# taz.de -- Lockerung von Russland-Sanktionen: Handel statt Wandel
       
       > Trotz des andauernden Krieges in der Ostukraine erwägt die
       > Bundesregierung eine Lockerung der Sanktionen gegen Russland. Das soll
       > den Handel beleben.
       
 (IMG) Bild: Jüngste russische Signale: ein zerschossenes Haus auf der ukrainischen Seite der Front
       
       Berlin afp/taz | Die Bundesregierung arbeitet an einer vorsichtigen
       Lockerung der Sanktionen gegen Russland. „Meine Haltung war immer:
       Sanktionen sind kein Selbstzweck“, sagte Außenminister Frank-Walter
       Steinmeier (SPD) dem Nachrichtenmagazin Spiegel. „Wenn es zu Fortschritten
       bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen kommt, können wir auch über
       Sanktionserleichterungen sprechen.“
       
       Bisher hatte die EU die Aufhebung der Sanktionen an eine vollständige
       Erfüllung des Minsker Abkommens geknüpft, das unter anderem ein Ende der
       Gefechte und den Abzug schwerer Waffen aus den umkämpften Gebieten in der
       Ostukraine und die Kontrolle der Staatsgrenze zu Russland durch ukrainische
       Behörden vorsieht. Nichts davon ist umgesetzt. Fast täglich gibt es bei den
       Gefechten Todesopfer – so wurden erst Anfang der Woche sieben ukrainische
       Soldaten an einem Tag getötet.
       
       Auch eine Reform der ukrainischen Verfassung mit Rechten für die Regionen
       kommt nicht voran. Wahlen in den von prorussischen Milizen kontrollierten
       Gebieten würden ohnehin unter schwierigsten Bedingungen stattfinden, weil
       die Milizen ihre [1][Herrschaft mit Repression und Folter] aufrecht
       erhalten. Außenamts-Sprecher Martin Schäfer sagte am Freitag, dass der
       Druck auf Moskau zwar aufrecht erhalten, mit den Sanktionen aber „auf
       intelligente Weise“ umgegangen werden müsse.
       
       Das Prinzip „Alles oder Nichts“ sei nicht zielführend, fügte Schäfer hinzu.
       Bei substanziellen Fortschritten müsse auch ein stufenweiser Abbau der
       Sanktionen möglich sein. Laut Spiegel unterstützt auch das Kanzleramt den
       neuen Kurs. Der Plan sei, im Gegenzug für die erhoffte Kooperation Moskaus
       bei den angestrebten Lokalwahlen in der Ostukraine erste Strafen
       aufzuheben.
       
       Eine ähnliche Haltung hatte Wirtschaftsminister und [2][SPD-Chef Sigmar
       Gabriel am Mittwoch signalisiert], als er den sogenannten Russland-Tag des
       Landes Mecklenburg-Vorpommern besuchte. Die Lobbyveranstaltung wird von
       Unternehmen finanziert, die am Pipeline-Bau durch die Ostsee beteiligt
       sind. Als [3][„Platin-Sponsor“ firmiert der russische Staatskonzern
       Gazprom].
       
       ## Entscheidung über Sanktionen bis Ende Juli
       
       Als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch die
       Regierung in Moskau im Jahr 2014 hatten die EU und die USA Sanktionen gegen
       Russland verhängt. Die Strafmaßnahmen richten sich unter anderem gegen
       Staatsbanken, den Im- und Export von Rüstungsgütern sowie die wichtige
       russische Öl- und Gasindustrie. Wegen des russischen Eingreifens im Donbass
       wurden die Sanktionen erweitert. Die EU muss bis Ende Juli entscheiden, ob
       sie diese Sanktionen nochmals verlängert.
       
       Die neue Haltung Berlins fällt laut „Spiegel“ mit einer Ausweitung der
       Kontakte mit Moskau auf vielen Ebenen zusammen. So werde Hamburgs
       Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) beim Petersburger Dialog Mitte Juli auf
       deutscher Seite als Hauptredner auftreten. Dass ein hochrangiger deutscher
       Politiker zum Forum nach Sankt Petersburg reist, werde als Zeichen der
       [4][Aufwertung des umstrittenen Formats] gewertet.
       
       Die Lage in der Ostukraine ist auch Thema eines Treffens zwischen
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Nato-Generalsekretär Jens
       Stoltenberg am kommenden Donnerstag in Berlin. Nach Angaben der
       Bundesregierung findet das Gespräch als Vorbereitung für den Nato-Gipfel am
       8. und 9. Juli in Warschau statt. Bei seinem Besuch in Berlin werde
       Stoltenberg auch Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der
       Leyen (CDU) treffen.
       
       Russland hatte als Reaktion auf die westlichen Sanktionen ein Importverbot
       für Agrarprodukte aus der EU verhängt. Bundeslandwirtschaftsminister
       Christian Schmidt (CSU) sagte dem Nachrichtenmagazin Focus, er hoffe auf
       eine Lockerung des russischen Embargos. „Ich treffe bald im Rahmen der G20
       meinen russischen Kollegen. Mein Ziel ist, dass wir die Handelsbeziehungen
       wieder aufnehmen – auch im Lebensmittelbereich“, sagte Schmidt.
       
       27 May 2016
       
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