# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Zusammen ist man mehr allein
       
       > Das ungehemmte Gucken von Serien zerstört das Fundament der heilen
       > Familie. So werden wir keine Goldenen Hochzeiten mehr erleben.
       
 (IMG) Bild: Wäre ganz schön hier, wenn nur nicht die ganzen anderen Leute nerven würden
       
       Ungefähr seit der Steinzeit funktionieren Beziehungen folgendermaßen:
       Tagsüber geht man zur Arbeit, abends ein bisschen spielen mit den Kindern
       (so man denn welche hat), dann essen, ins Bett bringen, Zeit für
       Zweisamkeit. Nur: was machen? Irgendwas ohne reden wäre gut. Also haben die
       Neandertaler oder die Römer oder die alten Griechen das Fernsehen erfunden.
       
       Genial. Man war zusammen, konnte sich einreden, Quality Time miteinander zu
       verbringen (ohne dass es den Ausdruck bei den Azteken schon gegeben hätte),
       musste aber nicht miteinander sprechen. Ergo fiel niemandem auf, mit was
       für einem Langweiler oder was für einer Langweilerin man gemeinsam auf den
       Ruhestand und die Auszahlung der Lebensversicherung wartete. Zu wissen,
       wann man oder frau die Schnauze zu halten hat – auf diesem Boden gediehen
       goldene Hochzeiten.
       
       Doch diese schöne Zeit ist vorbei. Nicht, dass man aufgehört hätte,
       Fernsehen zu schauen. Gott bewahre! Nein, man macht das nicht mehr
       gemeinsam. Warum? Weil man keine großen Unterhaltungsshows mehr guckt. Weil
       man kaum noch Filme schaut, sondern nur noch diese verdammten Serien. Und
       weil es einfach zu viel Auswahl und zu viele Abspielgeräte gibt.
       
       Also guckt meine Freundin „Suits“. Da geht es um gut aussehende junge
       Männer in Anzügen. Glaube ich. Hat mich nie interessiert. „Wenn ich einen
       gut aussehenden Mann im Anzug sehen will, schau ich in den Spiegel“, hab
       ich gesagt. Meine Freundin hat nicht gelacht. Sie hat mitleidig geguckt.
       
       ## Ich so „Better Call Saul“, sie so „New Girl“
       
       Sie kann nichts mit „Better Call Saul“ anfangen. Unverständlich. Erfolglose
       Anwälte bei der Arbeit – das rückt mein Weltbild zurecht. Sie kann auch
       nichts mit „Blue Mountain State“ anfangen. Verständlich. College-Footballer
       beim Saufen und Bumsen zuzuschauen – da ist sie vermutlich nicht die
       Zielgruppe.
       
       Sie guckt stattdessen „New Girl“. Ich hab auch da keine Ahnung, worum es
       geht. Vermutliche um junge Frauen in einer Großstadt. Ist aber nur geraten.
       
       Es gab auch mal andere Zeiten: Wir hatten „The Good Wife“ zusammen
       geschaut. Doch dann bin ich ihr enteilt. Sie hatte und hat keine Lust, die
       Folgen aufzuholen. Der Zauber ging verloren. Ist wie beim Tischtennis: Wenn
       man acht Sätze klar verloren hat, macht der neunte auch keinen Spaß mehr.
       Wir haben auch „Breaking Bad“ und „Mad Men“ geschaut. Aber das eine ist
       leider vorbei und das andere so langweilig, dass ich beim Schauen Angst
       habe, dass mein Gehirn aus Unterforderung schrumpelt.
       
       ## Kommunikation nur via Handy oder Babyfon
       
       Also sitze ich im Wohnzimmer und schaue meinen Kram und sie im Schlafzimmer
       und guckt ihren. Wenn was ist (Getränk leer, Nimm 2 aufgegessen oder
       Ähnliches), schreibt sie mir eine Nachricht oder nutzt das Babyfon. Dann
       bring ich ihr was, wir reden nicht, schließlich schläft das Baby. Nur ein
       kurzer Blick, dann geht jeder wieder seiner Serienwege.
       
       Erodiert hier gerade das Fundament der heilen Familie? Ich glaube: ja.
       
       Nicht bei uns natürlich, unsere Beziehung wird schließlich noch von ganz
       anderen, stabilen, unerschütterlichen Säulen getragen, namentlich:
       Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League.
       
       12 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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