburg haben sich im Juni gleich
       zwei hyperlokale Onlineprojekte verabschiedet: zunächst HH Mittendrin, 2012
       gestartet und gewidmet dem Bezirk Mitte, zu dem unter anderem St. Pauli
       gehört, und kürzlich Wilhelmsburg Online.
       
       In den nuller Jahren galt hyperlokaler Journalismus als Zukunftstrend. Doch
       längst „kämpfen deutschlandweit lokale Onlinemedien ums Überleben“, sagt
       Annabel Trautwein, die Wilhelmsburg Online gegründet hatte. Manchmal sind
       fürs Überleben rigide Maßnahmen notwendig. Die [1][Prenzlauer Berg
       Nachrichten] in Berlin etwa setzten ihren Lesern im Mai 2015 ein Ultimatum.
       Wären nicht 750 Abos zu monatlich 4,90 Euro zusammengekommen, wäre die
       lokale Onlinezeitung Geschichte gewesen. Inzwischen haben die PBN 600
       Abonnenten. Rund 150 Abos, die Unterstützer in Paketen abgeschlossen
       hatten, sind ausgelaufen. Philipp Schwörbel, Mitgründer der PBN und
       hauptberuflich Geschäftsführer der Krautreporter, bezeichnet die
       Entwicklung als „noch stabil“. Zuletzt hielten sich die PBN in Sachen
       Eigenwerbung zurück. Man habe die Leser 2015 „sehr beansprucht“, erläutert
       Schwörbel. Für den Herbst sei aber eine neue Kampagne geplant.
       
       Fast überall haben oder hatten die publizistischen Mini-Einheiten dieselben
       Probleme wie die großen Häuser: die geringe Bereitschaft, für
       Online-Inhalte zu zahlen, und die schwachen Werbeerlöse. „Das Geld, das wir
       zum Leben brauchen, aber auch Investitionen in die Redaktion von
       Wilhelmsburg Online mussten wir in anderen, zusätzlichen Jobs
       erwirtschaften“, [2][schreibt Trautwein in ihrem Abschiedsbeitrag]. Dadurch
       ergebe sich das Problem, dass man „häufig bis spät in die Nacht“ für die
       Herzenssache im Einsatz sein muss und kaum noch freie Wochenenden kennt.
       Trautweins Bilanz: „Auf Dauer geht das nicht gut.“
       
       Auch aus einem weiteren Grund geht das nicht gut. „Wer ernsthaft
       Lokaljournalismus betreiben will, muss das Grundrauschen vor Ort
       mitbekommen. Wenn ich drei Tage pro Woche in einen anderen Job eingebunden
       bin, fehlt mir dafür aber die Zeit“, sagt Trautwein.
       
       ## Vermarktung ist alles
       
       Optimismus verbreitet dagegen Jan Hildebrandt, der Geschäftsführer einer
       anderen hyperlokalen Onlinezeitung aus Hamburg. Er hat 2013 die
       [3][Eimsbütteler Nachrichten] mit gegründet. „Das Projekt entwickelt sich
       gut genug, um dabei zu bleiben“, sagt er nun. Sogar eine zarte Expansion
       ist zu verzeichnen. Seit Anfang 2015 sind drei Spezialausgaben als
       Print-Ableger erschienen. Ab Ende Juli kommt parallel zur Onlinezeitung
       vierteljährlich ein gedrucktes Magazin. Als Stärke der Eimsbütteler
       Nachrichten sieht Hildebrandt, dass man sich von Anfang an stark um die
       Vermarktung gekümmert habe.
       
       Eine weitere Erfolgsgeschichte spielt sich am anderen Ende der Republik ab.
       Für die [4][Tegernseer Stimme], 2010 gegründet, arbeiten mittlerweile zehn
       Festangestellte, inklusive Anzeigenverkäufer. Geschäftsführer Peter Posztos
       äußert sich ähnlich wie der Hamburger Hildebrandt: Den Anzeigenverkauf zu
       professionalisieren sei ein wichtiger Schritt gewesen. 6.000 bis 7.000
       sogenannte „unique“ Leser erreicht die Tegernseer Stimme derzeit. Seit 2014
       gibt es mit der [5][Holzkirchner Stimme] einen Ableger in der Region.
       
       Die etablierte Konkurrenz vor Ort sind Lokalausgaben des Münchner Merkurs:
       die Tegernseer Zeitung und der Holzkirchner Merkur. Gegenüber den beiden
       Printtiteln habe man vor allem einen Vorteil, sagt Geschäftsführer Posztos:
       „Indem wir uns aufs Digitale konzentrieren, erreichen wir Leser, die sich
       für eine klassische Zeitung nicht mehr interessieren.“ Das klingt
       plausibel, gilt anderswo in der Republik aber offenbar nicht im selben
       Maße.
       
       30 Jun 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.prenzlauerberg-nachrichten.de/
 (DIR) [2] http://www.wilhelmsburgonline.de/2016/06/wilhelmsburgonline-de-sagt-lebewohl/
 (DIR) [3] http://www.eimsbuetteler-nachrichten.de/
 (DIR) [4] https://tegernseerstimme.de/
 (DIR) [5] https://holzkirchnerstimme.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lokaljournalismus
 (DIR) Blog
 (DIR) Marketing
 (DIR) Kolumne Flimmern und Rauschen
 (DIR) Journalismus
 (DIR) Lokalzeitung
 (DIR) Blog
 (DIR) Zeit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Crowdfinanzierter Journalismus: Ein Meinungsspektrum für alle
       
       Seit Dienstag sammelt das Start-up Buzzard Geld, um eine Debattenplattform
       zu starten. Diese soll den Diskurs verändern.
       
 (DIR) Start Ups in der Medienbranche: Gekommen, um zu bleiben
       
       Den Medien geht die Luft aus? Quatsch. Die Szene entwickelt immer neue
       Projekte. Ein unvollständiger Überblick.
       
 (DIR) Hamburger Stadtgeschehen: Abschied vom Hyperlokalen
       
       Den Hamburger Lokalblogs und -magazinen geht die Puste aus. „HH Mittendrin“
       gibt auf, der St.-Pauli-Blog wurde eingestellt, bei „Wilhelmsburg online“
       ist alles offen.
       
 (DIR) Hyperlokale Blogs: Das Ende des Hypes
       
       Die „Prenzlauer Berg Nachrichten“ kämpfen ums Überleben – wie viele
       hyperlokale Blogs. Hat der Onlinejournalismus der Nachbarschaft eine
       Zukunft?
       
 (DIR) „Zeit“ mit Hansestadt-Teil: Hyperlokales Hamburg
       
       Am Donnerstag erscheint die Wochenzeitung „Zeit“ erstmals mit einem
       Hamburg-Teil. Online will sie dafür mit Stadtteil-Blogs zusammenarbeiten.
       
 (DIR) Berliner Kiezblogs und Onlinezeitungen: Trüffelschwein im Kiezgewimmel
       
       Semiprofessionelle Stadtteilblogs boomen. Denn sie berichten aus den
       Bezirken - eine Ebene, die in den etablierten Medien oft ausgeblendet wird