# taz.de -- Kolumne Bridge & Tunnel: Geh doch nach Hause
       
       > Amerikaner sind verklemmt. Trotzdem reden gerade alle über Toiletten für
       > Trans*. Eine Willkommenskultur herrscht hier leider immer noch nicht.
       
 (IMG) Bild: Schön wär's: ein Klo für alle
       
       Verklemmtheit ist eine amerikanische Eigenschaft oder sogar Tugend. Man
       geht im Bikini in die Sauna, hält seine Kinder dazu an, keine „potty words“
       zu benutzen, also bitte den Pipikakahumor sein zu lassen, zieht seinen
       Töchtern eine Hose unter den Rock und geht, Sie lesen richtig, zum Kacken
       nach Hause. „TMI“ würde man mir hier spätestens zurufen, „too much
       information“, bitte sofort aufhören!
       
       „Shitbreak“ oder „home poopers“, Heimscheißer, sind ein amerikanisches
       Phänomen, von dem man nicht so viel mitbekommt, weil es ja genau darum
       geht, dass keiner etwas mitbekommen soll, aber in der Teeniekomödie
       „American Pie“ zum Beispiel wird der arme Finch mit seiner „poop stage
       fright“ mithilfe eines Abführmittels genüsslich ans Licht gezerrt, und zwar
       auf der Damentoilette, auf die er sich in seiner Not versehentlich begeben
       hatte.
       
       Dafür hätte er laut neuester Gesetzgebung in North Carolina verhaftet
       werden können, und pötzlich reden, trotz aller Verklemmtheit, alle vom Klo.
       Vom „restroom“ genauer genommen, so werden hier öffentliche Toiletten
       genannt, und es geht um die Frage, ob nach Geschlechtern getrennte
       Toiletten nicht eigentlich vom Grundgedanken her diskriminierend sind.
       
       North Carolina hat im März ein Gesetz verabschiedet, das Transsexuellen
       vorschreibt, die zu ihrem in der Geburtsurkunde eingetragenen Geschlecht
       passende Toilette zu benutzen. Das ist natürlich genau das Gegenteil von
       dem, was jemand, der sich den unglaublichen Strapazen einer
       Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, erreichen wollte, und zutiefst
       verletzend, respektlos und gemein.
       
       Klar, dass dieses Gesetz nur mit den Stimmen der Republikaner verabschiedet
       wurde, während die Demokraten empört den Saal verließen. Ein transsexueller
       Mann twitterte ein Foto von seinem bärtigen Gesicht und ließ den
       verantwortlichen Gouverneur wissen: „Das Gesetz schreibt mir ab jetzt vor,
       die Toilette mit deiner Frau zu teilen.“
       
       ## „Frauen brauchen halt länger“
       
       Seither haben sich zahlreiche Mitglieder der LGBT-Community zum Thema zu
       Wort gemeldet und darauf hingewiesen, dass die Toilettensituation nicht nur
       für diejenigen diskriminierend ist, die sich keinem Geschlecht zuordnen
       wollen oder können, sondern für Frauen im Allgemeinen.
       
       Sobald sich vor einer Herrentoilette eine Schlange bildet, bricht Empörung
       aus, denn darauf warten zu müssen, seine Notdurft verrichten zu können, ist
       für Männer undenkbar, während das Aufschieben dessen unter Stress und
       körperlichem Leid für Frauen vollkommen alltäglich ist.
       
       Argumente wie „Frauen brauchen halt länger“ sind unfair, da sie männliches
       Urinieren zur Norm erklären und Frauen einen minderwertigen Körper
       suggerieren. Den biologischen Gegebenheiten durch eine mindestens gleiche
       Anzahl von Toilettenzellen und Urinalen entgegenzukommen, ist bisher kaum
       jemandem eingefallen. Für große Veränderungen ist es in vielen historischen
       Gebäuden sowieso zu spät.
       
       ## Das fehlende Unter-sich-Sein
       
       Die Forderung von Trans* nach Unisextoiletten stößt bei Frauen jedoch nicht
       nur auf Gegenliebe, da viele sich eben nicht vorstellen können, ihre
       Toilette mit Männern zu teilen. Die Vorstellung, nach den im Stehen
       pinkelnden Männern ein bespritztes Klo mit einer Urinpfütze davor benutzen
       zu müssen, ist vielen zuwider, dazu das fehlende Unter-sich-Sein und ein
       Gefühl der Sicherheit, das viele Frauen nicht missen möchten. Hier
       tendieren Trans*-Aktivisten dazu, einen Vergleich mit den getrennten
       Toiletten der Rassensegregation zu ziehen, den ich als äußerst hinkend
       empfinde.
       
       Aber am absurdesten, bei aller Berechtigung der Debatte um „potty parity“,
       inklusive des Arguments, mich bei getrennten Toiletten nie an männliche
       Machtfiguren heranwanzen zu können, um meine Karriere ans Laufen zu
       kriegen, scheint mir die Idee, Männer sollten mehr wie Frauen und Frauen
       mehr wie Männer werden. Männer, die im Sitzen pinkeln, werden auf
       öffentlichen Toiletten einfach eine Rarität bleiben – und welche Frau
       schafft es bitte, mit dem sogenannten FUDD – dem Female Urinary Diversion
       Device – würdevoll im Stehen zu urinieren?
       
       Für das Ding, das aussieht wie ein schiefer Plastiktrichter, der mühsam in
       die Hose gefummelt werden und später irgendwo verstaut werden muss – für
       das Ding bin ich einfach zu verklemmt.
       
       26 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ophelia Abeler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) North Carolina
 (DIR) Transgender
 (DIR) USA
 (DIR) Trans-Community
 (DIR) North Carolina
 (DIR) Transgender
 (DIR) Identität
 (DIR) USA
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Basketball-Profiliga in den USA: Spielabsage wegen Transfeindlichkeit
       
       Das All-Star-Game 2017 wird nicht in Charlotte, North Carolina,
       stattfinden. Transgender werden dort bei der Benutzung öffentlicher
       Toiletten benachteiligt.
       
 (DIR) Miss Trans Israel: „Ich habe was zu bieten“
       
       Die Miss Trans Israel vertritt eine konservative Minderheit: Tallinn Abu
       Chana ist eine arabische Christin aus Nazareth.
       
 (DIR) LGBT-Rechte in den USA: Bibeln, Klotüren und alte Seilschaften
       
       In North Carolina dürfen Transmenschen nicht das Klo ihrer Wahl benutzen.
       Hinter dem umstrittenen „HB2“-Gesetz steckt ein Kulturkampf.
       
 (DIR) Transgender-Toiletten in North Carolina: Obama legt nach
       
       Der Kulturkampf in den USA wird tatsächtlich um die Toilettennutzung
       ausgetragen. Der US-Präsident droht jetzt mit dem Entzug von Fördergeldern.
       
 (DIR) Geschlecht und Identität: Was macht einen Mann zum Mann?
       
       Trans*menschen lassen ihren Körper an das Geschlecht angleichen, mit dem
       sie sich identifizieren. Nicht nötig, meinen Trans*alternative.
       
 (DIR) Transfeindliches Gesetz in den USA: Regierung verklagt North Carolina
       
       North Carolina will Transsexuellen vorschreiben, wo sie auf die Toilette zu
       gehen haben. Das Justizministerium protestiert. Nun überziehen sich beide
       Seiten mit Klagen.