# taz.de -- Videos der Bundesregierung: Schöne Grüße vom Ministerium
       
       > Die Bundesregierung veröffentlicht vermehrt eigene Videos. Viele Medien
       > übernehmen die Bilder oder Statements. Die Regierung freut’s.
       
 (IMG) Bild: Notlösung: Nicht nur das ZDF lässt Regierungspolitiker sprechen ohne nachfragen zu können
       
       Beim „heute journal“ ist ganz offen von einer „Notlösung“ die Rede. „In der
       Regel führen unsere Reporter Interviews, um Statements zu relevanten Fragen
       zu bekommen“, sagt Redaktionsleiterin Anne Reidt. Doch als man sich Mitte
       Mai entschieden habe, die unterschiedlichen Positionen zum vermeintlichen
       Pestizid Glyphosat darzustellen, sei die entscheidende Ministerin gerade
       auf Reisen gewesen und „für uns nicht erreichbar“. Deshalb habe man auf
       eine Videobotschaft von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks
       zurückgegriffen.
       
       Was die Leiterin des ZDF-Nachrichtenmagazins als „journalistisch
       vertretbar“ rechtfertigt, da man schließlich auch die Quelle transparent
       gemacht habe, ist zugleich ein großer Erfolg für das Ministerium. Die
       Übernahme zeigt, wie gut die Online-PR funktioniert – und wie sehr sich
       diese mediale Parallelwelt mit der traditionellen von Zeitungen,
       Onlineportalen, Nachrichtenagenturen und Sendern vermischt.
       Hendricks’Botschaft ist immerhin auch über Ticker gelaufen, in
       Onlinenachrichten eingebunden und im Hörfunk als Originalton gesendet
       worden.
       
       Keine Frage: Natürlich gehört es sich für politische Kommunikation, nicht
       nur Broschüren zu drucken und Busladungen durchs Regierungsviertel zu
       kutschieren. Beim Bundespresseamt ist dann auch von einer „zeitgemäßen
       Erweiterung unserer Öffentlichkeitsarbeit“ die Rede, die „bürgernah und
       dialogorientiert“ sei. Tatsächlich kommt die Regierung im Netz sogar sowohl
       zugänglich als auch sympathisch daher. Allein: Vor allem die
       Video-Aktivitäten verändern zunehmend auch das Miteinander von Politik und
       Medien.
       
       „Das Social-Media-Team mit den Videojournalisten der Bundesregierung ist
       wesentlich dichter dran als das jeder Journalist in Deutschland könnte“,
       sagt der Politikberater Martin Fuchs, der sich auf die Kommunikation in
       sozialen Netzwerken spezialisiert hat. Fuchs spricht von „exklusiven
       Zugängen“, wenn er an die Auslandsreisen der Kanzlerin und ihrer
       MinisterInnen denkt – mal dringt die PR-Kamera bis ins Cockpit der
       Kanzlerinnen-Maschine vor, dann wieder zeigt sie Merkel mit der britischen
       Queen oder US-Präsident Barack Obama in vertrauter Atmosphäre. „Kein
       Pressesprecher würde ein Team von Journalisten so nah ranlassen“, sagt
       Fuchs, für den die Facebook-Seite der Regierung auch wegen solcher Inhalte
       „vielleicht die beste politische überhaupt ist in Deutschland“.
       
       Der Ausbau der Video-Aktivitäten wundert nicht: Regierungssprecher Steffen
       Seibert, der einstige ZDF-Journalist, ist vom Fach. Er lässt seine Chefin
       regelmäßig videopodcasten. Eine Reihe, über die Politikberater Fuchs sagt:
       „Die Kanzlerin kennt die Fragen, und auch die Interviewer sind ausgesuchte
       Menschen.“ Für die Regierungschefin sei das ein „sicheres Refugium“.
       Außerdem produziert die achtköpfige Social-Media-Redaktion im
       Bundespresseamt „Die Woche der Kanzlerin“, eine Art
       Regierungs-„Tagesschau“.
       
       ## Kritische Begleitung
       
       Das alles wirkt opulent, ist aber wohl nur der Anfang: Erst im Herbst hat
       Seiberts Bundespresseamt eine Produktionsgesellschaft mit einem
       „deutschlandweiten Netzwerk“ an Videoexperten gesucht, frei nach dem Motto:
       Wo ein Regierungsmitglied, da eine Regierungskamera und dann ein
       Regierungsfilm. Zusammen mit dem exklusiven Zugang ist das – aus Sicht des
       klassischen Journalismus – eine mindestens brisante Kombination. Steht oder
       fällt damit auch die Chancengleichheit für die kritische Begleitung durch
       unabhängige Medien?
       
       HauptstadtjournalistInnen erzählen, dass die Regierungs-PR bereits
       versuche, kontrollierte Botschaften ohne kritische Nachfragen
       durchzusetzen: Mal verwiesen Sprecher, etwa von Justizminister Heiko Maas,
       bei Interview-Anfragen auf Tweets ihres Ministers („das muss heute mal
       reichen“). Dann wieder ist in einer Regierungsmaschine nur Platz für
       Regierungsberichterstatter. Und fertige Videostatements produziert die
       Politik auch häufiger.
       
       Diese Statements und Podcasts sind nämlich mitnichten nur für die
       Social-Media-Kanäle produziert. Sowohl das Bundespresseamt als auch
       einzelne Ministerin offerieren Medien das Material auf Portalen für
       JournalistInnen. Und Medien greifen bisweilen auch zu. Aus Merkels Podcast
       zitieren etwa fleißig Nachrichtenagenturen, vor allem die größte
       hierzulande, die DPA – die allerdings zum Umgang mit der zunehmenden Flut
       an digitalen politischen Botschaften schweigt.
       
       ## Vorbereitete Botschaften für die Medien-Meute
       
       Mit dem Ausbau der Social-Media- und vor allem der Videoaktivitäten werden
       jedenfalls die Versuchungen für KorrespondentInnen größer. Hier gelte es,
       möglichst standhaft zu bleiben, sagt etwa ARD-Hauptstadtjournalistin Karin
       Dohr. Natürlich sei auch eines dieser Statements, zu denen Politiker gerne
       die Medien-Meute riefen, eine vorbereitete Botschaft. Aber es sei zumindest
       „mal mehr, mal weniger möglich“, doch noch Nachfragen zu stellen. „Häufig
       senden wir dann die Antwort, die nach der dritten oder vierten Nachfrage
       kam.“
       
       Regierungs- und Ministeriumssprecher beteuern, JournalistInnen weiterhin
       Zugänge zu ihren PolitikerInnen zu ermöglichen. „Wir stellen uns den
       kritischen Fragen von Journalisten, wir gehen zu Pressekonferenzen, wir
       machen Interviews“, sagt auch Hendricks-Sprecher Michael Schroeren. „Aber
       wir unterlassen das andere nicht. Wir nutzen beide Wege.“
       
       Auf diesem neuen Weg ist noch lange nicht alles perfekt. Hendricks etwa
       schaute – fernsehuntypisch – direkt in die Kamera statt zu einem
       Interviewer daneben. Sie betete erstaunlich ungelenk einen einstudierten
       Text herunter. Vor allem: Der Ton war eine Katastrophe. Umso
       bemerkenswerter, dass es sich trotzdem auf diversen klassischen Kanälen
       verbreitet hat. Stichwort „Notlösung“.
       
       „Wir haben nicht den Anspruch, dass wir dabei perfekt sind“, sagt dann auch
       Ministeriumssprecher Schroeren. Er spricht von „Entwicklungsmöglichkeiten“.
       Sagt aber: „Das Beispiel zeigt, es können schon Erfolge vermeldet werden.“
       
       28 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bouhs
       
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