# taz.de -- Hauptversammlung bei VW: Tag der Abrechnung
       
       > Auf der Hauptversammlung lassen die Aktionäre ihrer Wut freien Lauf. Im
       > Mittelpunkt der Kritik: Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch.
       
 (IMG) Bild: Oje, wie kommt man da bloß wieder raus? Ohne Diesel jedenfalls, glaubt VW-Chef Matthias Müller
       
       Hannover taz | Anzeigen der Bundesfinanzaufsicht Bafin nicht nur gegen
       Exkonzernchef Martin Winterkorn, sondern nach Insiderinformationen gegen
       den gesamten Vorstand. Dazu der amtierende Vorstandsvorsitzende Matthias
       Müller, der den Dieselmotor plötzlich für „teuer und aufwendig“ erklärt und
       Deutschlands größten Autobauer mit den durch Atomausstieg und Energiewende
       massiv angeschlagenen Stromversorgern RWE und E.on vergleicht: Mies wie nie
       war die Stimmung der Aktionäre am Mittwoch bei der Hauptversammlung der
       Volkswagen AG in Hannover.
       
       Schon zu Beginn der Aussprache hagelte es Abwahlanträge gegen den
       Versammlungsleiter, Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Der sei ein
       „blinder Wegseher“, polterte der Aktionär Manfred Klein aus Saarbrücken.
       
       Für „nicht tragbar“ erklärte auch Markus Dufner vom Dachverband der
       Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre den Oberkontrolleur: Der 65-Jährige
       war bei Aufdeckung des Abgas-Manipulationsskandals seit zwölf Jahren
       Finanzvorstand bei Volkswagen.
       
       Anlass der Kritik: Gegenüber der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA hatte
       der Wolfsburger Konzern bereits am 3. September 2015 eingeräumt, seine
       Dieselmodelle so manipuliert zu haben, dass sie bei Tests sauberer
       dastanden als auf der Straße. Die Öffentlichkeit aber informierte VW erst
       Wochen später. Noch später teilten die Niedersachsen mit, dass weltweit
       mindestens elf Millionen Fahrzeuge betroffen seien.
       
       ## Noch mehr juristische Baustellen
       
       Daraufhin brach der Aktienkurs ein: Mit aktuell 124 Euro ist ein
       Anteilsschein der Wolfsburger heute nur noch halb so viel wert wie vor
       Bekanntwerden der Manipulationen.
       
       Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat bestätigt, das sie nicht nur gegen
       Winterkorn, sondern auch gegen den amtierenden Chef der Kernmarke VW,
       Herbert Diess, ermittelt. Außerdem hat die Anwaltskanzlei Emanuel Quinn
       mitgeteilt, dass sie im Namen des Pensionsfonds für Lehrer in Kalifornien
       und weiterer Investoren Klage eingereicht habe.
       
       Doch die Wut auf den Aufsichtsrat saß bei dem VW-Aktionärstreffen noch
       tiefer. Pötsch sei nicht nur ein „personifizierter Interessenkonfikt“,
       sagte der kritische Aktionär Dufner, sondern lediglich wegen einer
       „unglaublichen Filzokratie“ bei Volkswagen im Amt.
       
       ## Immer wieder: Die Haupteigner halten zu Pötsch
       
       Tatsächlich scheiterten die Abwahlanträge erwartungsgemäß an den Stimmen
       der Haupteignerfamilien Porsche und Piëch. Und eben diesen beiden verdankt
       der Aufsichtsratsvorsitzende seinen Posten: Zusammen halten sie 50,73
       Prozent des Autobauers, das Land Niedersachsen ist mit weiteren 20 Prozent
       beteiligt.
       
       Den Wechsel von Pötsch vom Vorstand ins Kontrollgremium vergoldeten die
       Familien mit 19,7 Millionen Euro – das sind die Einkünfte, die der
       Aufsichtsratsvorsitzende ohne den Skandal in seinem alten Job als
       Finanzvorstand bis 2017 möglicherweise erhalten hätte. Auch die
       Bonuszahlungen in hoher zweistelliger Millionenhöhe, die die VW-Vorstände
       trotz eines Rekordverlusts von 4,1 Milliarden Euro in 2015 kassierten,
       ärgerten fast alle Aktionäre.
       
       Entsprechend kleinlaut gaben sich Pötsch selbst – auch wenn der irgendwann
       die Geduld verlor und die Redezeit verkürzte – und besonders der aktuelle
       Konzernchef Müller. Der versprach, Deutschlands größten Autobauer
       „nachhaltig“ zu einem innovativen Mobilitätsdienstleister umzubauen: 2030
       werde jeder dritte Wagen des Konzerns ein Elektroauto sein. Zwar konnte
       Müller nicht schlüssig erklären, wie er dies finanzieren will. VW hat für
       den Diesel-Skandal bis heute 16,2 Milliarden Euro zurückstellen müssen.
       
       Nicht entlastet zu werden, mussten beide nicht fürchten. Schließlich gilt
       auch hier die Mehrheit der Haupteigner-Familien.
       
       22 Jun 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
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