# taz.de -- Kommentar Wahl in Österreich: Todesstoß für die Nachkriegsordnung
       
       > Erstmals seit 1945 geraten SPÖ und ÖVP ins Wanken: Die
       > Präsidentschaftswahl zeigt die Wut der Wähler über die Ratlosigkeit der
       > Regierung.
       
 (IMG) Bild: Der Wink eines vermeintlich sanften Herrn kann schwer treffen
       
       Der Aufstieg der FPÖ scheint unaufhaltsam. Niemand, nicht einmal die
       Optimisten in der eigenen Partei, hätten mit einem solchen Wahlergebnis
       gerechnet. Norbert Hofer, in den Umfragen zuletzt an zweiter Stelle, konnte
       sich mit mehr als 35 Prozent bei der ersten Runde der
       Präsidentschaftswahlen in Österreich als Sieger feiern lassen. Mehr haben
       die Erben Jörg Haiders auf Bundesebene noch nie erreicht: Österreichs
       Landkarte ist blau eingefärbt.
       
       Marine Le Pen und Geert Wilders gehörten zu den ersten Gratulanten. Was da
       auf Samtpfoten daherkommt, ist ein autoritäres Staatsverständnis, das auf
       direkte Demokratie setzt, um Europa zu schwächen und die Grenzen wieder
       dicht zu machen. Hofer spielte erfolgreich die Angst vor dem Islam und
       Überfremdung aus.
       
       Ob die Österreicherinnen und Österreicher sich wirklich einem Mann an dir
       Brust werfen, dessen politische Heimat eine rechte bis rechtsextreme
       Führerpartei ist, wird sich erst am 22. Mai zeigen. In jedem Fall bedeutet
       diese Wahl vom Sonntag den Todesstoß für das politische System der
       Nachkriegsordnung, in dem SPÖ und ÖVP alle relevanten Posten untereinander
       aufteilten. Ein System, dessen Stabilität auch durch die
       Sozialpartnerschaft garantiert wurde: die Einigung von Gewerkschaften und
       Arbeitnehmerverbänden vor einer Entscheidung im Parlament.
       
       Auch wenn weder die Rekordarbeitslosigkeit noch die internationalen
       Fluchtbewegungen der Regierung anzulasten sind, so präsentiert sie doch ein
       Bild der Ratlosigkeit. Und bei Zukunftsthemen wie Bildung und Energiewende
       blockieren die Koalitionspartner einander seit Jahren. Es war eine Wutwahl:
       je weiter weg von den Regierungsparteien, desto besser. Auch wenn man das
       Ergebnis vom Sonntag nicht in Parteipräferenzen für eine Nationalratswahl
       übersetzen kann, so ist doch klar, dass ein Damm gebrochen ist.
       
       Die Kandidaten des Regierungslagers haben miteinander kaum mehr Stimmen
       gewinnen können, als der zweitplatzierte Van der Bellen. Man muss kein
       großer Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich in beiden
       Regierungsparteien bald jene Leute durchsetzen werden, die eher bereit
       sind, für die FPÖ den Juniorpartner zu spielen.
       
       25 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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